Proteste gegen Bildungsreform in Mexiko: Sechs Tote bei Demonstrationen
Als die Polizei eine Straßenblockade von Lehrern auflöst, sterben sechs Menschen. Die mexikanische Regierung lehnt jede Verantwortung dafür ab.
Im Laufe der stundenlangen Auseinandersetzungen wurden 21 Personen festgenommen.
Wer für die Toten verantwortlich ist, bleibt zunächst unklar. Einiges spricht dafür, dass Polizisten die tödlichen Schüsse abgegeben haben. Die Regierung Peña Nieto widersprach Darstellungen, nach denen die Beamten bei den Einsätzen bewaffnet gewesen seien. Unbekannte hätten auf Zivilisten und die Polizisten gefeuert, um eine Konfrontation zu provozieren, erklärte die Nationale Sicherheitskommission (CNS).
Fotos der Nachrichtenagentur ap sowie ein Video, das in sozialen Medien verbreitet wurde, bestätigen jedoch das Gegenteil. Sie zeigen, wie die Polizisten mit Gewehren schießen. Die CNS qualifizierte die Aufnahmen als „Fälschung“, während Polizeisprecher Enrique Galindo erklärte, eine bewaffente Einheit sei eingesetzt worden, aber erst, „als wir darüber informiert wurden, dass bewaffnete Zivilisten geschossen hätten“.
Nach Angaben der Lehrergewerkschaft CNTE gehörten fünf der Toten ihrer Organisation an. Die CNTE blockiert seit einer Woche Straßen in dem Bundesstaat, um gegen die Bildungsreform der Regierung und die Verhaftung zweier ihrer Sprecher zu protestieren.
Die Proteste der Lehrer legen das Land lahm
Zentrale Straßen sind nicht passierbar, in der gleichnamigen Landeshauptstadt Oaxaca organisiert die CNTE mit anderen linken Gruppen Protestaktionen. Auch dort droht die Situation zu eskalieren. Aktivisten, die auf dem zentralen Platz Zócalo ein Camp eingerichtet haben, befürchten eine Räumung.
In Mexiko-Stadt und dem Bundesstaat Michoacán kam es zu Solidaritätsaktionen. In Salina Cruz, einem Zentrum der Erdölförderung, lieferten sich am Wochenende Polizisten und CNTE-Aktivisten ebenfalls gewalttätige Auseinandersetzungen, in Juchitán erschossen Unbekannte einen Journalisten, der die Barrikaden der Protestierenden fotografierte.
Die CNTE ist eine kampfstarke linke Gewerkschaft. Bundesweit zählt sie etwa 100.000 Mitglieder, in Oaxaca ist sie besonders präsent. Die Konfrontationen erinnern an einen Aufstand im Jahr 2006, der das Leben in dem von Armut geprägten Bundesstaat nachhaltig prägte.
Lehrer und Lehrerinnen der CNTE hatten für bessere Lehrbedingungen demonstriert und sich auf dem Zócalo niedergelassen. Der damalige Gouverneur Ulises Ruiz Ortiz ging mit aller Härte gegen die Gewerkschafter vor, was zu einer Solidarisierung indigener und linker Organisationen führte.
Ein halbes Jahr lang kontrollierten sie die Hauptstadt, besetzten Radio- und Fernsehstationen und vertrieben schließlich Ruiz Ortiz aus der Stadt. Mindestens 26 Menschen kamen damals ums Leben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos
Abschiebung von Pflegekräften
Grenzenlose Dummheit
AfD-Verbotsantrag im Bundestag
Wahlkampfgeschenk für die AfD
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?