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Die Welt ist ein brüchiges Konstrukt

Ausstellung Wenn es dem Psychiatrie-Patienten Krzysztof Putanowicz schlecht geht, entstehen seine stärksten Bilder. Jetzt sind seine Werke erstmals in Deutschland zu sehen

Die Menschen sind klein in den Werken von Krzysztof Putanowicz. Praktisch nie sind sie von vorn zu sehen, bestenfalls von der Seite. Oft stehen sie unter gewaltigen, rötlich-gelben Himmeln. Menschen sind ein schlechtes Zeichen für den Seelenzustand des Malers Krzysztof Putanowicz.

„Wenn er Menschen malt, geht es ihm schlecht“, sagt seine Kunsttherapeutin Sylwia Rutkowska. In die Ausstellung im schleswig-holsteinischen Rendsburg, für Putanowicz die erste „im Westen“, wie er sagt, hat der Psychiatrie-Patient viele Bilder mit Menschen geschickt – sie sind seine besten. „Es ist in gewisser Weise ein Paradoxon“, sagt Rutkowska. „Ohne seine Krankheit wäre Putanowicz vermutlich einfach nur ein Architekt. Jetzt ist er ein Künstler.“ Gerade, wenn es ihm schlecht gehe, müsse er malen – manchmal mit dickem Pinselstrich und dann entstehen in rasendem Tempo zwei Werke an einem Tag. Manchmal bedächtig, vorsichtig, zart.

Die Welt ist ein brüchiges Konstrukt in Putanowicz’Bildern – in einigen seiner neueren Werke brechen abstrakte Formen in Schwarz-Weiß durch den Himmel, als reiße jemand ein Bühnenbild ab und zeige die schäbige Wirklichkeit dahinter. „Geht es ihm gut, malt er dekorativer“, sagt Therapeutin Rutkowska. „Stärker sind die anderen Sachen.“

Der Künstler, Jahrgang 1975, kann nicht zur Ausstellung kommen – wieder so ein Paradoxon: Er kann die starken Gefühle Stolz und Freude nicht ertragen, er zieht sich in seine Wohnung in Krakau zurück.

In Rendsburg werden die Putanowicz-Werke, deren Himmel und Wasserläufe teilweise an William Turners federleichte Gemälde erinnern, nicht in einer Galerie, sondern in den Räumen der Brücke Rendsburg-Eckernförde gezeigt, einem Anbieter von sozialen und sozialpsy­chi­atrischen Hilfen. Der Kontakt kam über einen Austausch zustande, den die Brücke seit Jahren mit dem Babinski-Klinikum in Krakau pflegt. Es ist mit 600 Betten eines der größten psychiatrischen Krankenhäuser in Polen und steht gerade in einem Wandlungsprozess ähnlich dem, den westeuropäische Kliniken in den 1970ern durchliefen.

„Es ist sind große Veränderungen“, sagt Artur Januś. Der Psychiater und Psychotherapeut arbeitet seit 2005 als Chefarzt in der Babinski-Klinik. Inzwischen gibt es dort neben den vollstationären Betten auch Tagesbetreuung für Menschen, die nicht ständig in der Klinik leben müssen. Putanowicz gehört dazu.

Kunst ist als Therapie ein wichtiges Mittel, weiß Sylwia Rutkowska. Aber es gibt Leute, die einfach den Pinsel schwingen – und Künstler. Outsider-Kunst werden diese Werke aus der Psychiatrie genannt und teilweise zu stolzen Preisen gehandelt. Auch in Polen entwickelt sich dafür ein Bewusstsein, Januś gehört zu den Begründern der Psychiatry and Art Society.

„Kunst ist nicht käuflich – aber erwerbbar“, sagt Klaus Magesching, Geschäftsführer der Brücke, deren Verwaltungssitz sich für einige Wochen in eine Galerie verwandelt. Alle ausgestellten Putanowicz-Bilder sind zu haben, der Künstler hat moderate Preise festgelegt: Bis zu 100 Euro soll ein Öl-Gemälde kosten. Esther Geißlinger

Ausstellung der Werke von Krzysztof Putanowicz: bis 28. Juni in den Räumen der Rendsburger Brücke, Ahlmannstraße 2, Rendsburg-Eckernförde

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