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Warum nicht gleich so

Einzelfall Eine Romni aus Mazedonien wird von der Polizei geschlagen und malträtiert. Erst das Verwaltungsgericht Oldenburg gewährte ihr Schutz

Bis Sevdihan O. zu ihrem Recht kam, dauerte es fast drei Jahre. Von einem abgelehnten Asylantrag erreichte es die Romni aus Mazedonien erst durch eine Klage, dass ihr ein Flüchtlingsschutz zuerkannt wurde – undenkbar ohne juristische Unterstützung.

2012 floh sie nach Deutschland und beantragte Asyl. In Mazedonien hatte sie eine Menschenrechtsorganisation gegründet, Übergriffe auf Roma durch Sicherheitskräfte dokumentiert: Dafür wurde sie über Jahre von der Polizei malträtiert, schikaniert, in ihrer Arbeit behindert und verprügelt. Ein unrechtmäßiger Akteneintrag verhinderte, dass sie über das Arbeitsamt eine Stelle bekommen konnte. 2011 wurde sie von PolizistInnen so schwer verletzt, dass sie ihr ungeborenes Kind verlor. Sie habe sich geweigert, Stimmen aus der Roma-Community für die Regierungspartei zu „sammeln“ – eine Episode eines vermutlichen Wahlbetrugs durch die Regierung, der bis heute für eine politische Krise in Mazedonien sorgt.

All das hatte sie auch bei ihrer Anhörung dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgetragen. Doch im September 2013 folgte die Entscheidung: Asylantrag abgelehnt. Damit wäre ihr Schicksal zumindest von Seiten des Bundesamtes besiegelt gewesen. Deren nächster Schritt sah nur eines vor: die Abschiebung.

Auch die Statistik sprach gegen Sevdihan O.: 2013 hatten die Sachbearbeiter neben ihrem Asylantrag noch über 6.399 weitere Fälle von Menschen aus Mazedonien entschieden – und nur 17 Menschen wurde Schutz gewährt. O. war nicht dabei.

Und politisch sowieso: Nach Meinung der schwarz-roten Bundesregierung war Asyl für O. eigentlich nicht vorgesehen. Denn 2014 wurde Mazedonien zusammen mit Serbien und Bosnien-Herzegowina per Gesetz pauschal zum „sicheren Herkunftsland“ erklärt. Damit wurden die Einwände von Menschenrechtsorganisationen ignoriert und Bundesamt-Statistiken mit den geringen Schutzquoten als Beleg angeführt. Auch Angehörige der Roma-Minderheit hätten in Mazedonien angeblich nichts zu befürchten.

Doch O. gab nicht auf und reichte im September 2013 mit Unterstützung des Osnabrücker Anwalts Henning J. Bahr gegen die Asylablehnung Klage ein. Es folgten weitere zwei Jahre der Unsicherheit, des Wartens und einer Zeit, in der keine Zukunftsplanung möglich war. O. blieb nichts, außer durchzuhalten.

Am 18. September 2015 sprach ihr das Verwaltungsgericht Oldenburg schließlich eine Flüchtlingsanerkennung zu, den höchsten Schutzstatus, den es neben politischem Asyl in Deutschland gibt. Ihr drohe „politische Verfolgung“, heißt es in dem Urteil. Und: „Die Verfolgungshandlungen gehen von der Polizei aus.“

Juristisch eine Entscheidung im Einzelfall., politisch aber ein Paukenschlag: Eben das, was O. als Romni an Malträtierungen und Diskriminierung glaubhaft machte, berichten Menschenrechtsorganisationen und Nichtregierungsorganisationen für viele weitere Fälle aus Mazedonien, bei denen Angehörige der Roma-Minderheit betroffen sind. All das, obwohl das Land als „sicher“ gilt.

Anders als viele andere Flüchtlinge konnte Sevdihan O. dokumentieren, was ihr widerfuhr. Sie hatte den langen Atem, um die Entscheidung des Bundesamtes nicht hinzunehmen und war durch einen Anwalt gut beraten. Ein Kampf gegen die Abschottungsbosheiten des deutschen Asylsystems, der nicht allen gelingt. jean-philipp baeck

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