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Seltenheitswert Es hat einen Vorteil, nur alle vier Jahre Geburtstag zu haben: Man kann sich später an alle erinnernFür immer jung

1968: Schon vier Jahre alt, aber erst einmal „richtig“ Geburtstag gefeiert Foto:  Foto: privat

von KaIja Kutter

Wie das so ist, nur alle vier Jahre Geburtstag zu haben? Eigentlich ganz gut. Es gab mir von klein auf das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu haben. Das brauchte ich auch. Wir sind vier Geschwister, ich war die dritte von drei Töchtern, die wie die Orgelpfeifen im Zwei-Jahres-Abstand 1960, 1962 und 1964 auf die Welt kamen. Niedliche Mädchen, meine Oma wohnte im Haus und nähte für uns drei häufiger Kleidchen. Alle drei das gleiche Dirndl-Modell, das gleiche karierte Trägerröckchen, das gleiche Strandkleid. Nur war mal die Blume vorn drauf rot, mal blau, mal grün.

Meine Mutter verpasste uns verschiedene Frisuren. Die mittlere bekam einen lustigen Zopf, der nach oben Abstand. Doch das half nicht viel. Besucher haben uns oft verwechselt. Wir bekamen zu Weihnachten den gleichen Puppenwagen. Schliefen in einem großen Zimmer mit einem tollen Etagen-Bett für drei.

Ich weiß noch, es muss 1968 gewesen sein, als ich zum ersten mal hörte, was es mit dem 29. 2.auf sich hat. Ich hätte heute Geburtstag, dann aber die nächsten drei Jahre nicht, erzählten mir meine Verwandten bei einem Spaziergang durchs Wandsbeker Gehölz. Ich glaubte ihnen das nicht. Dachte, das ist jetzt ein blöder Scherz.

Doch als ich älter wurde, verstand ich das schon. Und meine Eltern hatten sich einen großzügigen Ausgleich überlegt. Statt gar nicht Geburtstag zu haben hatte ich in den Nicht-Schaltjahren immer zwei Tage gefeiert. Einmal am 28. Februar und am 1. März. Den einen Tag kamen Verwandte, am nächsten Tag gab es Kindergeburtstag.

Doch Geburtstag ist für mich der Tag, an dem morgens ein leckerer Nusskuchen mit Geburtstagskerze neben dem Frühstücks­tisch steht und meine Familie „Happy Birthday“ singt. Es ist der 28. Februar, ich habe ihn als meinen Geburtstag adoptiert. Und ich feiere ihn immer, und erzähle immer allen Leuten davon, ob sie es hören wollen oder nicht. „Ich haben morgen Geburtstag, obwohl eigentlich eher nicht.“ Die Story geht immer. Und ich glaube auch keinem Menschen, der behauptet, ihm sei sein Geburtstag nicht wichtig. Alles Lüge und falsche Bescheidenheit. Wir Nicht-Geburtstagshaber wissen das.

Und es gibt Menschen, die sich noch Jahre später an mich erinnern und mich anrufen. Spätestens, wenn mal wieder Schalttag ist.

Ein Running Gag ist auch das Alter. Ich bin jetzt erst „zwölf“. Weil ich erst zwölf mal Geburtstag hatte. Mein junger Neffe freute sich gerade diebisch darüber, dass er bald älter ist als seine faltige Tante. Auch jetzt, zu meinem „13“ Geburtstag, erwarte ich Geschenke mit Anspielungen auf mein beginnendes Teenager-Dasein.

Und ich kann – was wohl nicht jeder mit Anfang fünfzig von sich behaupten kann – mich noch an jeden einzelnen meiner Geburtstage erinnern.

Den 1968 mit vier, den hatten wir ja schon. Ich weiß noch, dass ich einen Puppenbesen mit Kehrschaufel bekam, was ich toll fand. An meinem „zweiten“ Geburtstag mit acht kann ich mich doch nicht mehr erinnern. Es kann sein, dass es der war, an dem ich das gelbe Klapprad bekam.

Ich hätte heute Geburtstag, dann aber die nächsten drei Jahre nicht, erzählten mir meine Verwandten bei einem Spaziergang durchs Wandsbeker Gehölz. Ich glaubte ihnen das nicht. Dachte, das ist jetzt ein blöder Scherz

Disco im Dunkeln

Zur Feier meines zwölften Geburtstags, also dem „dritten“, habe ich viele Freunde aus der 6. Klasse eingeladen. Ich glaube auch schon Jungs. Wir spielten „Mörder und Detektiv“, bei dem jeder ein Los mit einer Rolle zieht und dann in einer imaginären Disco im Dunkeln eine Person durch dreimaliges Auf-die-Schulter-Tippen gemordet wird.

Es war eine schöne Feier, fand ich hinterher, und entwickelte erstmals die Vorstellung, dass meine echten Geburtstage etwas Besonderes sind.

Als ich 16 Jahre alt wurde, war ich schon reichlich Feten-erprobt. Ich feierte in der WG meiner Schwester, tanzte zu Platten von Nina Hagen und zog mich auch so ähnlich an. „Wenn ich ein Junge wär’, wär’es nur halb so schwer ...“ Oder Pink Floyds Anti-Schul-Song: „We don’t need no education, we don’t need no thought control.“

Mein „fünfter“ Geburtstag fand in der gleichen WG statt. Ich wohnte mittlerweile dort. Partys liefen so ab, dass viele Leute kommen, auch welche, die man nicht kennt. Mein „siebter“ Geburtstag dann in einer WG am Hafen in der Buttstraße, spätere Szene-Größen legten Musik auf. Auch ein rauschendes Fest. Alle vier Jahre wird es einfach super. Meine Theorie schien aufzugehen.

