piwik no script img

Spitzelin aufgeflogen

Undercover-Ermittlung

Am Mittwochmorgen dürfte es im Hamburger Polizeipräsidium hektisch zugegangen sein: In der Nacht zuvor hatte eine Recherchegruppe aus dem Umfeld des besetzten autonomen Zen­trums Rote Flora ein Dossier veröffentlicht, in dem die heute 34-jährige Staatsschützerin des Hamburger Landeskriminalamtes (LKA), Astrid O. mit dem Tarnnamen „Astrid Schütt“, als verdeckte Ermittlerin geoutet wurde. Sie ist bereits die dritte Undercover-Agentin, die in den vergangenen eineinhalb Jahren aufgeflogen ist. „Es ist eine Hamburger Polizeibeamtin betroffen“, bestätigte Polizeisprecher Timo Zill am Mittwochmittag. „Die Angelegenheit wird gerade intern aufgearbeitet.“

Die damals 24-jährige LKA-Beamtin Astrid O. wurde Ende 2006 über das Jugendzentrum Café Flop im Stadtteil Bergedorf in die linke Szene eingeschleust und besuchte regelmäßig das Antifa-Café. Später baute O. in Hamburg-Altona im Wohnprojekt Klausstraße das Antifa-Jugendcafé Mafalda auf. Ab 2007 war sie in Proteststrukturen gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm und gegen das Asien-Europa-Treffen in Hamburg aktiv. Schon damals geriet O. unter Spitzelverdacht, weil sie im Mafalda mit Abstand die Älteste war, sehr viele Fragen stellte und einen Nahkampfstock „Tonfa“ in ihrer Wohnung herumliegen hatte, wie er bei der Polizei eingesetzt wird.

Doch keiner verfolgte diesen ersten Verdacht weiter und „Astrid Schütt“ konnte ihre Szenekontakte intensivieren. Sie engagierte sich im Plenum der Roten Flora und in der Autonomen Vollversammlung und nahm immer wieder an den anschließenden Kneipenrunden teil.

Über das Anti-Repressions- Jugendprojekt Nella Facci, das sie gegründet hatte, öffnete sich dann die Tür zur Anti-Repressionsgruppe der Roten Flora. „Seit spätestens Ende 2010 war die Beamtin Astrid O. aktiver Teil aller Gruppendiskussionen und Aktivitäten“, schreibt die Recherchegruppe. 2011 wurde O. erneut mit dem Spitzelvorwurf konfrontiert, den sie aber „pampig und trotzig und doch zugleich souverän“ auskonterte, heißt es in dem Dossier. Im April 2013 tauchte sie ab. „Astrid hat sich ihre Glaubwürdigkeit über Jahre erarbeitet“, so das Fazit. „Sie ist tief in unsere Strukturen eingetaucht.“ KVA

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen