piwik no script img

Wenn Schwitzen zum Event wird

HEISS Die Sauna ist wie ein Kurzurlaub, aber wie entspannt es sich am besten: mit Unterhaltungsprogramm oder bei Redeverbot? Unsere Autorin hat das mal ausprobiert

„Diese ganzen Spielarten ringsrum sollten kritisch hinterfragt werden“

RAINER BRENKE, SAUNABUND

VON ANNIKA STENZEL

Mit einem leisen Zischen schießt der Fächer über unsere Köpfe. Beim heißen Luftstoß stöhnen die Ersten. „Könnt ihr noch?“, fragt Carsten, bekommt ein paar gequälte Jas zurück und gießt mit dem Holzlöffel eine Birkenaroma-Mischung auf die heißen Steine. Rund 40 Menschen haben sich in die Sauna gequetscht. Eine Frau traut sich, schnappt ihr Handtuch und verlässt fluchtartig die Sauna. Andere tun es ihr nach. „So“, sagt Carsten, „in ein paar Minuten sehen wir uns wieder für Runde zwei.“ Die, die durchgehalten haben, klatschen und flitzen zum Pool, wo Carsten Obst verteilt.

Die Bäderland Hamburg GmbH betreibt in der Hansestadt die meisten öffentlichen Schwimmbäder, der Saunabereich im Festland in St. Pauli wird mit „Altonas Auszeit-Oase“ beworben. Neben der klassischen Sauna gibt es ein Saunarium, ein Dampf- und ein Aromabad, den Außenpool und ein Eisbecken. Die Aufgusszeremonien sind das Highlight – es gibt Spezial, Fichte, Minze-Schokolade und so weiter. „Ohne stündliche Aufgüsse ist die Sauna nicht mehr denkbar“, schreibt die Pressestelle.

Rainer Brenke vom Deutschen Saunabund sieht das anders. „Einen Aufguss braucht man nur selten, das bringt wenig gesundheitlichen Nutzen“, sagt er. Für die Sauna sollte man sich Zeit nehmen, nach jedem Saunagang abkühlen und nachruhen. „Diese ganzen Spielarten“ ringsum die Sauna sollten kritisch hinterfragt werden.

Will man im Festland an zwei Aufgüssen hintereinander teilnehmen, wird es etwas hektisch: Abkühlen, Obst essen, runterkommen, noch mal schnell in den Außenpool oder ins Dampfbad. Oh, gleich neun, schnell wieder zum Aufguss. Es ist leerer geworden. Jetzt kommt Holger mit Eimer und Handtüchern in die finnische Sauna.Er hat Brustwarzenpiercings und Tätowierungen. „Ich habe euch die Sieben-Kräuter-Mischung mitgebracht“, sagt er. Zwischen dem Wedeln mit dem Handtuch leidet er gespielt mit den Schwitzenden mit und klopft Sprüche. Sein Publikum versucht, mit dem Sprücheklopfen mitzuhalten. Nach dem Aufguss, den diesmal fast alle ganz durchhalten, wird gejohlt und applaudiert.

Im Hamburger Karolinenviertel betreibt Andreas Oswald in einem zugewachsenen Hinterhof die „Heat and Silence“-Sauna. Vor 15 Jahren hat er die Sauna den Oshos abgekauft. Oswald ist Masseur, die Sauna läuft nebenher. „Reich werde ich damit nicht“, sagt er. Sprechen darf er gerade nur, weil die Sauna noch nicht geöffnet ist. „Saunieren in Stille“ ist das Motto der Sauna. Das Redeverbot ist durchaus ernst gemeint, es gibt nur meditative Klänge. Im Gegensatz zum Festland, wo es den Besuchern auch um den Unterhaltungsfaktor geht, kommt man hier zum Nixwollen her. Im Ruhebereich im Erdgeschoss kann man den Bastmatten liegen und lesen, „aber keine Zeitungen, die machen zu viel Krach“, sagt Oswald. Kinder dürfen nicht rein. „Wir bieten eine Auszeit für Erwachsene an.“

Im Keller ist der Saunabereich: Duschen, ein Kaltwasserbecken, ein kleines Dampfbad, eine finnische Sauna. Alles klein und fein – dekoriert mit Buddha und Teelichtern. Am Beckenrand eine beheizte Steinbank und eine Ruheecke mit Matratzen. Viel ist hier nicht los, nur selten, sagt Oswald, sei die Sauna richtig voll. Das Dampfbad faucht, der kleine Wasserfall plätschert, angenehm, diese Stille.

Wäre da nur nicht dieses große Schild an der Wand, das einen immer an das Verbotene erinnert. Nach einer Weile will man dann doch wieder sprechen und verlässt die Sauna.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen