Wahlkampfaktion pro Musikschulen: Mit prekären Grüßen
Der Landesmusikrat spannt die Berliner Politprominenz erfolgreich für sich ein und fordert mehr Festanstellungen an den Musikschulen.
Sie sollen Musikprojekte an Schulen organisieren, Begabtenförderung anbieten und den klassischen Instrumentalunterricht sowieso – so steht es im Berliner Schulgesetz: die rund 2.200 MusiklehrerInnen, die an den zwölf landeseigenen Musikschulen unterrichten. Doch gerade mal 156 von ihnen sind fest angestellt – schlicht kein Personal vorhanden also, das sich über Projekte, die über die gewöhnliche Klavierstunde hinausgehen, Gedanken machen könnte.
Bessere Vermittlungsagenturen für Klavier oder Gitarre seien die Musikschulen derzeit, sagt deshalb Franziska Stoff, die Generalsekretärin des Landesmusikrats, der Interessenvertretung der Musikschulen: „Dabei gibt es einen gesetzlich verankerten Bildungsauftrag.“
20 Prozent Festangestellte fordert darum der Landesmusikrat. Und weil man im Wahlkampf laut sein muss, hat er diese 20-Prozent-Zahl nun auf Postkarten drucken lassen, die der geneigte Bürger seinem Wahlkreisabgeordneten zukommen lassen möge. Auch die einschlägige Politprominenz – SPD-Fraktionschef Raed Saleh, sein CDU-Kollege Florian Graf, Linken-Landeschef Klaus Lederer – macht mit und posiert samt Postkarte für die Webseite des Landesmusikrats.
Tatsächlich haben alle wichtigen Parteien das Thema in ihr Wahlprogramm aufgenommen: 20 Prozent Festanstellungen will auch die SPD (pdf), die Linke sogar 75 Prozent, das wäre auch der Bundesschnitt. Mehr Stellen wollen auch CDU (pdf) und Grüne, Letztere versprechen den dann noch verbleibenden Honorarkräften zudem, für faire Tarifverträge zu streiten.
Derzeit bekommen die freien Musikschullehrer 25 Euro brutto pro Unterrichtsstunde, Krankengeld und Mutterschutz sind nicht vorgesehen. Die prekären Arbeitsbedingungen sorgten auch dafür, dass man die fähigsten Leute schnell wieder verliere, sagt Stoff. „Die gehen lieber bei vollen Lehrerbezügen als Quereinsteiger an die Schulen.“
Wie ernst der Politprominenz der Postkartenfototermin tatsächlich war, wird sich trotzdem erst noch zeigen – wenn klar ist, welche Forderungen aus den Wahlprogrammen wirklich Eingang in die Koalitionsverhandlungen finden.
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