: Mit Beißhemmung beschrieben
LITERATUR Gibt es ein Rezept für einen erfolgreichen Roman? Lasha Bugadzes „ Literaturexpress“ versucht sich augenzwinkernd an einer Antwort
Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Sollte er dann noch Schriftsteller sein, kann er umso mehr erzählen. Oder etwa doch nicht?
Lasha Bugadze, 1977 geborener georgischer Schriftsteller, schickt jedenfalls in seinem „Zug der Glücklosen“ 100 Autoren und Autorinnen quer durch Europa. Start ist Lissabon, Endstation Berlin, dazwischen liegen beliebte Ziele einer Eurotour wie Paris, Brüssel und Warschau. Das deutsche Reiseleiterpärchen Heinz und Rudi ruft selbstverständlich einen Schreibwettbewerb aus, der beste Text soll in einer Zeitschrift publiziert werden. 99 „Glücklose“ machen sich ans Werk, nur der Ich-Erzähler Zaza bringt nichts zustande. Er signalisiert später, er werde einen Roman über die Erlebnisse schreiben – woraufhin er erfährt, dass hätten die übrigen Mitreisenden auch schon angedeutet.
Mit diesem Salto in der Erzählperspektive also zurück in den Zug: Auch wenn Zaza nichts schreiben kann, weiß er doch genau, wie es geht: Krieg ist der beste Stoff und Werbeträger für Literatur. Darum hat er, – Autor aus dem kriegsgebeutelten Georgien –, eigentlich beste Chancen, im Westen zu reüssieren. Wäre er nicht in eine unglückliche Liebesgeschichte verstrickt, würde er die Gelegenheit selbstverständlich auch beim Schopfe packen, denn „Georgien war doch gerade so aktuell“, was sich ja schon morgen wieder geändert haben könnte. Bugadze selbst verhandelt den Kriegshintergrund dagegen durchaus zurückhaltend, lakonisch und ironisch: „Im August warfen die Russen Bomben auf uns. Im September trennte sich Elene von mir. Im Oktober fuhr ich nach Lissabon.“
Starke Momente
Diese Momente, in denen er einen spezifischen nationalen Hintergrund andeutet, machen die Stärke des Romans aus. Sie werden unterstützt von Tagebucheinträgen verschiedener Mitreisender, die einen interessanten Perspektivwechsel auf die Ereignisse im Zug ermöglichen und vor allem am Ende für eine gelungene Pointe in der Liebesgeschichte herhalten.
Dieses Niveau kann Bugadze in der Gesamtkonzeption leider nicht halten. Sein Text ist durchaus flott zu lesen, amüsant und angenehm selbstironisch. Allerdings auch ein wenig beliebig. Wenn die Reisenden ihre Stereotype und Vorurteile im Gepäck haben und man „als Nation“ am liebsten unter sich bleibt oder zumindest die erprobte Ost-West-Trennung beibehält, ist das kurzweilig, mehr aber auch nicht.
Wenn der Literaturbetrieb eher wie eine „kleptokratische Organisation“ beschrieben wird, geschieht auch dies augenzwinkernd oder, böse gesprochen, mit einer gewissen Beißhemmung, denn weder Medien- noch Gesellschaftskritik gehen ans Eingemachte. So bleibt alles im Wohlfühlbereich. Eine angenehme Zuglektüre, was ja auch nicht zu verachten ist.
Abschließend etwas zur Übersetzung: Der Verlag bewirbt den Roman offensiv damit, dass Nino Haratischwili ihn übersetzt hat. Die Faustregel, dass in die Muttersprache übersetzt wird, ist bei Sprachbiografien wie der Haratischwilis ja fast ausgehebelt.
Zwei andere Momente seien näher beleuchtet: Wenn jemand, die oder der selbst schreibt, übersetzt, kann es leicht dazu kommen, dass die eigene Stimme diejenige des Autors oder der Autorin überlagert, etwa bei Arno Schmidts Poe-Übersetzungen. Diese Gefahr hat Haratischwili umschifft. Und: Übersetzen stellt eine Fähigkeit dar, die nicht mit schriftstellerischer Begabung gleichzusetzen ist. Auch hier hat sich die Wahl des Verlags für die Übersetzerin als richtige Entscheidung herausgestellt. Christiane Pöhlmann
Lasha Bugadze: „Der Literaturexpress“. Aus dem Georgischen von Nino Haratischwili. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt a. M. 2016, 320 Seiten, 24 Euro
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