Verfassungsreform in Italien: Renzi rudert bei Referendum zurück
Der italienische Regierungschef will bei einer Niederlage bei der Volksabstimmung nicht mehr zurücktreten. Damit bleibt er bis Frühjahr 2018.
Rom taz | Ministerpräsident Matteo Renzi bleibt der italienischen Politik auch dann erhalten, wenn er beim Verfassungsreferendum eine Niederlage erleiden sollte. Damit korrigierte der Premier seine bisherige Position, er werde im Falle einer Niederlage zurücktreten.
Die Verfassungsreform, über die die Italiener im November abstimmen, ist das wichtigste Projekt der seit Februar 2014 amtierenden Regierung. Die Entmachtung der zweiten Kammer, des Senats, und eine Beschneidung der Kompetenzen der Regionen sollen dem Land eine effizientere Regierung bescheren – ein populäres Ziel.
Um die Zustimmung weiter zu erhöhen, setzte Renzi jedoch auf eine weitere Karte: auf seine Popularität. Schon vor Monaten kündigte er an, im Falle eines Scheiterns im Referendum werde er sich aus der Politik zurückziehen, werde das Land in der Folge schnelle Neuwahlen erleben.
Doch was als Drohung gemeint war, sehen Teile der Wählerschaft als Versprechen. Renzis Popularitätswerte sind deutlich gesunken, und seine Partito Democratico (PD) liegt nur noch knapp vor der Protestbewegung Movimento5Stelle (M5S) von Beppe Grillo. Wie stark der Stimmungsumschwung ist, zeigte sich bei den Kommunalwahlen im Juni, als die PD mit Rom und Turin zwei der größten Städte an das M5S verlor.
Wenn der Renzi nicht sympathisch ist
Vor diesem Hintergrund nahm Renzi deshalb jetzt eine 180-Grad-Wende vor. Gar nicht um seine Person gehe es, sondern um die Sache, behauptet er jetzt und bittet die Wähler der Oppositionsparteien, auch dann für die Verfassungsreform zu stimmen, wenn „ihnen dieser Renzi nicht sympathisch“ ist.
Funktionieren dürfte dieser Schwenk kaum, denn wer bisher schon die Volksabstimmung nutzen wollte, um gegen den Regierungschef zu votieren, wird dies auch weiterhin tun. Dennoch verändern sich die Szenarien für die Zeit nach dem Referendum. Renzi erklärte, dass Italien in jedem Falle erst im Jahr 2018 nach Ablauf der Legislaturperiode neu wählen werde. Die bisher im Falle eines Neins angekündigten Neuwahlen fallen damit aus.
„Schlimmer als der Brexit“ galt vielen Beobachtern ein solches Szenario, denn bei Neuwahlen hätte Grillos M5S, das die Mitgliedschaft Italiens in der Eurozone infrage stellt, gute Siegchancen gehabt. Jetzt dagegen darf als sicher gelten, dass Renzi bis zum Frühjahr 2018 weitermacht.
Leser*innenkommentare
farinet
Wenn die EU (und hier vor allen die "schwäbische Hausfrau" im bundesdeutschen Finanzministerium) ihre neoliberale Austeritätspolitik nicht ändern, dann wird entweder der Austritt Italiens aus dem Euro oder die Implosion des gesamten Europgebildes so oder so passieren, es ist nur eine Frage der Zeit. Ob die Bundesrepublik mit einer DM, die durch die Decke geht, glücklich wird oder auch nur zurecht kommt, mag man mit gutem Grund bezweifeln.