piwik no script img

Mögliche Abschaffung der StörerhaftungSurfen auf der freien WLAN-Welle

Die netzpolitischen Sprecher von CDU und SPD haben die Abschaffung der Störerhaftung angekündigt. Aber was heißt das?

Alles potenzielle Kriminelle, aber die Sorge des WLAN-Anbieters soll das nicht mehr sein Foto: imago/Westend61

Die Störerhaftung wird abgeschafft. Bitte was?

Die Störerhaftung, die besagt, dass Dienstanbieter im Sinne des Telemediengesetzes, etwa Betreiber eines offenen WLAN-Netzes, für rechtswidrige Handlungen ihrer Nutzer haften.

Das bedeutet ?

Wer so nett ist, sein oder ihr Netz anderen ohne Passwort – also frei – zur Verfügung zu stellen, läuft aufgrund der Störerhaftung immer Gefahr, für illegales Verhalten der Nutzer verantwortlich gemacht zu werden.

Wir reden über illegale Film- und Musikdownloads?

Ja.

Und die sind jetzt legal?

Nein! Aber der Dienstanbieter kann nach Abschaffung der Störerhaftung nicht mehr teuer dafür abgemahnt werden, wenn Dritte sich „Batman v Superman“ kostenlos im Internet anschauen.

Und wen interessiert das?

Café-Besitzer zum Beispiel, von denen viele lieber kein WLAN anbieten, um sich nicht dem Risiko einer Abmahnung auszusetzen. Oder mittelständische Unternehmen und Einzelhändler, die Fußgängerzonen mit kostenlosem WLAN attraktiver machen und so Kundschaft anlocken wollen.

Oder meine Nachbarin, die mir ihr Zugangspasswort nicht geben wollte, als mein Internet kaputt war?

Genau, die auch. Obwohl sie mit dem Passwort schon eine Vorsorgemaßnahme ergriffen hat, die sie vor einer Haftung schützen könnte.

Könnte?

Die Rechtsauslegung ist auf diesem Feld bisher ziemlich unsicher. Das ist auch einer der Gründe, die für die Abschaffung der Störerhaftung sprechen: die Herstellung von Rechtssicherheit.

Das heißt doch, dass diese ganzen Abmahnanwälte arbeitslos werden? Was wird jetzt aus denen?

Bierkutscher vielleicht?

Ok, wenn die Störerhaftung aber abgeschafft ist, können alle ihre WLANs ohne Angst öffnen?

So sagen es die netzpolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen, ja.

Das klingt nicht ganz überzeugt.

Solange niemand den Entwurf des neuen Telemediengesetzes gesehen hat, ist Misstrauen durchaus angebracht. Es wäre nicht das erste Mal, dass vollmundige Ankündigungen der Bundestagsnetzpolitiker etwas voreilig waren.

Die sind nicht grad das Zentrum der Macht, oder? Aber ernsthaft, kann ich mein WLAN angstfrei öffnen, wenn die Störerhaftung wirklich fällt?

Theoretisch ja – aber es gibt noch ganz andere Risiken beim geteilten Netzzugang als die Störerhaftung. Ein WLAN, das nicht passwortgeschützt ist, kann für Hacker ein sehr leichtes Einfallstor zu den Geräten der Nutzer sein.

Was kann man tun, um sich zu schützen?

Eine Möglichkeit zur Erhöhung der Sicherheit ist die Nutzung von VPN-Tunneln, die die Kommunikation über eine verschlüsselte Verbindung laufen lassen.

VPN, aha…

Ja, höhere Sicherheit geht immer mit verringerter Bequemlichkeit einher. Aber VPN ist wirklich nicht schwer.

Gut, mit dem VPN-Tunnel geht’s dann also einmal quer durch die Republik, surfend auf der freien WLAN-Welle. Wann geht es denn los?

Der Gesetzentwurf soll in der kommenden Woche in zweiter und dritter Lesung beschlossen werden und noch in diesem Jahr in Kraft treten.

Und dann kündige ich meine miese Datenflatrate beim Telefonanbieter?

Damit sollte man vielleicht noch etwas warten. Deutschland ist technologisch wirklich ziemlich hinterher, und eine umfassende Netzabdeckung, ob über Mobilfunk oder WLAN-Netzwerke, wird sicher noch eine Weile auf sich warten lassen.

Aber hat Verkehrsminister Dobrindt nicht ein Turbointernet für alle bis 2018 angekündigt?

Das war ein Förderprogramm von dem letztlich eine halbe Million Haushalte profitieren werden, also ein paar weniger als alle. Was es aber bestimmt geben wird, ist mehr Freifunk, ganz unabhängig davon, ob die Störerhaftung wirklich abgeschafft wird.

Freifunk?

Das sind die Vorreiter freier und offener WLANs für alle. Kurz gesagt, bringen die über die Verbindung von WLAN-Routern Internet an Stellen, wo es sonst keines gäbe. Ganz wichtig dabei ist, dass deren Soft- und Hardware auch höchsten Sicherheitsansprüchen genügt. Freifunk gibt’s sogar mit integriertem VPN-Tunnel.

Das sind doch bestimmt so eine handvoll weltabgewandte Nerds mit Lötkolben im Anschlag?

Na, eher so bundesweite Massenbewegung mit einer fünfstelligen Zahl Knotenpunkte, die unter anderem mehrere hundert Flüchtlingsunterkünfte mit Internet versorgen. Außerdem haben die mit viel politischem Druck und juristischem Kleinkrieg maßgeblich dazu beigetragen, dass die Störerhaftung so unter Beschuss geraten ist.

Klingt in Ordnung, aber deren Geschäft können ja jetzt auch andere erledigen, oder?

Abwarten. Eine kleine Gesetzesänderung macht noch keinen digitalen Frühling.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • @Daniel Kretschmar: Da sprichst du "große" Worte gelassen aus.

    .

    Mal sehnen ob die wieder links blinken und rechts abbiegen:-(( So ganz trau ich dem Braten auch nicht. Die "Neuländer" und die Lobbys sind immer für eine Überraschung gut!:-(

    .

    Also weiter Freifunkrouter pflegen und Abwarten!

    .

    Gruss Sikasuu

  • Das ansehen von Inhalten im Internet, die dort ohne Rechte gehostet waren, ist bereits lange als "reiner Werksgenuß" legal. Erst Maßnahmen zur Dauerhaften Speicherung konstatieren einen illegalen Download nicht aber einfaches streamen bei dem in der Regel mit dem schleißen des Browserfensters auch der Inhalt verloren geht. Vergleichbar mit dem ansehen einer illegalen Filmvorführung ohne rechte , der Vorführer ist strafbar wie der uploader des Streams nicht aber Personen die den Film gesehen haben^^.