piwik no script img

Zoff um die Amadeu-Antonio-StiftungZwischen allen Fronten

Gerade erst wurde die Stiftung von Rechten attackiert. Nun kritisieren antirassistische Initiativen, dass eine Nähe zum Verfassungsschutz bestehen soll.

Ist manchen linken Gruppen zu staatsnah: Stiftungsratsmitglied Stephan J. Kramer Foto: dpa

BERLIN taz | Alle mal anschnallen, die Geisterfahrt ist lange nicht beendet. Gerade erst dachten sie in der Zentrale der Amadeu-Antonio-Stiftung, der größte Sturm der Kritik wäre nun vorbei – da erreicht sie schon der nächste Nackenschlag von unerwarteter Seite. Es ist eine dramaturgische Posse mit folgender Botschaft: Egal, wo die Arbeiter im Kampf gegen Rechtsextremismus derzeit hinkommen, ihre Feinde lauern überall.

Wochenlang stand die Stiftung zuletzt in der Kritik, weil insbesondere Rechte und Rechtsextreme die Organisation mit einer Schmutzkampagne überzogen. Die Botschaft: In der Stiftung säßen staatstreue Diener, die alles, was anderer Meinung sei, verbieten wollten. Eine dreiste Kampagne, basierend auf Missverständnissen und Fehlinformationen.

Tatsächlich setzt die Stiftung sich in Zusammenarbeit etwa mit dem Bundesjustizministerium und Facebook unter anderem dafür ein, Volksverhetzung und Straftatbestände im Internet besser ausfindig machen und verfolgen zu können. Mitte letzter Woche kamen dann auch Neonazis der sogenannten Identitären Bewegung vorbei, statteten der Stiftung einen Besuch ab. So, so.

Was wäre da naheliegend? Dass, sagen wir, antirassistische Initiativen sich womöglich solidarisieren? Nun ja: Kaum hat die Welle der Empörung von rechts etwas nachgelassen, wendeten sich am Mittwoch verschiedene antirassistische Initiativen öffentlich zu Wort. Ihr Vorwurf: Die Stiftung kooperiere mit dem Verfassungsschutz. Das müsse sofort beendet werden.

Die Humanistische Union gehört zu den Kritikern

Urheber der Kritik sind neben der Humanistischen Union Berlin und der Initiative der Naturfreundejugend „Blackbox Verfassungsschutz“ auch einige Initiativen, in denen sich die Angehörigen jener Opfer organisiert haben, die durch den rechtsextremen NSU-Terror ums Leben kamen. Weil deutsche Verfassungsschutzbehörden bei der Aufklärung dieser Fälle eine skandalöse Rolle gespielt haben, ist es kein Wunder, dass diese Angehörigen Wut auf deutsche Ämter haben. Sie werfen der Stiftung nun konkret vor, zu eng mit dem Thüringischen Landesamt für Verfassungsschutz verbunden zu sein.

„Es ist ein Problem, dass die Verfassungsschutzämter gestärkt aus dem NSU-Verfahren herausgehen und sich jetzt an die Zivilgesellschaft anbiedern“, sagt Massimo Perinelli von der „Initiative Keupstraße ist überall“. Organisationen wie die Amadeu-Antonio-Stiftung dürften da nicht mitmachen. So weit, so gut. Doch, Moment mal: Wie verhält sich denn die Situation in der Stiftung?

Tatsächlich ist dort erstaunliches zu beobachten: Mitglied im Stiftungsrat ist Stephan Kramer, Chef des Thüringischen Verfassungsschutzes. Kramer allerdings nimmt unter allen deutschen Verfassungsschutzchefs eine einmalige Rolle ein: Er war lange Generalsekretär des Zentralrats der Juden, seine Berufung an die Behördenspitze war ein Politikum. Mit ihm will Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linkspartei) die Behörde zu einer Art Demokratiebehörde umbauen.

Erst im Stiftungsrat, dann beim Verfassungsschutz

Kramers erklärtes Ziel: Aus dem Amt eine demokratische Institution zu machen. Dass er deshalb, auch öffentlich, etwa bei Podien mit der Amadeu-Antonio-Stiftung auftritt, muss nicht verwundern. Mitglied im Stiftungsrat war er allerdings bereits lange vor seiner Amtsübernahme beim Verfassungsschutz. Für die Initiativen, die das kritisieren, tut das nichts zur Sache.

Und so muss sich die Amadeu-Antonio-Stiftung nun schon wieder rechtfertigen, diesmal nach links. „Stephan Kramer ist nicht als Verfassungsschutzpräsident Mitglied in unserem Stiftungsrat, sondern als Person, die wir aufgrund seines langjährigen zivilgesellschaftlichen Engagements extrem schätzen“, sagt etwa Timo Reinfrank von der Stiftung.

Stephan Kramer selbst sagte der taz am Mittwoch: „Die Vorwürfe, es gebe eine institutionelle Kooperation, entbehren jeder Grundlage.“ Alle, die diese Kritik jetzt anbrächten, sollten sich fragen, ob es nicht sinnvoller wäre, im Kampf gegen Rechtsextreme auch mal partiell zusammenzustehen. „Wir müssen langsam mal anfangen, mit kleinen Schritten über unseren Schatten zu springen“, so Kramer.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • [...] Kommentar entfernt. Kritik, Anregungen, Fragen zur Moderation bitte an: kommune@taz.de

  • +++„Stephan Kramer ist nicht als Verfassungsschutzpräsident Mitglied in unserem Stiftungsrat, sondern als Person, die wir aufgrund seines langjährigen zivilgesellschaftlichen Engagements extrem schätzen“+++

     

    Aha, und das kann man trennen? Bezweifel ich.

  • So ganz sauber scheint es mit der Amadeus Antonio Stiftung aber nicht zu laufen.







    Auch die FAZ wird kritisch: http://blogs.faz.net/stuetzen/2016/07/29/her-mit-den-kleinen-osteuropaeerinnen-6646/







    Und wenn wir die Aktionen der EU zum Thema Hat Speech anschauen kann einem schon Angst und Bange werden.







    Bei der EU Kommission werden Milliarden dazu verwendet Probleme mit Geld zuzuschütten. Soll 'Hate Speech womöglich dazu dienen unangenehme Wahrheiten zu stoppen?







    Ein zahlender Leser. :-)

     

    [...] Beitrag gekürzt. Bitte keine Verlinkungen auf eigene Blogs.

  • Also A) sind die Identitären eher dem konservativen/rechten Spektrum zuzuordnen. Wären sie Neonazis müsste die Veehrung des 3.Reiches etc. bei ihnen vorkommen gepaatt mit Antisemitismus. Beides nicht der Fall. B) Wenn nun Verfassungsschutz mit ehemaligen Stasimitarbeitern zusammenartbeitet und dann noch von einer "demokratischen Institution" die Rede ist klingt das sehr nach Orwell und DDR.

    Bitte als Kritik am Journalisten verstehen. Eher schlecht recherchiert und nachgedacht in diesem Artikel.

    • @Alfred Sauer:

      Sehr geehrter Herr Sauer, Neonazis und ein rechtes Spektrum ist ein und dieselbe Soße. Das die Identitären eine andere Strategie fahren, lenkt nicht vom wesentlichen Kern ab, nämlich das es sich im Wesentlichen um dieselben Personen und Kontakte handelt, die dort organisiert sind. Die Identitären versuchen geschickt einen anderen Deckmantel zu benutzen und sich gemäßigter darzustellen. Die Verknüpfung in die rechtsextreme Szene war immer da und vorhanden.

  • Man muss sich durchaus fragen, was genau der Rassismus ist, den man ablehnt, und welchen Rassismus man bei sich selbst entdeckt, statt im Sinne eines Juste Millieu auf die Jagd zu gehen, nach dem Motto: die Rassisten werden erschlagen, die Welt wird bunt.

     

    Wenn man den Rassismus immer nur bei den anderen sucht, dann ist das selbstgerecht.

     

    Es ist problematisch, wenn der Staat Zivilgesellschaft finanziert und doch so verständlich und zu begrüßen. Hier gibt es offene Wertkonflikte staatspolitischer Art. Ich denke dennoch dass die Antonio-Stiftung eine bessere Arbeit leistet als der Verfassungsschutz. Die rechte Kritik an dem Führungspersonal dieser Stiftung macht die Stiftung mir sogar sympathisch, aber sollte auch dazu führen weniger selbstgerecht an die Frage heran zu gehen. Wir brauchen keine weißen Schafe mit denunziatorischen Vollmachten sondern Menschen, die durchaus in der Grauheit des Menschseins qualitätsvolle Aufklärung leisten, ohne Geschrei und Projektion, die Menschen abholen können, damit wir unseren Rassismus angehen, statt offensichtliche Fälle auszugrenzen und Akteure dröhnend zu diskriminieren.

     

    Ich finde darum die Entwicklung, welche die Antonio-Stiftung genommen hat, großartig.