UWE RADA macht sich Gedanken über die Bedeutung von Umfragen in Zeiten von PeGIDA und Politikverdrossenheit
: Zum Glück kann Müller nicht so gut Landesvater

Wahlkampfhilfe Zucker Foto: dpa

Es gab Zeiten, da gaben Umfragen einfach nur wieder, was die Befragten am nächsten Sonntag wählen würden. Damals standen Parteien noch nicht im Verdacht, ihr Volk zu verraten, war die Presse noch keine Lügenpresse. Eine kleine Ausnahme bildete die taz, von der es unter Linkspopulisten, die sich damals Autonome nannten, hieß: „taz lügt!“

Viel hat sich seitdem verändert. Pegida hat Sachsen erobert, die Flüchtlingsdiskussion spaltet das Land, und die AfD mobilisiert, ähnlich wie Donald Trump in den USA, das „Volk“ im Kampf gegen das „Establishment“. Auch in Umfragen wird nicht mehr nur gefragt, wen man nächsten Sonntag wählen würde, sondern auch, wem man zutraut, die Probleme zu lösen. Und siehe da: In der jüngsten Umfrage von Forsa würden zwar 52 Prozent dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller ihre Stimme geben, seiner SPD trauen aber nur 18 Prozent zu, die Probleme der Stadt lösen zu können.

Lösen also starke Persönlichkeiten die Parteien ab? Eine andere Umfrage eine Woche zuvor brachte eine weitere Überraschung: Nur 33 Prozent der Berliner sind mit der Arbeit der SPD-CDU-Koalition in Berlin zufrieden – bundesweiter Negativrekord. Grün-Rot in Baden-Württemberg trauen immer 61 Prozent über den Weg. Auch da stellt sich die Frage: Sind die BerlinerInnen nur unzufrieden mit dem Gezerre der GroKo, wären sie also bei Rot-Grün gnädiger? Oder ist auch das ein Hinweis auf eine Erosion der Glaubwürdigkeit von Parteien. Und was bedeutet das für den Wahlkampf?

Baden-Württemberg zeigt, dass die Leute auf einen Landesvater stehen; welcher Partei er angehört, ist zweitrangig. Das erweitert den Radius der Landesväter, verkleinert aber den der Parteien. Im Grunde ist es ein Teufelskreis. Je weniger die Parteien im Meinungsbildungsprozess zu sagen haben, desto unattraktiver werden sie. Und desto stärker verlieren sie an Glaubwürdigkeit. Gut für Berlin ist wenigstens, dass Müller nicht so gut Landesvater kann. Die Demokratie wird es ihm danken. Der SPD eher nicht.