Press-Schlag Der Amateurverband will Berufsboxer zu Olympia einladen. So schwach sind die Profis schon: Warum nicht gleich Muhammad Ali fragen?
Mit der Ankündigung, dass künftig Profiboxer bei Olympischen Spielen antreten dürfen, versucht der Amateurweltboxverband, groß rauszukommen. War nicht Wladimir Klitschko 1996 Olympiasieger? Warum sollte er es nicht zwanzig Jahre später noch einmal werden? Warum nicht gleich die Popularität von Muhammad Ali nutzen und den in den Ring schieben?
Olympische Amateure und Profiverbände tragen schon lange Konflikte aus, und die Offerte ans Profilager zeigt, wie schwach die früher einmal sehr starke Branche der Berufsboxer mittlerweile ist.
Große Olympiasieger im Boxsport, das waren 1960 der spätere Muhammad Ali, 1964 Joe Frazier und 1968 George Foreman. Diese drei machten später das Profiboxen groß, sehr groß: Ali gegen Foreman 1974 in Kinshasa, „Rumble in the Jungle“, war Weltpolitik: aufbegehrender Trikont vs. imperialistische Weltmacht.
Doch gegen den Schwergewichtsolympiasieger von 1972, 1976 und 1980 traten Ali, Frazier, Foreman nie an. Der hieß Teófilo Stevenson, kam aus Kuba und war Amateur. Über Stevenson vs. Ali wurde lange verhandelt; es wäre auch Weltpolitik gewesen: Sozialismus vs. Kapitalismus. Dass es nicht zum großen Hauen kam, hat mit Kräfteverhältnissen zu tun. Nicht das zwischen Stevenson und Ali, das hätte man ja gern ermittelt bekommen, sondern vor allem mit der politischen, ökonomischen und kulturellen Überlegenheit des Profiboxens in der damaligen Zeit.
Ein solcher Kampf hätte nämlich wie selbstverständlich zu den Bedingungen des Profiboxens stattgefunden: also (damals) 15 Runden plus das ganze vom Amateurboxen teils sehr unterschiedlichem Regelwerk. Das Amateurlager war schwach: Es fand unter dem relativ geschützten Dach der Olympischen Spiele statt, die damals, in den Siebzigern, noch kaum durchkapitalisiert waren.
Damals waren Profiboxen nicht nur eine Möglichkeit, kurzzeitig viel Geld zu verdienen. Nein, es war für viele afroamerikanische männliche Jugendliche die einzige Chance zum sozialen Aufstieg. Weil man wusste, dass eine Niederlage in einem Titelkampf fast gleichbedeutend war mit dem Verlust der Option auf ein besseres Leben, war Boxen groß.
Doch das Profiboxen änderte sich, andere Kampfsportarten wie MMA oder Kickboxen wurden attraktiver. Auch die soziale Herkunft der meisten Boxer änderte sich: In den USA etwa waren es nicht mehr so viele afroamerikanische Kids, die in Boxgyms gingen, sondern mehr Hispanics, die oft in niedrigeren Gewichtsklassen dominieren. Seit den Neunzigerjahren ist das Profiboxen in den USA in der Krise. Mike Tyson war sein letzter Star, vielleicht auch Evander Holyfield. Die Dominanz der Klitschko-Brüder langweilte nur noch. Keine guten Einschaltquoten, keine verheißungsvollen Talente und – sieht man von den sehr wenigen Superstars des Betriebs ab – auch kaum noch die Chance, sozial und materiell groß rauszukommen. Das Profiboxen hat sich mit den Klitschkos totgesiegt. Was es einst groß gemacht hat, gibt es nicht mehr.
Teófilo Stevenson und Muhammad Ali haben nie gegeneinander gekämpft. Nun ist der eine tot und der andere krank. Dabei wäre es gerade heute schön, jemand regelte die Sache im Ring. Martin Krauss
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