Die Walpurgisnacht begann schon am lichten Tag

Demo Rund 2.500 Menschen ziehen durch den Wedding und protestieren gegen Verdrängung

Herzförmige Luftballons steigen in den Abendhimmel, von den Balkonen links und rechts der Straße winken Familien freundlich herunter und grüßen die DemonstrantInnen, die hier vorbeiziehen: Kein ganz gewöhnliches Bild für eine linksradikale Demonstration und erst recht bemerkenswert in der Walpurgisnacht, die in Berlin früher von stundenlangen Scharmützeln zwischen Polizei und linker Szene geprägt war.

Aber das Bündnis „Hände weg vom Wedding“, das die Walpurgisnacht-Demonstration seit 2012 organisiert, hatte auch von Anfang an den Anspruch, einiges anders zu machen: „Wir sind angetreten mit dem Vorhaben, eine in der Nachbarschaft verankerte Demonstration mit einer klaren inhaltlichen Botschaft zu schaffen, auch in Abgrenzung zu inhaltsleerer Szenepolitik“, sagt Bündnissprecher Martin Steinburg. Gegen Verdrängung, soziale Ausgrenzung und Rassismus ist das Bündnis aktiv, das neben der jährlichen Demo eine Reihe anderer Veranstaltungen im Wedding organisiert.

Rund 2.500 Menschen sind am frühen Samstagabend diesem Aufruf gefolgt. Etwas weniger als im letzten Jahr, was auch damit zu tun haben könnte, dass die Demo in diesem Jahr schon um 16.30 Uhr startete und folglich komplett im Hellen verlief – ein weiterer Bruch mit den Traditionen der Walpurgisnacht. Vom U-Bahnhof Osloer Straße im Wedding zieht die Demo Richtung Innenstadt bis zum U-Bahnhof Bernauer Straße.

Mehrere Zwischenkundgebungen nehmen Bezug auf lokale Auseinandersetzungen, etwa den Protest der MieterInnen eines Hauses in der Koloniestraße, die nach dem Wegfall der Förderung im sozialen Wohnungsbau bis zu hundertprozentige Mieterhöhungen erhalten haben.

„Die Hoffnung stirbt zuletzt: Vielleicht entwickelt sich ja eine Hausbesetzung im Anschluss der Demo“, sagt Michael, 28, auf die Frage, warum er bei der Demo mitläuft. Er unterstützt die Initiative SocialCenter4All, die seit dem letzten 1. Mai schon mehrere Versuche unternommen hat, Gebäude in Berlin zu besetzen, um dort ein soziales Zentrum zu eröffnen – bisher ohne Erfolg. Auch heute bleibt seine Hoffnung vergebens: Zu einer Besetzung kommt es nicht mehr, leer stehende Gebäude am Rand der Route sind teilweise mit einem massiven Polizeiaufgebot gesichert.

Die Stimmung auf der Demo ist eher fröhlich als wütend, bis zum Schluss gibt es keine Zwischenfälle. S. Schmalz,
M. Gürgen