piwik no script img

Claudius Prößer über den Versuch einer Lesebühne, Klaus Lederer (Linke) zu grillenSchnellredner trifft Wurschtigkeitsperformer

Der Außenreporter wird zugeschaltet: Er steht vor einem Geysirfeld und behauptet, er befinde sich im Thüringer Wald, wo der „Erlebniswert der Landschaft seit der Machtübernahme von Bodo Ramelow deutlich gestiegen“ sei: „Überall dampft und blubbert es. Ein Vorgeschmack darauf, was Berlin unter einem Regierenden Bürgermeister der Linken bevorsteht.“

Dass die Linke den Regierenden stellen wird, ist ziemlich unwahrscheinlich, aber es ist ja auch nicht der Thüringer Wald, sondern der Yellowstone-Nationalpark, und der „Reporter“ ist Heiko Werning, Mitglied der Weddinger Lesebühne Brauseboys, die wie jeden Donnerstagabend in den Osram­höfen tagt. Aber diesmal ist nicht alles Ironie und Flunkerei, denn mit Klaus Lederer ist nicht nur der Direktkandidat der Linken für den Weddinger Norden zu Gast, sondern tatsächlich der Mann von Listenplatz 1. Die Brauseboys haben den Brauch, vor Wahlen einige Weddinger KandidatInnen einzuladen, um sie auf Kiezcredibility und allgemeine Positionen abzuklopfen.

Lederer ist einer, der im schluffigen Lesebühnenambiente nicht weiter auffällt, ein unprätentiöser Mensch, der auch sonst gern T-Shirt und Hoodie zur Jeans trägt. Schon in der ersten Interviewrunde wird freilich klar, dass da ein abgefeimter Profi auf der Bühne steht, einer, der auch gemeine Fragen ohne Wimpernzucken pariert, im Übrigen auch ein ausgemachter Schnellredner. Spricht er im Wechsel mit den Lesebühnenautoren, die gerne mit abgerockter Wurschtigkeit performen, klingt es, als hätte jemand bei dem Linken den Geschwindigkeitsregler hoch- und bei seinen Gastgebern heruntergedreht.

Auf seinen Plakaten werde Lederer als „unduldsam, beherzt, gerecht“ bezeichnet, sagt Moderator Volker Surmann. Das „unduldsam“ habe er noch mal nachgeschlagen, es bedeute unter anderem „intolerant“. „Und damit wollen Sie Regierender Bürgermeister werden?“

Das gibt einen Lacher, aber der Befragte bleibt cool. Klar sei er intolerant, etwa gegen zu hohe Mieten oder die Bevorzugung privater Investoren gegenüber landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bei der Vergabe von Baugrund. Und so weiter. So leicht kriegt man einen nicht an den Haken, der seit 13 Jahren im Parlament sitzt und seit elf Jahren die eigene Partei führt.

Auch nicht mit dem Verweis auf die berüchtigte Privatisierung der GSW unter Rot-Rot: „Ja, die haben wir selbst verbrochen“, konzediert Lederer, aber eine gewaltige Haushaltslücke habe die Linke dazu gezwungen. Dass das nicht mit ganz viel Mi­lieu­schutz flankiert worden sei, tja, das habe man den Sozis zu verdanken. Der Mann ist einfach zu glatt, um ihn zu fassen.

Nur einmal versagt er. Beim „Wedding-Dalli-Klick“ verortet er die Julius-Leber-Kaserne im Nachbarbezirk Reinickendorf. Irgendwie auch kein Wunder – schließlich wohnt der Mann in Prenzlauer Berg.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen