: Die aktuellen Gebrauchsweisen der Fotografie
Auswärtige Kulturarbeit Das Institut für Auslandsbeziehungen ifa hat den Kunstgeschichtler Florian Ebner, der zuletzt den Deutschen Pavillon in Venedig kuratierte, für eine neue Ausstellungsreihe mit zeitgenössischer Fotografie verpflichtet
von Markus Weckesser
Ein gelungener Coup: Für eine neue Ausstellungsreihe mit zeitgenössischer Fotografie verpflichtete das ifa (Institut für Auslandsbeziehungen) Florian Ebner, den Kurator des Deutschen Pavillons 2015 auf der Biennale in Venedig. Die Entscheidung ist bemerkenswert. Denn zum einen wird der im vergangenen Jahr von Ebner angestoßene Diskurs über aktuelle Gebrauchsweisen des Fotografischen fortgeführt. Zum anderen manifestiert sich mit dem von ihm und der Kuratorin Christin Müller gestarteten Ausstellungsformat ein grundlegender Wandel im Verständnis und in der Vermittlung von deutscher Kunst im Ausland. Oder vielmehr von Kunst, die in Deutschland und Europa entstanden ist oder sich Themen widmet, die gleichermaßen hierzulande wie global von Bedeutung sind.
Einen hervorragenden Auftakt bilden die jetzt, bevor sie dann für mehrere Jahre um den Globus touren, im Heidelberger Kunstverein vorgestellten Positionen von Viktoria Binschtok (*1972) und Michel Schäfer (*1964), die sich mit der Funktion und Wirkungsweise von medialen Bildern beschäftigen. Dabei dienen ihnen vor allem Fotos aus dem Internet als Material für visuelle Erkundungen und Eingriffe. Beide Künstler dokumentieren nicht konkrete Ereignisse, sondern indirekt die ansonsten nicht sichtbaren Prozesse der Produktion, Distribution und Rezeption von fotografischen Bildern.
Für ihre Serie „World of Details“ reiste Viktoria Binschtok etwa nach New York, um Orte zu fotografieren, die sie zuvor bei Google Street View entdeckt hatte. Dem von einer Maschine aufgenommen Bild stellte die Künstlerin so ihre eigene Interpretation gegenüber. Bei ihren „Clusters“ speiste Binschtok Fotos aus ihrem Archiv in die Bildersuche von Google ein, um nach formal verwandten Motiven zu suchen, die sie im Studio inszenierte.
Digitaler Fotomonteur
Bisher nur einmal ausgestellt und noch nicht publiziert ist die schwarz-weiße Serie „Three People on the Phone“. Bereits 2004, also noch bevor die Smartphone-Ära begann, gelang es der Fotografin in Tokio mühelos, jeweils drei auf ihr Mobiltelefon fixierte Menschen auf ein Bild zu bannen. Wie hoch mag die Dichte der Handybenutzer wohl heute sein?
Michael Schäfer bezeichnet sich selber als Fotomonteur. Im Unterschied zum Erfinder des Genres, John Heartfield, arbeitet der Künstler mit digitaler Technik. Grundlage all seiner Arbeiten sind Fotos, die er in gedruckten Nachrichtenmagazinen oder im Internet findet. In der Serie „Generation“ ersetzte Michael Schäfer die Köpfe von Models durch Kindergesichter, in „Vorbilder“ die von Politikern und Wirtschaftsbossen durch die von Schauspielern. Indem der Künstler das originale Foto reinszeniert, wird es in seinen Augen zum Bühnenbild und entpuppt die Dargestellten als austauschbare Funktionsträger.
Die Serie „Invasive Links“ wendet sich direkt an den Betrachter, indem Michael Schäfer Stellvertreterfiguren in Kriegsszenarien montiert. Der bärtige Jüngling in Boxershorts, der einem Soldaten beim Verladen von Panzergranaten zuschaut, könnte auch der Student von nebenan sein. Oder der Betrachter selbst. Da die Fotos auf großformatige Acrylglasscheiben gedruckt sind und frei im Raum hängen, werden davor- oder dahinterstehende Ausstellungsbesucher Teil der Inszenierung. Schäfers Vorgehen ist durchaus plakativ angelegt, dafür gelingt ihm die Konfrontation von persönlicher und medialer Realität umso eindrücklicher.
Schon im Titel der neuen ifa-Reihe „with/against the flow. Zeitgenössische fotografische Interventionen“ klingt an, dass es mit der Repräsentation bekannter Positionen nicht mehr getan ist. Große monografische Ausstellungen wird es sicher weiter geben, wenngleich Künstler wie Andreas Gursky, Candida Höfer und Gerhard Richter keiner öffentlichen Gelder bedürfen, um in aller Welt vorgestellt zu werden. Aufmerksamkeit ist ihnen auch so gewiss, denn sie sind längst etabliert.
Deutsche Kunst soll nicht länger ins Ausland exportiert werden, um eine Leistungsschau zu bieten. Stattdessen zielt das Engagement des ifa mehr denn je auf die unmittelbare Kommunikation am Ort ab. Es geht um Vernetzung und um Ko-Kreation, wie das Schlüsselwort lautet. Das bedeutet, dass die aus Deutschland stammenden Positionen gegebenenfalls Modifizierungen erfahren. Einzelne Werke sollen auf die spezifischen Situationen des Ausstellungsorts abgestimmt und wenn möglich in Dialog mit Arbeiten von lokalen Künstlern gesetzt werden.
Gegründet wurde das ifa übrigens im Kriegsjahr 1917, um das beschädigte Ansehen Deutschlands nach dem ersehnten Friedensschluss zu kitten. Nicht etwa durch politisches und wirtschaftliches Taktieren, sondern durch den Austausch von Kultur.
Bis 28. August, Kunstverein Heidelberg, Katalog jeweils 18 Euro
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen