piwik no script img

Schnorcheln für den Familiensegen

Rosenkrieg Streit in Liebesbeziehungen und Familien ist oft besonders heftig, weil starke Emotionen darin wirken. Umso hilfreicher kann ein neutraler, professioneller Konfliktlöser sein

Der Begriff „Kindschaftssachen“ bringt auf den Punkt, um wessen Wohl und Wehe es am Ende geht Foto: Nordin/NordicPhotos

von Ansgar Warner

Kaum war die Beziehung zwischen Frank und Susann in die Brüche gegangen, da ging der Streit um den weißen Porsche los. „Ich habe den Wagen gekauft, bezahlt, und er war auf mich eingetragen“, sagt Frank. „Er gehört mir“, widerspricht Susann. „Er wurde nach meinen Wünschen ausgestattet. Ich habe ihn auch bezahlt, von unserem gemeinsamen Konto.“ Der Zoff um die Karosse eskaliert. Frank durchsucht die ehemalige Wohnung nach dem Autoschlüssel, während Susann auf den Kanaren urlaubt. Den Schlüssel hat die Ex aber gut versteckt. Wutentbrannt stellt Frank Strafanzeige wegen Diebstahl. Am Ende wird er selbst zu einer fünfstelligen Geldstrafe verurteilt, wegen Vortäuschung einer Straftat. Schließlich gehört der Sport­wagen ganz eindeutig beiden Partnern.

Deutlich günstiger als der Rosenkrieg ums Tafelsilber ist die Einschaltung eines neutralen Dritten als Mediator. Viele dieser professionellen Konfliktlöser sind auf Streitfälle von Paaren oder ganzen Familien spezialisiert. Nicht immer gehe es dabei aber um die Frage, wer nach der Trennung das Kind, das Haus oder das Auto bekommt, so die Berliner Pädagogin und Mediatorin Zoë Schlär: „Ein häufiges Thema ist zum Beispiel der Firmenübergang von einer Generation in die nächste“. Und überhaupt: Was heißt schon Familie? „Es gibt spezielle Mediationen für komplexe Patchwork-Familien, und im interkulturellen Bereich die ‚Cross Border Family Mediation‘“.

Auf unterschiedliche Weise versuchen die Mediatoren – meist arbeiten sie im Team – dann auch unübersichtliche Konfliktkonstellationen darzustellen, etwa mit der Materialaufstellung. „Bei dieser Form der Familienaufstellung nutzt man symbolische Objekte, um die jeweilige Perspektive abzubilden“, beschreibt Schlär das Verfahren. Erwachsene legen sich ihr Familiensystem dann etwa mit Muscheln oder Steinen zurecht, Kinder ordnen Schlümpfe an.

Ziel ist es nicht, die gesamte Familiengeschichte zu analysieren, sondern vor allem unterschiedliche Sichtweisen auf das aktuelle Problem bewusst zu machen. Das Aufarbeiten der Vergangenheit sei eher die Aufgabe von Paartherapeuten, sagt Schlär: „Bei der Paartherapie wird sozusagen mit der Sauerstoffflasche in die Tiefe getaucht, Mediatoren schnorcheln dagegen eher nahe an der Oberfläche“.

Das tun sie in vergleichsweise kurzer Zeit oft so erfolgreich, dass das Land Berlin jetzt in einem Modellprojekt namens „Bigfam“ auslotet, wie sich die finanziellen Folgekosten familiärer Zwistigkeiten durch die Einschaltung von Mediatoren senken lassen: die Initiative hilft Elternpaaren vor Gericht, die sich normalerweise die Einschaltung eines neutralen Vermittlers nicht leisten könnten.

Was heißt überhaupt Familie? Es gibt spezielle Mediationen für komplexe Patchwork-Familien, und im inter-kulturellen Bereich die ‚Cross Border Family Mediation‘

Juristisch gesehen geht es dabei um Sorgerecht, Umgangsrecht oder auch die Frage nach Unterhaltsleistungen. Der zusammenfassende Name „Kindschaftssachen“ drückt viel besser aus, um wessen Wohl und Wehe es am Ende geht. Auch wenn eine einvernehmliche Lösung angestrebt wird, mit Eheberatung habe das nichts zu tun, so Ursula Groos, eine der beiden Projektleiterinnen: „Es geht darum, die Trennung als Paar sowie die Fortführung der Elternschaft zu organisieren“, so Groos. Dafür seien die Eltern die besten Experten: „Wenn man das Problem an Anwälte delegiert, ist das eventuell nur die zweitbeste Lösung“, meint Groos.

Die von Bigfam geförderten Mediationen laufen grundsätzlich über zehn Zeitstunden. „In vielen Fällen reichen aber weniger Sitzungen aus, um den Konflikt zu lösen“, berichet Groos. Die Eltern werden von einem Mediatorenteam begleitet, das die Geschlechterverhältnisse der Paarbeziehung spiegelt, also Frau/Mann, Frau/Frau oder Mann/Mann. Auch die Kompetenzen der Mediatoren ergänzen sich – während die eine einen juristischen Hintergrund hat, bringt der andere Berufserfahrung aus dem psychosozialen Bereich mit.

Im Verlauf der Mediation ist das Gerichtsverfahren ausgesetzt, im optimalen Fall könne am Ende ganz auf einen Richterspruch verzichtet werden, so Groos. Was es kostet, den Familienstreit aus der Mühle der Justiz herauszuhalten, lässt sich sehr genau beziffern: Pro Sitzung erhalten die Mediatoren je 60 Euro, was bei zehn Sitzungen am Ende also maximal 1.200 Euro ergibt. Das ist dann auch für das Land Berlin eine Win-win-Situation. Denn bei den hauptstädtischen Familiengerichten sind Jahr für Jahr knapp 9.000 Verfahren anhängig, in denen es um Sorge- oder Unterhaltsrecht geht, und die meisten Streitparteien erhalten Prozesskostenhilfe aus dem Landessäckel. Klappt die Mediation, fallen diese Kosten weg. Mal ganz abgesehen von den psychischen Konfliktkosten, die Kindern und Eltern erspart bleiben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen