Dom-Ponys scheu gemacht

MORAL Tierschützer haben auf dem Dom gegen das Ponyreiten protestiert – dabei haben sich kleine Kinder verletzt. Durften sie soweit gehen?

Nicht der einzige Protest: Tierschützer demonstrieren friedlich gegen das Pony-Karussel auf dem Dom Foto: Foto:Daniel Bockwoldt/dpa

Wo Tiere involviert sind, gibt es immer das „Risiko“, dass sie sich natürlich verhalten. Das bedeutet, dass sie sich erschrecken, wenn jemand mit einem Flatterband auf sie zu rennt. Es würde normalerweise auch bedeuten, dass sie sich ängstigen und dementsprechend reagieren, wenn sie mitten in der Hamburger Innenstadt auf dem Dom herumlaufen, wo sie Effektgeräuschen, einem permanenten Gedudel, dem Gebrabbel von LosverkäuferInnen und kreischenden Menschen ausgesetzt sind. Dafür aber sind die armen Säue, beziehungsweise Ponys, schon viel zu abgestumpft. Dass sie sich immer noch erschrecken können, macht Hoffnung.

Ohnehin ist es unverständlich, warum dieser anachronistische Brauch des Ponyreitens auf Großevents noch erlaubt ist. Mit „artgerecht“ hat es nichts zu tun, wenn Ponys tagein, tagaus im Kreis durch den Vergnügungsterror trotten, mechanisch, wie Roboter. Es ist die Versinnbildlichung einer geknechteten Existenz. Für eine moderne Großstadt wie Hamburg ist das peinlich. Es ist rückständig und zeigt, dass es ihr egal ist, dass Tiere gequält werden, solange der Tourismus brummt.

Dass ein paar Tierschützer die einzigen sind, die etwas dagegen unternehmen, ist eine Schande. Dass sie dabei Kinder in Gefahr gebracht haben, ist bedauerlich. Dass es zu Verletzten kam, zeigt jedoch vor allem, dass selbst die apathischen Ponys Lebewesen sind – und die neigen nun einmal zum Durchdrehen, wenn sie gequält werden. Die Qual besteht aber in diesem Fall im Betrieb, nicht in dessen Störung. Das Leid stillschweigend zu ertragen, ist auch keine Lösung. Katharina Schipkowski

Kein Pony sollte gezwungen sein, beim Dom stundenlang im Lärm von Besuchern und Fahrgeschäften im Kreis zu laufen. Hat man einmal selbst die Tiere gesehen, kann man sich denken, dass selbst die Erfüllung behördlicher Auflagen nicht sicherstellt, dass es den Tieren gut geht. Dem Tierwohl dient es aber auch nicht, die Ponys samt reitenden Grundschulkindern aufzuscheuchen, sodass es Verletzte gibt.

Sind die vier protestierenden Männer Tierschutzaktivisten? Zur Tierrechts­initiative Hamburg gehören sie jedenfalls nicht. Die protestiert seit zwei Jahren friedlich gegen den Einsatz von lebenden Tieren auf dem Dom. In einem offiziellen Statement auf ihrer Facebook-Seite distanziert sie sich von dem Übergriff: „TierrechtlerInnen würden niemals das Leben von Mensch und Tier in Gefahr bringen“, heißt es dort. Die Initiative sammelte 13.000 Unterschriften gegen das Pony-Karussell – leider erfolglos. Jetzt muss sie um ihren Ruf fürchten, da davon ausgegangen wird, dass die Angreifer aus ihrem Umfeld stammen.

Mal angenommen, die Täter hatten wirklich den Tierschutz im Sinn. Selbst das würde den Vorfall nicht besser machen. Seit wann heiligt der Zweck die Mittel?

Werden bei Demonstrationen Menschen durch Polizisten oder politische Gegner verletzt- und sei es auch nur leicht, ist der Aufschrei groß. Handelt es sich um vermeintliche Tierschutzaktivisten, ist die Akzeptanz offenbar höher, wie die zurückhaltende Reaktion der Dombesucher zeigt.

Was die Männer bezweckten, ist unklar. Der Sache – mehr Abwechslung, Bewegungsfreiheit und Lärmschutz für die Ponys – haben sie einen schlechten Dienst erwiesen. Leonie Habisch