Kommentar: Die Notbremse
Die neuen Zahlen sind starkes Indiz dafür, dass die Mietpreisbremse nötig ist
Auf dem (Miet-)Wohnungsmarkt schießen die Preise ins Kraut. Über diesen alarmierenden Befund braucht man nicht zu streiten: Der extrem niedrige Leerstand, der Mietenspiegel und jetzt die neueste Erhebung der Schüler des Gymnasiums Ohmoor sind der Belege genug.
Dabei sind die Gründe für den Boom vielfältig. Da ist die finanzpolitische Weltlage, die Anreize setzt, Immobilien zu kaufen. Die Zinsen für Kredite sind niedrig, die Zinsen für angelegtes Geld auch. Es rentiert sich, in Wohnimmobilien zu investieren. Ihre geringe Rendite sieht im aktuellen Vergleich ganz gut aus und sie versprechen Sicherheit in unsicheren Zeiten.
Dazu kommen soziologische Faktoren. Die Generation der Babyboomer tritt ihr Erbe an und weiß damit oft nichts Besseres anzufangen, als es in Betongold zu investieren. Die Anzahl der allein Wohnenden hat weiter zugenommen. Ende 2014 lag sie bei 54,3 Prozent, was zu einer für eine Großstadt vergleichsweise großen Wohnfläche pro Kopf beiträgt: Diese erreichte 2013 einen Rekordwert von 39,8 Quadratmetern – wobei der Anstieg dieser Fläche, der in den 1970er-Jahren einsetzte, seit 2011 fast stagniert.
Senate jedweder Couleur haben kräftig die Trommel für einen Bevölkerungszuwachs gerührt – nach der Devise: „Wachsen oder weichen“. Jetzt strömen die Massen und der Senat ist unter Zugzwang. Die Flüchtlinge kommen noch oben drauf.
Der Senat reagiert mit einem Wohnungsbauprogramm, wobei er sich Widerspruch vielfältigster Art ausgesetzt sieht: Die einen wollen keine Verdichtung vor ihrer Nase, die anderen keine Neubauten auf der grünen Wiese. Wieder andere unterstellen, dass jede neue Wohnung ohnehin nur den Besserverdienenden zugute kommt, die nächsten wollen keine Flüchtlinge in der Nachbarschaft.
Keine Frage: Das erweiterte Bauprogramm mit dem neuen Bündnis für das Wohnen ist richtig und es wäre ein Riesenerfolg für den Senat, wenn er es ebenso umsetzen würde wie das bisherige 6.000er-Programm. Doch angesichts des Zuzuges hinkt das Programm fast zwangsläufig hinterher.
Der aktuelle Preisanstieg zeigt, dass die Mietpreisbremse eine notwendige Ergänzung war, auch wenn sich viele Mieter dieses Instruments erst noch bewusst werden müssen. Und er zeigt, was es in Wahrheit ist: eine Notbremse. Gernot Knödler
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