Interview mit Eisdielenbesitzer: „In Deutschland leckt man eher“

Der Neuköllner Eismacher Domenico Richichi bewirbt sich darum, bester Gelatiere Europas zu werden. Ein Gespräch über Konsistenzen, Olivenöl und den Berliner Winter.

In Italien würde man das Eis anders essen, weil es dort cremiger ist Foto: dpa

taz: Herr Richichi, stammen Sie wie die meisten Eismacher in Deutschland aus Norditalien?

Domenico Richichi: Ich komme aus Süditalien. Ich mache Eis nach der sizilianischen Tradition, allerdings mit weniger Zucker.

Warum ist sizilianisches Eis süßer?

Es muss kälter sein, damit es im sehr heißen Sommer auf Sizilien nicht so schnell schmilzt. Und je kälter es ist, desto mehr Zucker braucht es. Der Zucker sorgt dafür, dass das Eis nicht so fest wird, sondern cremig bleibt.

Warum ist die Konsistenz so wichtig?

Es muss cremig sein, damit man es beißen kann. Nur so kommt man zu einer guten Portion im Mund.

Wird das Eis deshalb in Italien eher gespachtelt?

In Sizilien fließt das Eis sogar von der Spachtel in die Waffel. Es wird quasi gegossen.

Wie Softeis?

Das wandernde Gelato-Festival findet bereits zum sechsten Mal statt und macht neben sechs Stationen in Italien auch in London, Valencia und erstmalig in Berlin Halt. Man kann das Eis von elf italienischen Gelatieri probieren und bei der Herstellung ihres Eises beobachten. Die besten zwei jeder Station kämpfen am Ende in Florenz um den EM-Titel.

Wo und wann? In der Arena, Eichenstraße 4. Heute, 7. Juni, bis Sonntag, 10. Juni, täglich von 12 bis 0 Uhr.

Eintritt? Die Gelato-Card, die zum Eintritt und zum Voten für das beste Eis berechtigt, kostet im Vorverkauf 13 Euro. www.gelatofestival.it

So ähnlich. Aber das ist in Deutschland nicht möglich.

Warum nicht?

In Italien wird das Eis pro Kilo verlauft, in Deutschland pro Liter. Daher ist es Vorschrift, den Portionierer zu verwenden.

Und mit dem Portionierer muss das Eis fester werden?

Ja, genau. Es muss härter sein, wenn man Kugeln formen will. Daher leckt man es hier eher.

Vor zwanzig Jahren hießen alle Eiscafés Venezia, es gab vor allem die Sorten Schoko, Erdbeer, Vanille, Stracciatella. Bei Ihnen gibt es Schokoladeneis ohne Milch, Istanbul-Eis mit großen Mandel- und Pista­zien­stücken sowie die Sorte Kibana mit Kiwi, Banane, Ananas und Walnuss-Streuseln. Gehören Sie einer neuen Generation von Eismachern an?

Wir benutzen auch Amarena!

Ehrlich?

Diese Sorte nennen wir Grog. Es ist eine Stracciatella mit Amarenakirschen-Soße und Haselnuss- und Mandelstreuseln.

Also eine moderne Interpretation?

Ja, vielleicht. Ich gebe zu: Die Eisrezepte haben sich verändert. Das Eis ist nicht mehr so süß, und es enthält auch weniger Fett. Der Geschmack der Menschen verändert sich, die Gastronomie passt sich an. Das gilt nicht nur für die Eisdielen.

Sie machen auch beim Gelato-Festival mit, das heute beginnt. Mit welchem Eis bewerben Sie sich darum, bester Gelatiere Europas zu werden?

Ich darf nicht viel verraten, deshalb nur: Es heißt Mediterrano, ist ein Sorbet aus Pistazie mit dem blumigen Duft von Orangenbäumen und Olivenöl, einer Karamellsoße und gerösteten Mandelstreuseln.

Kann man noch mehr über eine Sorte erfahren?! – Ist Ihr Eis eigentlich bio?

Beim Obst achte ich sehr darauf, dass es bio ist. Bei den Zitronen ist es beispielsweise besonders wichtig, dass sie nicht gespritzt sind, denn es wandern immer Teile von der Schale in den Saft – schon für den Geschmack. Bei anderen Dingen achte ich eher auf die Qualität.

Gibt es bessere Produkte als Bioprodukte?

42, betreibt seit vier Jahren die Eisdiele „Erste Sahne“ in der Kienitzer Straße 116 in Neukölln, täglich 13 bis 19 Uhr. Die Kugel kostet dort 1,20 Euro.

Dazu erzähle ich mal eine kleine Geschichte. Ich verwende bei meinem Eis gern das Olivenöl meines Vaters. Er besitzt in Kalabrien einen Olivenhain, den er von seinem Großvater geerbt hat. Vor drei Jahren hat er ein Biozertifikat für sein Öl erworben. Dafür musste er mehr Geld bezahlen, als er mit den Oliven in vier Jahren verdienen kann. Das ist ein Problem für die kleinen Bauern in Italien. Sie stellen wunderschöne Produkte her, ganz ohne Chemie, können sich aber die Zertifikate dazu nicht leisten.

Wie sind Sie zum Eismachen gekommen?

Meine Großmutter hat Eis gemacht. Als ich beschloss, das Eismachen zu lernen, war sie schon verstorben. Ich war total verloren, denn in Italien bieten alle möglichen Firmen Kurse an. Es gibt Kurse mit und ohne Theorie, mit und ohne Herstellung, mit und ohne Verkauf. Manche dauern drei Wochen, andere drei Monate. Ich war ratlos.

Und dann?

Dann stellte mir eine Freundin einen alten Gelatiere vor, aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Rom. Er fragte mich, was ich vorhätte: ob ich das Eis anderer herstellen wollte oder mein eigenes. Als ich ihm sagte, dass ich mein eigenes Eis machen will, durfte ich bei ihm in die Ausbildung gehen. Sieben Monate lang, jeden Tag von sechs Uhr morgens bis abends um neun. Es war wirklich toll.

Und danach kamen Sie gleich nach Deutschland?

Ja, 2011. Im ersten Jahr habe ich ausschließlich versucht, Deutsch zu lernen. Und am 30. Juni 2012 habe ich meine Eisdiele eröffnet.

Und wie läuft es seitdem?

Ich müsste mein Eis teurer machen, aber das schaffen die Berliner nicht. Auch wenn diese Stadt genau deshalb so schön ist: Die Berliner haben nach wie vor viel zu wenig Geld. Noch lebe ich also von meinem Ersparten.

Was machen Sie im Winter?

Ich mache es nicht wie die Gelatieri in Deutschland, die meist in Italien überwintern. Sondern wie die Gelatieri in Italien, die im Winter als Konditorei arbeiten. Ich biete Kaffee und italienisches Gebäck an.

Auch aus eigener Herstellung?Natürlich!

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