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Singdrosseln, Granatäpfel und Verlierer

FILMREIHE Zwischen Fabulierkunst und Zensur: Das B-Movie in Hamburg zeigt alte und neue Filme aus Georgien

Zu Sowjetzeiten war es die einzige eigenständige regionale Filmkultur: In Georgien entwickelte sich schon in den 1920er- Jahren eine fruchtbare Filmindustrie, deren Blütezeit dann die 80er-Jahre waren, als dort jedes Jahr mindestens sieben Spielfilme entstanden. Darunter waren zudem weniger eindeutige Propaganda-Arbeiten, als etwa im fernen Moskau gedreht wurden. Filme aus Georgien waren exotisch, oft auch witzig und voller Metaphern.

Da lebte eine Tradition der Fabulierkunst weiter, von der Partei wenn nicht unterdrückt, so doch kontrolliert. Und so war die georgische Filmgeschichte lange auch eine der Zensur. Der wohl beste Filmemacher des Landes, Otar Iosseliani, etwa gab irgendwann in den 80er-Jahren auf – und ging in den Westen.

Heute gibt es keine georgische Filmindustrie mehr, aber es gibt eine Szene von jungen, unabhängigen Regisseuren, deren Filme oft aus Frankreich oder Deutschland finanziert werden. So hat das Hamburger B-Movie nun eine mit 15 Titeln bemerkenswert umfangreiche Filmreihe zusammengestellt, in der neben Klassikern auch neue Produktionen laufen.

Das Programm beginnt heute mit „Einige Interviews zu persönlichen Fragen“ von Lana Ghoghoberidze, nochmal dann am 17. März zu sehen. Der Film aus dem Jahr 1978 handelt von einer Journalistin, die den Kummerkasten der Zeitung betreut und also um die Befindlichkeiten, Sorgen und Nöte des Publikums weiß. So wird hier fast dokumentarisch vom sowjetischen Alltag erzählt – und gleich noch das Porträt einer starken Frau gezeichnet.

Zu den Klassikern des georgischen Kinos zählt „Die Farbe des Granatapfels“ von Sergei Paradjanov von 1969 (6. + 20. März): Im Stil eines surrealen Bilder- und Klangteppichs verarbeitet er die Geschichte des Dichters Sajat Nova, der im 16. Jahrhundert Hunderte von Liedern komponiert haben soll, die heute noch gesungen werden.

1970 drehte Otar Iosseliani mit „Es war einmal eine Singdrossel“ (10. + 31. März) eine seiner schönsten Komödien. Sein Held ist ein junger Taugenichts, der als Musiker im Orchester ständig den Zorn des Dirigenten entfacht, weil er immer erst in letzter Sekunde vor den Vorstellungen erscheint.

Einen poetischen Schelmenroman hat Nana Djordjadse 1987 mit „Robinsoniade oder mein englischer Großvater“ (6. + 24. März) inszeniert: Ein Engländer kommt 1920 nach Georgien, um den Aufbau einer Telegrafenleitung zu leiten. Als er sich in eine Einheimische verliebt und Revolutionäre ihn vertreiben wollen, erklärt er den Raum rund um einen seiner Masten zu englischem Boden – und richtet sich dort gemütlich ein.

Bis heute sind die liebsten Helden des georgischen Kinos skurrile Verlierer. So auch in Dito Tsintsadzes „God of Happiness“ (26. März): Giorgi wanderte einst nach Deutschland aus, wo er nun arbeitslos in einer schäbigen Hütte wohnt. Als seine Tochter aus der Heimat zu Besuch kommt, muss er ihr den erfolgreichen Schauspieler vorspielen, den sie nach seinen Lügenmärchen erwartet. HIP

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