Biohändler gegen Davert: Ökopioniere im Abseits
Die Produkte der Naturkostmarke Davert stehen jetzt auch in dm-Regalen. Das empört andere Biohändler: Sie drohen mit dem Rausschmiss der Marke.
Doch nun hat er ein Problem: Seit Mai stehen seine Waren auch in den Regalen des Drogerieriesen dm. Und das gefällt der Bio-Community gar nicht: „Damit ist die Marke für uns tot“, zitiert das Branchenmagazin biomarkt.info Georg Kaiser, den Geschäftsführer der Biosupermarktkette Bio Company. Das Sortiment stehe auf dem Prüfstand, heißt es.
Der Einstieg bei dm dürfte Davert ein dickes Umsatzplus bescheren. Der Drogeriediscounter hat allein in der ersten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres fast 4,8 Milliarden Euro umgesetzt. Ständig eröffnet er neue Filialen. Davert hatte zuletzt „massiv in Personal, Lagerkapazität und Maschinenpark investiert“, das bestätigt dm in seiner Ankündigung, die Marke ins Sortiment zu nehmen. Laut dm ist Davert auch Produzent der dm-Eigenmarke dmBio.
Wenn Davert nun auch offiziell über dm zu haben sei, entstehe der Eindruck, dass man ja erst gar nicht im Fachhandel einkaufen brauche, sagt eine Bio-Company-Sprecherin.
Krach mit Vorgeschichte
Der aktuelle Krach hat eine Vorgeschichte: dm verkaufte lange exklusiv die Biomarke Alnatura. Drogeriemarktgründer Götz Werner und Alnatura-Chef Götz Rehn sind verschwägert, die Unternehmen waren einander eng verbunden – bis 2014 bekannt wurde, dass dm eine eigene Biomarke einführen und dafür viele Alnatura-Produkte auslisten wollte. Zuvor dürfte Alnatura einen großen Teil des Umsatz über die dm-Märkte gemacht haben.
Viele der Waren sind schon aus den Regalen geflogen. dm soll sogar ausgerechnet Hersteller seines ehemaligen Geschäftspartners massiv unter Druck gesetzt haben, für die dm-Eigenmarke zu liefern. Seitdem sorgen die Verwerfungen zwischen Werner und Rehn regelmäßig für Wirbel – zuletzt zerrte Werner Rehn sogar in einem Streit um die Rechte an der Marke Alnatura vor Gericht. Nun soll also Davert die Lücke füllen.
Ist es denn komplett beliebig, wo die Bioprodukte verkauft werden? Auf keinen Fall, bemüht sich die Branche zu unterstreichen. Stephan Paulke, Vorstandsvorsitzender des Biosupermarkts Basic, erklärt, „discountierende Vertriebsformate“ versuchten „andere Marktteilnehmer mit Niedrigstpreisen aus dem Markt zu drängen, auch wenn das strukturell negative Folgen hat“.
Die Drogeriekette gilt als solches Format. Auch wenn das Unternehmen stets eine sanfte Anthroposophie-Aura umflorte: Im Preiskampf spielt dm in einer Liga mit Aldi.
Der Inhaber der SuperBioMarkt-Läden, Michael Radau, sagt, er wolle Konkretes nur mit Davert selbst besprechen. Doch seine allgemeine Kritik ist eindeutig. „Als Fachhändler bin ich jahrelang für einen bestimmten Wertekanon eingetreten“, sagt Radau. Das habe er „auch mit Davert gelebt“. Bei dm herrsche aber ein ganz anderer Preisdruck.
„Der Eintritt von Davert in die konventionelle Welt zerstört dieses Gefüge“, so der Händler. „Ich befürchte, dass in der dm-Konzernstruktur der wirkliche Bio-Gedanke verloren geht.“ Bei SuperBioMarkt denke man über Konsequenzen nach. „Wir werden reagieren. Ich suche nach Alternativen in verschiedenen Produktbereichen.“
Kein großes Vertrauen
Beim Konkurrenten Basic wird das Davert-Sortiment laut Chef Paulke derzeit überarbeitet und „an die aktuelle Kundennachfrage angepasst“. Zum „gegenwärtigen Zeitpunkt“ sei eine komplette Auslistung zwar nicht geplant. Nach großem Vertrauen in die weitere Partnerschaft klingt das aber nicht.
Man darf die emotionale Komponente in diesem Marken-Monopoly nicht verkennen: Die Biopioniere sind untereinander wohlbekannt. So heißt es vom Ökohändler denn’s: „Die Entscheidung von Davert, den Status als Fachhandelsmarke aufzugeben, bewegt uns und wirft die Frage auf, wie nahe dieser Schritt an der ursprünglichen Vision von Rainer Welke, dem Gründer und Bio-Pionier, liegt.“
Wie Davert reagiert? Auf eine taz-Anfrage will sich die Firma erst am heutigen Montag äußern. Auch Alnatura bleibt still. Dabei steht das Unternehmen mitten im Konflikt: auf der einen Seite geschasster Partner von dm, auf der anderen Seite Händler von Davert-Produkten in den firmeneigenen Supermärkten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Humanitäre Lage im Gazastreifen
Neue Straßen für Gaza – aber kaum humanitäre Güter