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Zugunglück in Bad AiblingDie zwei Fehler des Fahrdienstleiters

Erst ein falsches Signal gesendet, dann die falsche Notruftaste gedrückt: Das Bahnunglück in Bad Aibling geht wohl auf eine Verkettung mehrerer Irrtümer zurück.

Technischer Defekt „ausgeschlossen“: Ein Polizist vor dem Stellwerk in Bad Aibling Foto: dpa

Berlin dpa | Das schwere Zugunglück im bayerischen Bad Aibling ist nach Angaben der Landesregierung auf einen doppelten Irrtum des Fahrdienstleiters zurückzuführen. „Es war eine ganz besonders tragische Verkettung von gleich zwei Fehlleistungen“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der Bild-Zeitung. Nachdem der Mann die eingleisige Strecke für zwei Züge gleichzeitig freigegeben hatte, sei ihm noch ein weiterer verhängnisvoller Fehler unterlaufen.

„Der Fahrdienstleiter hat, als er seinen ersten Irrtum bemerkte, einen ersten Warn-Funkspruch an die beiden Lokführer schicken wollen“, schilderte Herrmann weiter. „Er hat – möglicherweise aus Aufregung – jedoch die falsche Taste gedrückt. Der Funkspruch ging an die Fahrdienstleiter in der näheren Umgebung. Die haben sich daraufhin bei ihm gemeldet. Daraufhin schickte der Fahrdienstleiter einen zweiten Funkspruch an die Lokführer. Diesmal drückte er die richtige Taste, aber da war es schon zu spät.“

Herrmann zog ein bitteres Fazit: „Wäre der erste Funkspruch bei den Lokführern angekommen, hätte das Unglück womöglich noch verhindert werden können. Das ist ganz besonders tragisch.“ Nun laufe es auf eine Anklage des Fahrdienstleiters wegen fahrlässiger Tötung hinaus. „Es sind mittlerweile auch alle technischen Defekte ausgeschlossen: Die Züge waren technisch völlig in Ordnung, inklusive der Bremsen. Das Funknetz hat funktioniert, ebenso alle Stellwerk-Funktionen.“

Bei dem Frontalzusammenstoß zweier Regionalzüge auf der Strecke von Holzkirchen nach Rosenheim waren am 9. Februar elf Menschen ums Leben gekommen und 85 Passagiere teils lebensgefährlich verletzt worden. Das Bahnunglück gilt als eines der schwersten in der Geschichte der Bundesrepublik.

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2 Kommentare

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  • Nun ja, das mit dem Funk ist zweitrangig. Der den Unfall auslösende Fehler war das Fahrenlassen auf Ersatzsignal. Das gab es schon vor dem digitalen und vor dem analogen Zugfunk und es ist ein strukturelles Problem, dass ein Zug auf Ersatzsignal auf die freie Strecke fahren kann.

  • Das kommt davon. Dumm gelaufen für den Fahrdienstleiter, doch der Fehler liegt in der Organisation des Funknetzes. Das ist zugleich der Kardinalfehler der digitalen Funknetze. Sie sind nur über die Zentrale zur beidseitigen Kommunikation zugelassen. Selbst das Mithören des Funkverkehrs ist auf diese Weise nicht möglich. Es ist das alte Prinzip der Militärs. "Die Truppe darf nicht alles wissen". Im analogen Betrieb wäre es ein leichtes gewesen über die Relaisstation direkt die Tfz-Führer anzusprechen, bzw. durch einen Notruf sofort die Schnellbremsung einleiten zu lassen.

     

    Das sieht aber der Digitalfunk nicht vor. Diese hierarchische Gliederung kann nur dann gepflegt werden, wenn zur alten Struktur der Befehlsstellwerke zurückgekehrt wird. Das ist aber mit mehr Personal verbunden, was auf die derzeitige Art gerade vermieden werden soll.

     

    Wenn man also von den Bahnmitarbeitern aufgabenübergreifendes Denken erfordert, sie dagegen aber als Befehlsempfänger im Glied stehen lässt, dann muss man sich nicht wundern, wenn es zu Kollateralschäden kommt.

     

    In der Tat passt die heute noch gültige oberste Fahrdienstleiterregel der Deutschen Bahn AG wohl offenbar nicht mehr in die Zeit, oder? Sie lautet: "Züge, die abgefahren sind, kommen nicht wieder."