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American PieCoach K hatte einen Plan

Olympia in Rio wird das letzte Turnier für Mike Krzyzewski. Nach zehn Jahren hört der Trainer der US-Basketballauswahl auf

Am 21. August endet ein zehnjähriges Projekt im US-Basketball. Dann findet das Finale des Olympischen Turniers in der Barra Carioca Arena von Rio de Janeiro statt, und nach menschlichem Ermessen wird auch 2016 das Team USA das Endspiel mindestens erreichen, höchstwahrscheinlich gewinnen.

Spätestens dann endet die Amtszeit von Trainer Mike Krzyzewski – und damit eine wegweisende Ära rund um die US-Auswahl. „Wir sind gerade mal eine Woche zusammen, aber es wirkt wie mehrere Jahre“, sagt DeAndre Jordan am Rande des 106:57-Siegs im Vorbereitungsspiel gegen China am Sonntag in Los Angeles. Der Center mit der Wuschel-Frisur und dem üppigem Bart ist neu im Team – und doch hat er das Krzyzewski-Mantra schnell verinnerlicht: Teamgeist. Zusammenhalt. Wir, nicht ich.

„Coach K“ hat seit Amtsantritt 2006 der Mannschaft diesen neuen Geist eingeimpft. Zuvor erlebte der US-Basketball zwei herbe Enttäuschungen: Platz sechs bei der WM 2002 im eigenen Land, dann nur Bronze bei Olympia 2004. Es reichte nicht mehr aus, wild zusammengewürfelte Teams aus größeren und nicht ganz so großen NBA-Profis ohne Vorbereitung ins Rennen zu schicken, der Rest der Welt hatte aufgeholt.

Auch Krzyzewski musste erst einen Dämpfer erleben: Bei der WM 2006 in Japan war im Halbfinale gegen Griechenland Schluss, am Ende reichte es zu Platz drei. „Für mich war diese Niederlage im Halbfinale die größte Enttäuschung meiner Karriere“, blickt Krzyzewski zurück. Der 69-Jährige wird durch die Basketballwelt hindurch geschätzt, er trainiert seit 36 Jahren die Auswahl der renommierten Duke-Universität, die er zu fünf College-Meisterschaften führte. Dutzende Spieler haben es unter dem stets so akkurat gescheitelten Basketballlehrer in die NBA geschafft.

Nach der WM-Enttäuschung setzte sich Krzyzewski mit dem rührigen Verbandschef Jerry Colangelo zusammen und erarbeitete ein Zukunftskonzept: Spieler sollten sich langfristig verpflichten, intensive gemeinsame Vorbereitungsphasen vor Turnieren, die Einbindung von Perspektivspielern im Training, detaillierte Taktik-Studien der Gegner – was einst als unnötig verpönt war, wurde zum Erfolg: Jene Halbfinal-Pleite war bis heute die letzte Niederlage. 2008 und 2012 coachte Krzyzewski die Mannschaft wieder zum gewohnten Olympia-Gold, 2010 und 2014 zu zwei Weltmeister-Titeln.

Stars reißen sich darum, für die Trainer-Ikone zu spielen – vorbei die Zeiten reihenweiser Absagen für die „lästige Urlaubsunterbrechung“. „Natürlich habe ich darüber nachgedacht, den Sommer lieber zur Erholung zu nutzen“, sagt Kyrie Irving, jüngst als Spielmacher mit den Cleveland Cavaliers Meister geworden – und früherer College-Schüler Krzyzewskis. „Aber der Gedanke, zum Abschied für Coach K noch einmal Gold zu holen, ist einfach zu verlockend.“

Zwar gab es auch 2016 Absagen einer Vielzahl von Spielern aus der Weltelite: LeBron James, Stephen Curry, Russell Westbrook, James Harden oder Chris Paul fehlen entweder verletzungsbedingt oder entkräftet nach der langen NBA-Saison. Dennoch steht ein Aufgebot junger, hochtalentierter und spielerisch wie geistig reifer Akteure bereit, das haushoher Favorit ist.

Der Gedanke, für Coach K noch einmal Gold zu holen, ist zu verlockend

Fünf Spieler waren bereits bei vergangenen Erfolgen dabei, darunter Center DeMarcus Cousins oder Carmelo Anthony, der seine dritte Goldmedaille gewinnen könnte. „Jahrelang hatten wir überhaupt keine Struktur, kein Konzept. Mit Coach K hat sich alles verändert“, erklärt der erfahrene Flügelspieler. Selbst der als charakterlich schwierig verschriene, aber hochbegabte Center DeMarcus Cousins fügt sich ein. „Er ist erwachsen geworden, und das erfüllt mich mit Stolz“, sagt Krzyzewski.

Nach Olympia übernimmt Gregg Popovich, Erfolgscoach der San Antonio Spurs und mindestens genauso geschätzt wie Krzyzewski. Dazu musste erst einmal ein alter Streit beigelegt werden: „Ich habe mich bei ihm entschuldigt“ sagt Colangelo – 2004 noch hatte er Popo­vich übergangen. „Ich hätte nie gedacht, dass ich noch einmal diese Möglichkeit bekomme“, bestätigt „Pop“. „Meine einzige Bedingung an Jerry war: Er muss auch bleiben.“

Der Einfluss von „Coach K“ war wohl auch hier am Werk.

David Digili

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