Artenschutz in der Großstadt: Selbst Ratten sterben aus
Der Säugetieratlas zählt 54 wild lebende Arten in Hamburg . Zwar sind einige Spezies wiedergekommen. Richtig gut aber geht es den wenigsten.
Der Biber breitet sich von der Mittelelbe kommend im Osten und Süden der Stadt entlang der Elbe aus, der ebenfalls wieder zugezogene Fischotter zusätzlich im Norden an der Oberalster. Beide profitieren von der verbesserten Wasserqualität und der größeren Durchlässigkeit der Gewässer, freute sich Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Dienstag bei der Vorstellung des Säugetieratlasses. Gesichert ist ihr Überleben noch lange nicht. Der Fischotter gilt noch immer als gefährdet, der Biber als stark gefährdet.
Nur jede vierte Art ist ungefährdet
54 wildlebende Säugetierarten weist der Atlas, der erste seit 2002, nach, doch nur 13 davon gelten als ungefährdet (27 Prozent): Eichhörnchen, Dachs und Steinmarder, Rotfuchs und Wildschwein, Reh, Dam- und Rotwild, Seehunde sowie mehrere Mäusearten sind in ihrem Bestand nicht bedroht. Kurz vor dem Aussterben steht hingegen die Hausratte, die seit Jahren nur noch vereinzelt nachgewiesen wird. Ihr wird die größere Sterilität und Hygiene moderner Bauten sowie die zunehmende Konkurrenz durch die Wanderratte zum Verhängnis.
Rote Listen gefährdeter Arten werden von der Weltnaturschutzunion oder nationalen Stellen veröffentlicht. Sie gelten als wissenschaftliche Empfehlungen an Gesetzgeber und Behörden. In Hamburg stehen auf der Roten Liste der Säugetiere:
ausgestorben: drei Arten
vom Aussterben bedroht: eine Art
stark gefährdet: fünf Arten
gefährdet: drei Arten
unbekannte Gefährdung: elf Arten
Vorwarnliste: fünf Arten
ungenügende Datenbasis: sieben Arten
ungefährdet: 14 Arten
Besonders artenreich ist Kerstan zufolge der Nordosten der Stadt rund um den Duvenstedter Brook sowie die großen waldähnlichen Parks wie den Ohlsdorfer Friedhof. Auch rund um den Klövensteen im Westen, in den Harburger Bergen sowie den Vier- und Marschlanden wurden besonders viele Säugetierarten nachgewiesen. Teilweise bis in die Innenstadt wagen sich Füchse, Rehe und Wildschweine vor.
Mehr Naturschutzgebiete geplant
Artenreich sind zudem die 32 Naturschutzgebiete. Drei weitere in Allermöhe, Neuland und Volksdorf sollen bis 2018 ausgewiesen werden. Dann stünden in Hamburg 9,5 Prozent der Landesfläche unter Naturschutz – Spitzenwert in Deutschland.
Bis dahin sollen auch Pflege- und Entwicklungspläne für alle Naturschutzgebiete erstellt worden sein. Bislang ist dies nur bei dreien der Fall – sehr zum Missfallen von Naturschutzgruppen, die in vielen Fällen die Pflege der Gebiete übernommen haben, ohne verlässliche Zusagen der Stadt, wie ökologische Qualitätsziele umgesetzt und finanziert werden sollen.
„Hamburgs Natur braucht mehr als die Bestandsaufnahme einzelner Spezies“, moniert auch der FDP-Umweltpolitiker Kurt Duwe. Notwendig sei „eine Strategie, die über den Flickenteppich von Naturschutzgebieten hinausgeht“, findet er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!