Agentur-Ideen für die Zukunft der SPD: Abwärts ist das neue Vorwärts
Eine Agentur rät der SPD, auf Wählerdemobilisierung zu setzen. Prima Idee, aber beileibe nicht radikal genug, um die Partei zu revitalisieren.
Eines Morgens beschloss Sisyphos, dass der Stein den Berg nicht hinauf-, sondern hinuntergerollt werden müsste. Ab da versah sich das Tagewerk praktisch von selbst, der Stein war ja schon unten – Erfolg auf der ganzen Linie.
Eine Werbeagentur rät der SPD in Baden-Württemberg (12,7%) angesichts der Erfolge der AfD zur „Demobilisierung“ der WählerInnen. Schließlich sei es besser, notorische Wahlverweigerer blieben zu Hause, statt ihr Kreuz bei der falschen Partei zu machen.
Was wie ein schräger Witz klingt, scheint der „Network Media“ (NWMD) vollster Ernst zu sein. Man müsse schon aus Gründen des nachhaltigen Ressourceneinsatzes überlegen, ob man in bestimmten Gegenden einfach nicht mehr präsent sein wolle.
Einfach nicht mehr präsent? Das mag aus Sicht der Werber durchaus vernünftig klingen, aber wie eine Volkspartei den Verzicht auf einen flächendeckenden Wahlkampf vor sich selber rechtfertigen will, wäre interessant zu beobachten.
Ja, eine Volkspartei! Die Älteren werden sich gewiss noch ins Gedächtnis rufen können, dass der SPD gelegentlich sogar zugetraut wurde, eine Bundestagswahl zu gewinnen. Noch ältere mögen sich gar an die geradezu dynastische Weitergabe sozialdemokratischer Werte von Eltern zu Kindern, in Vereinen und auf dem Sportplatz erinnern.
Einfach nicht mehr antreten
Dass diese tiefe Verankerung der Sozialdemokratie in breiten Bevölkerungsschichten inzwischen der Vergangenheit angehört, ist eine absolut nachvollziehbare Beobachtung. Doch wie genau soll die Demobilisierung dieses Problem der SPD lösen? Wird es ihr wirklich gelingen, durch den Abbau der eigenen Wahlkampfständen künftige Wahltermine vor AfD-AnhängerInnen zu verheimlichen und somit den relativen Stimmanteil der anderen zu erhöhen?
Wird die SPD in den mittelsächsischen Wahlkreisen und im Erzgebirge, wo es nicht wenige Orte gibt, in denen die Partei schon seit Jahren im einstelligen Prozentbereich siecht, ganz auf den Wahlkampf verzichten? Da kann die Agentur, die den letzten Landtagswahlkampf der Partei in Sachsen betreute (Überraschung: NWMD, Ergebnis der SPD: 12,4%), das nächste Mal für erheblich weniger Aufwand das selbe Geld kassieren.
Warum also nicht einfach mal probieren, was passiert, wenn mangelnder Präsenz mittels noch weniger Präsenz begegnet wird. Eventuell hilft es ja, ganz radikal gleich gar keine Kandidaten mehr aufzustellen. Und zwar überall! Das spart auch jede Menge Ressourcen und dazu den ermüdenden Prozess der Programmparteitage und überhaupt der Erarbeitung eines politischen Programms.
Die Agentur NWDM ist übrigens nicht irgendeine Werbeklitsche, die Seife verkauft, wenn grad kein SPD-Landesverband weniger Wahlkampf machen möchte. Sie ist eine auf politische Kommunikation spezialisierte Tochterfirma des seit 140 Jahren sozialdemokratischen Vorwärts-Verlages.
Entweder sitzen wir also mit den Thesen der Firma einem sehr elaborierten Aprilscherz aus dem Paul-Singer-Haus auf oder wir werden ZeugInnen eines weiteren Schritts bei der Selbstdemontage der deutschen Sozialdemokratie. Denn mit der geht es auch ohne Hilfe von Kommunikationsprofis wie der NWDM rasant bergab.
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