Hotspot Triest: Dann mach ich halt Mode
Auf dem International Talent Support (ITS) in Triest werden aktuelle Modemacher und die der nahen Zukunft gefördert.
Die Mode der Zukunft stammt aus London. Allerdings kommt sie im norditalienischen Triest zur Welt. Hier findet jedes Jahr am zweiten Juliwochenende der International Talent Support (ITS) statt, ein in der Mode- und Kunsthochschulwelt viel beachteter Talentwettbewerb.
Beim samstagabendlichen Catwalk sitzen dann Valerie Steele vom Fashion Institute of Technology in New York und Demna Gvasalia, der Balenciaga-Chefdesigner und Gründer des derzeit heißesten Kultlabels Vetements, in der ersten Reihe. Im Jahr 2003 war er einer der Finalisten − und Gewinner − des ITS, den die Triester Modeexpertin Barbara Franchin 2001 ins Leben gerufen hat.
Ihr Baby feierte dieses Jahr nun seinen schon ziemlich erwachsenen 15. Geburtstag. Daher schaut der ITS noch auf andere große Talente in seinen Reihen wie Katy Reiss, Art Director und Senior Stylist bei Lanvin, oder Courtney McWilliams, Finalistin 2010, heute Design Director bei Givenchy. Dass hier tatsächlich Karrieren angeschoben werden, liegt an zwei Punkten, auf die Barbara Franchin achtete.
Von Anfang an brachte sie in Triest eine hochkarätige Jury zusammen. Das fing mit Isabella Blow, der Muse Alexander McQueens, an oder Terry Jones vom iD Magazine. Später kamen Raf Simons an Bord oder Marina Abramovic, die Mutter aller Performance Kunst, Cecilia Dean, Gründerin von Visionaire, und die holländischen Modemacher Viktor & Rolf. Alles Leute, die im lukrativen wie riskanten Geschäft mit der Mode ein Wort mitzureden haben, obwohl sie für eine eigenwillige Kreativität jenseits des Mainstreams bekannt wurden.
Renommierte Sponsoren sind wichtig
Das Geschäft mit der Mode beherrschen nur wenige so gut wie Renzo Rosso, Gründer von Diesel und Präsident der Modeholding OTB (Only The Brave), zu deren Brands Maison Martin Margiela, Marni oder Dsquared gehören, um nur einige zu nennen. Wichtige Sponsoren wie BTO für ihr Projekt zu gewinnen, war der andere Punkt, den Barbara Franchin beachtete.
Inzwischen sind der Triester Versicherungskonzern Generali mit dem Future Award dabei, Swarovski vergibt einen Preis für Modeschmuck, Swatch einen für Art Work, während der 1934 gegründete japanische Reißverschlussproduzent YKK die Accessoires fördert. Entsprechend werden in allen Kategorien zwei mit je 10.000 Euro dotierte Preise vergeben, nämlich einer des International Talent Supports und einer des Sponsors.
Und in diesem Jahr gab es glücklicherweise sogar drei Gewinner im Feld der Mode, weil BTO sowohl Niels Gundtoft Hansen vom Royal College of Art in London als auch Anna Bornhold von der Hochschule der Künste in Bremen auszeichnete. Dazu kam die Neuseeländerin Mayako Kano, die den ITS-Preis abräumte.
Niels Gundtoft Hansen arbeitete für seine Kollektion mit Lastwagenplanen, um eine voluminöse Silhouette zu bekommen, also Hosen mit dicken Knien oder auch mal auffällig strammen Waden. Einen runden Rücken machte der Rucksack und dann betont der Designer den Comicfigurencharakter seiner „Urban Guerilla“ wie er seine Entwürfe im Gespräch nennt, noch mit klobig-unförmigen schwarzen Schuhen.
Schwieriges Überleben im Bereich der Mode
Anna Bornhold hat in Bremen zunächst Kunst studiert. Als sie dann während des Studiums Angst bekam, wie sie als freie Künstlerin denn überleben sollte, erzählt sie, „dachte ich mir ganz naiv, ach, dann mach ich halt Mode“. Sie wechselte ins Fach Integriertes Design und erkannte schnell, dass das Überleben im Bereich der Mode keinen Deut leichter ist als in der freien Kunst. Es macht ihr jetzt nur mehr Spaß, es zu versuchen. Das ist ihrer bunten Street-Wear-inspirierten Kollektion anzusehen, die ebenso lustig wie provokativ mit unverkennbar humoristischen Elementen arbeitet.
Anderswo würde ihre Zigarettenhose, die den Begriff für eine schmal geschnittene Hose visualisiert, indem von den Knöcheln aufwärts bis zur Taille der Filter, das weiße Tabakstück, Glut und Asche sichtbar werden, eher mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtet. Nicht hier in Triest, wo es wirklich um die originären, durch keinerlei strategische Überlegungen eingehegten Entwürfe geht.
Deswegen ist der ITS so wichtig für angehende Designer im Bereich der Mode, des Modeschmucks und der Accessoires. „Triest ist nicht Paris und nicht London“, sagt Karlmond Tang, der den Blog Mr Boy betreibt, „hier kann jeder mit jedem sprechen, hier gibt es keine Hierarchie.“ Auf dem ITS Kontakte zu knüpfen fällt auch ängstlichen Newcomern leicht.
Selbst die Stadt ist wenig einschüchternd. In der Parallelstraße zur Seepromenade sind Schaufenster mit riesigen altmodischen BHs, billigen T-Shirts und hübschen Seidenunterröckchen bestückt, davor wirbt eine Initiative mit einer Unterschriftenaktion für die Freigabe von Haschisch, für dessen Konsum ein Geschäft an der Riva Tommmaso Gulli dann die entsprechenden Pfeifen und Chillums bereit hält.
Wiener Ringstraße am Mittelmeer
Ganz klar: Hier ist italienische Provinz. Selbst wenn man sich leicht irritiert fragt, warum man direkt am Mittelmeer ständig durch die Wiener Ringstraße geht, auf der das Grand Hotel, in dem man nächtigt, absolut nicht fehl am Platze wäre.
Steigt man freilich an der Piazza Venezia Nummer 6 in das Dachgeschoss hoch, gelangt man in eine international gültige, alles andere als provinzielle Schatztruhe: Das ITS Creative Archive. Jedes Portfolio, das während der 15 Jahre des Wettbewerbs eingereichte wurde, ist hier registriert und aufbewahrt.
Das bedeutet dann 15.000 Portfolios aus 80 Ländern weltweit, mit 150.000 Originalgrafiken und -zeichnungen. Dazu kommen 210 Outfits und 170 Accessoires und Schmuckstücke der ITS-Gewinner, da der Preis den Ankauf je eines Stücks für das Archiv beinhaltet.
Dieses Jahr kommen 80 Prozent der Portfolios von internationalen Studierenden am Royal College of Art in London. Die zukünftige Mode stammt aus London. Und auch die Accessoires und der Schmuck, etwa von Sari Raethel, die nach einer Ausbildung in Idar-Oberstein ihren Abschluss am Royal College machte. Mit dieser Arbeit, die den Träger*innen mithilfe von Achathoden, Achatbrüsten oder Achatkehlköpfen eine instantane Geschlechtsumwandlung ermöglicht, gewann sie den ITS Jewelry Award.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!