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Kommentar: Jean-Philipp Baeck über Bremer Israel-FeindeNichts so gemeint und doch viel gesagt

Antisemitismus ist, wenn von allen Staaten der Welt einzig jener der Juden sich „kritisieren“ lassen muss

Alles sei nur „Ironie“, „nicht so gemeint“ oder gegen die staatliche Politik gerichtet – nicht aber gegen die Juden: Selbsternannte „Kritiker“ Israels meinen nie die Juden, und antisemitisch wollen sie auch nie sein. Der Bremer Publizist Arn Strohmeyer ist so einer, ebenso der Pastor Volker Keller.

Sie entstammen einer Szene friedenspolitischer Aktivisten, die mit ihrem Denken in die Jahre gekommen sind und nicht wahrhaben wollen, was andere Linke mittlerweile begreifen: Bedingungslose Solidarität mit der Sache der Palästinenser haut nicht hin – wegen der Hamas, die die Juden töten will, wegen der Selbstmord-Anschläge, der regelmäßigen Angriffe mit Raketen. Vor allem aber, weil Antisemitismus am Werk ist, wenn von allen Staaten der Welt einzig jener der Juden sich „kritisieren“ lassen muss. Jener Ort, der trotz aller Ungerechtigkeiten doch demokratische Freiheiten bietet und nicht Despotie; in dem Überlebende des Holocaust Zuflucht gefunden haben und ihre Nachfahren leben.

Gewiss: Strohmeyer hat sich verdient gemacht um die Aufarbeitung der Nazi-Geschichte der Bremer Böttcherstraße oder des Künstlerdorfes Worpswede. Und Keller ist in Bremen-Nord seit Jahren friedenspolitisch aktiv, setzt sich auch gegen rechts ein. Stehen beide damit nicht auf der guten Seite? Mit derlei Aktivitäten schon – aber eben nicht mit ihrem Engagement gegen Israel.

Und selbstverständlich sind die Zeilen, die Pastor Keller an den Journalisten Benjamin Weinthal schrieb, ironisch gemeint – das macht sie aber nicht weniger brisant: Einen Brief mit „Volker Keller, Antisemit“ zu unterzeichnen, weil man eben diesen Vorwurf so absurd findet, belegt eine Reflexionsverweigerung. Als Deutscher einem Autoren einer israelischen Tageszeitung so einen Brief zu schicken – das hat Implikationen, die sich nicht übersehen lassen. Kellers nachgereichte Erklärung, er erkenne das Existenzrecht Israels an, wäre entschieden mehr wert, würden die Friedensaktivisten nicht genau das regelmäßig in Frage stellen. „Israel ist das Problem, Palästina die Lösung“, steht etwa bei Demos auf einem wiederkehrenden Transparent.

Kellers ironisch gemeinte Zeilen verraten viel. Da hat sich einer nicht bloß im Ton vergriffen – so wenig, wie es einfach nur die falsche Protestform war, als Strohmeyer, Aktivisten des Friedensforums und der Initiative „Nordbremer Bürger gegen den Krieg“ – die Keller mitgegründet hat – 2011 vor einem Supermarkt Kunden mit Schildern dazu aufforderten, keine Waren aus Israel zu kaufen. Das war eine antisemitische Aktion – und so wenig ein Missverständnis wie nun die Post vom Pastor.

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