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Zeugen beschreiben Rolf Z. als Trinker und Waffennarr

Prozess Im September 2015 soll der Angeklagte den 31-Jährigen Briten Luke H. erschossen haben

„Alkohol trank er wie Wasser“, sagt eine Bekannte. „Ich weiß nicht, ob er überhaupt mal nüchtern war.“ – „Er hat alles getrunken – außer Kerosin“, erinnert sich der Cousin. Rolf Z. ist derjenige, den sie vor dem Berliner Landgericht beschreiben – es ist der sechste Verhandlungstag im Prozess gegen den 63-jährigen Betonbauer. Die Anklage wirft ihm vor, am 20. September 2015 gegen 5.45 Uhr in der Neuköllner Ringbahnstraße vor dem „Del Rex“ den 31-jährigen Luke H. ermordet zu haben. Er soll dem telefonierenden Briten mit einer Schrotflinte in den Oberkörper geschossen haben.

Einen Tag später wurde Rolf Z. vor seinem Wohnhaus in der Silbersteinstraße verhaftet, ein kauzig wirkender Typ mit langem grauen Haar, schmaler Nase und Bart. Zeugen hatten so einen Mann im Ledermantel zur Tatzeit vor der Bar gesehen, sie hatten auch darauf hingewiesen, dass er wahrscheinlich in der Nähe wohnt.

Zerlegte Schrotflinte

Rolf Z. schweigt bislang zu den Vorwürfen, doch gibt es etliche Indizien gegen ihn. Der Angeklagte wird vor allem durch die Aussage der Frau seines Neffen. Diese besuchte zwei Tage nach der Tat ihre Schwiegermutter, die Halbschwester von Rolf Z. Die Gastgeberin berichtete, dass ihr Halbbruder kurz nach dem Mord zu ihr gekommen sei und eine Tüte sowie seinen Ledermantel bei ihr deponiert habe. Im Schlafzimmer befand sich dann die zerlegte Schrotflinte.

Aber auch die Aussage eines Gastes aus dem „Del Rex“ hat den Vorsitzenden Richter stark beeindruckt. Der Gast schilderte seine Unterhaltung mit dem Wirt dieses Lokals, in dem er diesen warnte, zum „Alkoholiker“ zu werden. Der in der Nähe scheinbar vor sich hindämmernde Rolf Z. musste dieses Wort auf sich bezogen haben. „Er sprang auf, lief zu mir, hielt mir die Faust vor das Gesicht und brüllte ‚Arschloch‘“, erinnert sich der Gast. Nachdem Rolf Z. dann erfahren hatte, dass es in dem Gespräch gar nicht um ihn gegangen war, entschuldigte er sich. Der Gast warnte ihn: Nicht jeder würde sich solche Beleidigungen gefallen lassen. „Keine Sorge“, soll Rolf Z. darauf geantwortet haben. „Dann hätte ich dich erschossen.“ Stunden später starb der junge Brite.

Fimmel für das Dritte Reich

Gestern beschrieben Bekannte und Verwandte Rolf Z. als einen Mann, der schon mit 15 und nach seinem Jobverlust immer exzessiver trank. Sie sprachen von einer täglichen Flasche Schnaps. Der Alkohol zerstörte die Beziehung zur Mutter seiner drei Söhne, die sich in der gemeinsamen Wohnung in ein separates Zimmer zurückzog. „Sie kam aus dem Mietvertrag nicht heraus“, so eine Bekannte des Ehepaars Z. Ein weiteres Zimmer war das „Museum“ von Rolf Z. Hier hortete er nicht nur seinen Alkohol, sondern auch Stich- und Handfeuerwaffen sowie Devotionalien aus dem Dritten Reich: Uniformen, Stahlhelme, Gasmasken, eine Adolf-Hitler-Büste.

„Das war halt ein Museum, der hatte einen Fimmel dafür“, sagt eine Bekannte im Zeugenstand. „Das war keine böse Sache.“ Über Geschichte habe Rolf Z. viel gelesen. Er sei ruhig gewesen, selten aufbrausend, aber äußerte jemand eine gegenteilige Meinung, habe er das mit einem „dreckigen Lachen“ kommentiert: „Er kann Menschen richtig fies niedermachen.“

Sein Cousin berichtet dar­über, wie sauer Rolf Z. darüber war, dass all seine Stammkneipen verschwanden und dann mit ausländischen Betreibern wieder eröffneten. Ein introvertierter, vom Dritten Reich faszinierter Waffennarr, ein Alkoholiker, dem Arbeit, Frau und Stammkneipen abhandengekommen sind, erschießt einen Englisch sprechenden Mann.

Die Tat eines Rechten oder eines Kranken? Auf diese Entscheidung wird das psychiatrische Gutachten den größten Einfluss haben. Uta Eisenhardt

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