Als ich 28. wurde, war ich schon Tazlerin und mietete zusammen mit einer Kollegin für eine Doppelfeier ein Jugendclub-Lokal im Schanzenviertel an. Gefühlt kamen 200 Leute. Auch komische dabei. Am Ende habe ich mich, glaube ich, fast mit irgendeinem Kerl geprügelt.

Mein „achter“ Geburtstag sollte alles toppen. Ein Ex-Kollege, der nun bei der Mopo arbeitete, rief mich an. Sie suchten für eine Geschichte über den 29.  2. eine Person, die am Schalttag Geburtstag hat. Ich war inzwischen zu Hause in Elternzeit. Ein Fotograf kam vorbei, drückte mir einen bunten Blumenstrauß in die Hand und knipste drauf los. In der Abendausgabe war ich dann sogar auf dem Titelblatt. Wurde dann aber in der Morgenausgabe verdrängt, weil die damals noch lebende Lady Diana etwas Berichtenswertes angestellt hatte.

Tja, und dann? Beim „neunten“ Geburtstag war ich schon zweifache Mutter und Familienfrau. Als solche feiert man nicht mehr wilde Partys. Die übrige Familie kommt zum Essen, die Kinder toben, krabbeln unterm Tisch und zwicken die Verwandten in die Füße. Früh sind alle wieder weg und die Kinder hoffentlich bald im Bett, dann kann noch ein bisschen Tatort schauen.

Oben: 1992 zum „Achten“ wird mit der Mopo sogar ein Boulevardmedium aufmerksam. Unten: üppiges Geschenk zum „zwölften“ Geburtstag. Die Zeichnung ist von Kaijas Tochter Clara

Na und dann kam der Geburtstag schlechthin. Mit Würde wollte ich 40 werden. Meine vier Jahre ältere Schwester sagte, das schöne sei, dass es nach 40 mit so kleinen Zahlen weitergeht. Man ist dann erst 40 und eins oder 40 und zwei Jahre alt. Inzwischen hat sich ja auch die Werbung umgestellt, zeigt hübsche grauhaarige Modells. 40 ist das neue 20, 50 das neue 30.

Es war ein schönes Fest, mit vollem Haus und vielen Kollegen, und meine entzückenden Kinder verkleideten sich und spielten den Gästen was vor. Einziger Wermutstropfen: Ich feierte am 28. 2. – meinen von mir adoptierten Ersatz-Geburtstags. Denn am 29. 2. 2004 musste ich zur SPD-Zentrale, um von dort über die Stimmung bei der Bürgerschaftswahl zu berichten. Wir hatten gerade drei Jahre Schwarz-Schill-Regierung hinter uns und mein einziger echter Geburtstagswunsch war, dass die CDU nicht die absolute Mehrheit bekommt.

Leider ging der nicht in Erfüllung. Ole von Beust fuhr einen rauschenden Sieg ein. Die Grüne Spitzenkandidatin Christa ­Goetsch erfuhr von meinem verfehlten Wunsch und fand das nett.

Vier Jahre später. Mama wird „elf“. Auch lustig. Die Kinder tragen Zahnspangen und malen mir schöne Bilder. Ich backe herzhaften Schweizer Käsekuchen nach dem Rezept meiner verstorbenen Großmutter. Die Nachbarn kommen spontan vorbei. Mein 44. Geburtstag wird ein langer, wunderschöner Freitagabend.

Mit Hamburg-Wappen der Zweiten Bürgermeisterin

Diesmal fand die Bürgerschaftswahl netterweise schon fünf Tage vor meinem Geburtstag statt. Die CDU verlor die absolute Mehrheit, es soll Schwarz-Grün geben. Ich wette um eine Flasche Sekt, dass die Grünen, die die „Schule für alle“ wollen, und die CDU wegen der Kluft in der Schulpolitik niemals koalieren.

Ich sollte verlieren. Schwarz- und Grün pfeifen auf meine Sekt-Wette und einigen sich auf die sechsjährige Primarschule, das beschert Bildungsjournalisten wie mir ein neues Dauerthema. Christa Goetsch hatte sich meinen Geburtstag gemerkt. Fortan konnte ich meine Kinder tief beeindrucken, weil ich Geburtstagsgrüße mit Hamburg-Wappen von einer Zweiten Bürgermeisterin bekam.

Das war’s. Der „zwölfte“ verläuft wie der „elfte“, eigentlich unspektakulär. Ich werde 48 und bekomme einen Gutschein für neue Sofas mit der Simpsons-Familie drauf, den meine Tochter gemalt hat. Ich löse ihn nie ein. Unsere sind zwar alt und klobig, aber es findet sich nichts Besseres.

Die Uhr tickt auf die 50 zu. Den mochte ich gar nicht feiern. 51. Es geht mit niedlichen kleinen Zahlen weiter. Ich sehe alte Männer mit kahlem Kopf im Fernsehen, die sind jünger als ich. Unsere Generation ist locker. Wir werden nicht wirklich alt. 60 ist das neue 40, 70 das neue 50.

Nun werde ich am Montag „dreizehn“. Eine taz-Kollegin aus Berlin ruft an. Sie hat auch am 29. Geburtstag. Sie ist das erste Schalttagskind, das ich kennenlerne. Ob ich es auch so leid sei, gefragt zu werden, wie das so ist. Ich denke: Eigentlich nicht. Aber wir werden uns schnell einig. Wir reden schon gern drüber. Wir haben eine Geburtstagsmacke.

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