: Eine Stadt und ihre Klinik
LÄNDLICHER RAUM Gutachten raten, das Mini-Krankenhaus im nordfriesischen Tönning zu schließen: Krankenkassen und Politik haben wenig Interesse am Erhalt
„Familiär, freundlich, kompetent“, so beschreibt sich die Klinik Tönning. Für den Träger, die kommunale Klinikum Nordfriesland gGmbH, ist das Haus mit seinen 29 Betten aber vor allem: zu teuer. So raten Gutachten dem Landkreis, das defizitäre Krankenhaus zu schließen, das die Halbinsel Eiderstedt versorgt, also auch die touristische Hochburg St. Peter-Ording.
Kommende Woche will der Landrat Details bei einer Bürgerversammlung in Tönning vorstellen. Mit Protesten ist zu rechnen: „Nicht sang- und klanglos“ wolle sich die Stadt ihr Krankenhaus wegnehmen lassen, so Bürgermeisterin Dorothee Klömmer.
Wird der ländliche Raum im Norden von der medizinischen Versorgung abgeschnitten? Tatsächlich sinkt die Zahl der Krankenhäuser im Flächenland Schleswig-Holstein: Aktuell sind es 74. Weil der Rückgang teilweise durch Fusionen zustande kommt und zudem neue Tageskliniken entstehen, ist die Zahl der Standorte zugleich auf 113 gestiegen – und die Zahl der Betten auf 15.000. Damit weist das Land eine überdurchschnittliche Krankenhausdichte im ländlichen Raum auf, so hat es zumindest der Ersatzkassenverband VDEK berechnet. Demnach steht Schleswig-Holstein auf Platz zwei hinter Nordrhein-Westfalen; Niedersachsen landet im Flächenland-Vergleich auf Platz fünf, Mecklenburg-Vorpommern auf dem drittletzten.
Für die Krankenkassen ist der Status quo angesichts steigender Kosten eher zu üppig als zu knapp. Auch die Politik hat wenig Interesse daran, kleine Kliniken zu halten. Das weiß Nordfrieslands Landrat Dieter Harrsen: „Das neue Krankenhaus-Strukturgesetz verschärft die Rahmenbedingungen, die Krankenhäuser weiter benachteiligen.“ Armin Tank, Direktor des VDEK-Landesbüros, sieht das Gesundheitsministerium in der Pflicht: „Es kann nicht sein, dass ein Krankenhaus sich ausrechnet, welche Fachabteilung man wirtschaftlich will.“ Der stetig fortgeschriebene Krankenhausplan des Landes gebe „nur den Ist-Stand wieder“, so Tank.
Allerdings entscheidet das Land über die Pläne nicht allein: 17 Verbände und Lobbygruppen, von der Ärztekammer bis zum Städtebund, sitzen mit am Tisch – auch der VDEK selbst. Das Ministerium dringt darauf, dass „notwendige Veränderungen im Konsens erreicht werden“ sollen – oder dass Kliniken schrumpfen, wenn sie wirtschaftlich dazu gezwungen sind.
Über die Zukunft des Tönninger Krankenhauses entscheidet am 23. März der Kreistag. Wird das Haus wirklich geschlossen, müssen Patienten künftig ins 25 Kilometer entfernte Husum fahren. EST
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