Die Bläser spielen schwer hinter dem Beat

BRASS BAND Martin Krusche lebt seit 20 Jahren in New Orleans. Sein Herzensprojekt ist die Band Magnetic Ear, mit ihr bringt er den Blasmusik-Sound der Stadt für zwei Konzerte nach Berlin

Von New Orleans über Oberammergau nach Berlin: Magnetic Ear Foto: Andreas Stäbler

von Franziska Buhre

Die Saxofonisten in New Or­leans müssen sich gut gewappnet haben für die Zeit, in der Martin Krusche auf Tour in Europa ist. Denn der gebürtige Münchner ist in der Stadt am Mississippi unentbehrlich, wenn ein Saxofon nicht richtig funktioniert oder generalüberholt werden muss.

Zu ihm kommen sie alle, ob Berühmtheiten, die zum berühmten Jazz & Heritage Festival anreisen, oder StudentInnen der drei Hochschulausbildungen für Jazz an der University of New Orleans, Tulane und Loyola University. Krusche ist Spezialist für Saxofone und selbst Tenorsaxofonist. Mit seiner Brass Band Magnetic Ear gastiert er nun in Berlin. Zu sechst bringen die Musiker jenen Sound auf die Bühne, der Krusche bei seinem ersten Besuch in New Orleans 1995 gepackt und nie wieder losgelassen hat. Einer seiner ersten Mentoren in München Anfang der Achtziger ist der Saxofonist Günther Klatt, der ihm auch zeigt, wie man das Instrument auseinandernimmt. Nach dem Studium am Konservatorium in Würzburg lernt Krusche ein Jahr lang in der Werkstatt des Spezialisten für Holzblasinstrumente, Peter Neff, in Köln. Dank eines DAAD-Stipendiums vertieft er 1993 sein Jazz-Studium an der New School in New York. Er bleibt vor Ort, spielt viele Gigs und repariert Saxofone.

Offenbarung Kermit Ruffins

In New Orleans schließlich hat er ein Schlüsselerlebnis: Er erlebt den Trompeter Kermit Ruffins mit seinen Barbecue Swingers bei einem der legendären Gigs im Club Vaughan’s. „Ich machte die Tür auf und hatte kaum einen Fuß am Boden, da höre ich die Bläser so schwer hinterm Beat spielen“, erzählt Krusche am Telefon aus Zürich. „Die haben die Zeit einfach so gestreckt, das hat mich umgehauen. Da war plötzlich ganz klar, dass ich mehr davon wissen will. Das hat bis heute nicht aufgehört.“ Seine erste Bleibe in New Orleans ist ein ehemaliger Waschsalon. Dass er dort zu Konzerten einlädt und kocht, wie Ruffins bei seinen Gigs auch, spricht sich schnell herum. Krusche sammelt eine Reihe lokaler Rezepte für Bohnengerichte, die zu den kulinarischen Wahrzeichen der Stadt gehören. Doch 1998 zieht es ihn wieder nach Brooklyn. Jedoch reist er, seine Werkzeuge im Gepäck, immer wieder zurück nach New Orleans.

Mit dem Trompeter Nicholas Payton und drei anderen exzellenten Musikern nimmt er im Juni 1999 das Live-Album „Friendship Pagoda“ auf. Da die meisten der Stücke aus Krusches Feder stammen und sich das Album weltweit gut verkauft, hilft es ihm zehn Jahre später beim Erwerb der Green Card.

Magnetic Ear gründet Krusche 2004 als Trio mit dem Sousafonisten und Gründer der Dirty Dozen Brass Band, Kirk Joseph, und dem Schlagzeuger Kevin O’Day. Die drei improvisieren mit Vollgas, und Krusche nutzt für sein Spiel auf dem Tenorsaxofon einen Harmonizer. Als New Orleans infolge von Hurrikan „Katrina“ zu 80 Prozent überschwemmt wird, ist Krusche in Frankreich, kehrt aber bereits im November 2005 zurück. In den Jahren darauf erweitert er die Besetzung von Magnetic Ear mit einem Baritonsaxofonisten und zwei Posaunisten zur Brass Band.

Prominentester Gast auf dem Album „Aliens of Extraordinary Ability“ von 2010 ist der Posaunist Troy „Trombone Shorty“, die Band spielt Stücke von Krusche ebenso wie von Nirvana und Radiohead. Sie vereint karibische und afrikanische Einflüsse mit dem unnachahmlichen Funk aus New Orleans.

Im ­Brass-Band-Sound klingen auch Latin- und Balkanelemente an, aber mit Drive

Bayerische Zwiefacher

Micha Acher von The Notwist fädelt 2014 die Begegnung von Krusche mit der Blasmusik-Gruppe Kofelgschroa aus Oberammergau in New Orleans ein, von ihnen lernt er bayerische Zwiefacher und integriert sie in sein Programm. Letztes Jahr luden die Bayern Magnetic Ear zu gemeinsamen Konzerten auf dem Münchner Oktoberfest und in Oberammergau ein, nach den Konzerten in Berlin begegnen sich die beiden Bands nun wieder.

Als Mitglieder von Krusches Kernbesetzung sind der Posaunist Wes Anderson und der Sousafonist Steven Glenn mit auf Tour, neu dabei ist der junge Schlagzeuger Patrick Kelleher, Gäste auf der Posaune und dem Baritonsaxofon sind übrigens die Berliner Musiker Friedrich Milz und Nik Leistle. Im tanzfreudigen Sound erklingen nun Stücke von Krusche mit Elementen aus Latin und Balkan Brass, auch in den Songs von Prince oder Nena schlägt der typische Brass-Band-Drive durch.

Diese Wucht ist auch auf dem aktuellen Live-Album zu hören, das Magnetic Ear in jenem Club aufgenommen haben, wo für Krusche die neue Zeitrechnung begann – „Vaughan’s“. „Die Brass Band war immer mein Traum. Sie ist einfach das aufregendste Format, mit dem ich unterwegs sein möchte“, sagt Krusche und freut sich auf jedes Konzert, ob im Gasthaus oder in einem Club.

Magnetic Ear: „Live at Vaughan’s“ (Independent); Live: 9. Juli, 22 Uhr, „White Trash“. 10. Juli ab 15 Uhr, Yaam