Mein Wahlkampftagebuch: Ramelow in Rom: Mit dem Papst in Ost und West zum Erfolg
Die persönlichen Analysen von taz-RedakteurInnen zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz erscheinen bis zum Wahltag am 13. März.
Martin Reeh ist Ressortleiter Inland der taz.
Papst Franziskus, so hat es Bodo Ramelow verkündet, stelle sich auf die „Seite derer, die gegen das Establishment antreten“. Er sei bescheiden und menschenzugewandt. Ramelow, der linke Ministerpräsident und praktizierende Protestant, trifft heute in Rom den linken Papst zur Audienz. Die Linkspartei hat es mit Franziskus: In Rheinland-Pfalz klebt sie sogar Wahlplakate mit seinem Bild und dem Zitat: „Wenn die Politik wirklich den Menschen dienen soll, darf sie nicht Sklave der Wirtschaft und Finanzwelt sein.“ Das Bistum Speyer protestierte umgehend.
Aber während es sich bei den Linken in Rheinland-Pfalz um eine bloße Provokation handeln dürfte – schließlich werben sie auch mit einem netten Spruch von Helmut Kohl –, ist Ramelows Reise ebenso ernstgemeint wie sein Glaube. Der erste Ministerpräsident der Linkspartei profiliert sich als ein Gegenstück zu Horst Seehofer. Der Bayer besucht Putin und lädt Orbán ein, Ramelow fliegt eben zum Papst. Der eine trifft die Aussätzigen der deutschen Außenpolitik, der andere den Flüchtlingsversteher und Friedensprediger.
Beide, Seehofer wie Ramelow, betreiben eine Art Nebenaußenpolitik. Darin unterscheiden sie sich von fast allen ihrer Kolleginnen und Kollegen, die anders als zu den Zeiten von Franz Josef Strauß und Johannes Rau nicht einmal mehr bundespolitisch große Beachtung finden – und meist auch nicht wollen. Was schon deshalb verwunderlich ist, weil der Landespolitik immer mehr Kompetenzen entzogen und der Bundesebene zugeschlagen worden sind. Wer Akzente setzen will, muss symbolische Politik betreiben.
Das gilt besonders für Ramelow: In Thüringen gibt es keine großen Themen, mit denen ein linker Regierungschef überregional glänzen kann. In Berlin könnte ein Linker eine soziale Mietenpolitik betreiben (wenn er wollte), in Brandenburg den Ausstieg aus der Braunkohle betreiben (wenn er wollte). In Thüringen bleibt vor allem: die Kreisgebietsreform. Und ein Umgang mit Geflüchteten, der sich von dem im Nachbarland Sachsen angenehm unterscheidet. Aber für Schlagzeilen sorgt das noch nicht. Rot-Rot-Grün, als Vorzeigeprojekt gedacht, ist nun vor allem: zu geräuschlos, um Vorzeigeprojekt zu sein. Ramelow fällt kaum auf. Das Poltern, das er beherrscht wie Seehofer, hat er sich als Ministerpräsident verboten – als ein „Quartalsirrer“, wie der bayerische Landeschef einmal genannt wurde, will Ramelow nicht gelten. Bleibt also der Besuch beim Papst.
Ramelow beherrscht immerhin die Kunst der Inszenierung, im Allgemeinen ein Manko der Linken. Selbst als die europäische Ikone Gianis Varoufakis kürzlich in Berlin seine europäische Bewegung gründete, gingen die immer gleichen Reden Stunde um Stunde, statt Debatten gab es Appelle. Linkspartei-Chefin Katja Kipping hielt eine bemerkenswert lustlose Ansprache – so als wäre sie beim Neujahrsempfang des Kreisverbandes Oschersleben.
Mit-Parteichef und Baden-Württemberg-Spitzenkandidat Bernd Riexinger flog am vergangenen Wochenende zu einem Kongress der Kurdenpartei HDP nach Diyarbakır. Die taz war eingeladen, mitzufahren. Aber das Risiko, Hunderte Euro Flug- und Hotelkosten für einen Kongress mit erwartbaren Ansprachen herauszuwerfen, erschien uns letztlich zu groß. Riexinger twitterte „Solidarität mit Kurden, denen die eigene Regierung den Krieg erklärt hat“, aus Diyarbakır.
Die Linkspartei, das ist ihr Wahlkampfproblem, hat wenig spannende Debatten, dafür viel Unbeholfenheit zu bieten. Erst recht, seitdem Gregor Gysi nicht mehr Fraktionschef ist. Die rheinland-pfälzische Linke wirbt in ihrem Wahlkampfspot noch immer mit ihm. Sie weiß, warum: Der Dialog der beiden SpitzenkandidatInnen im selben Spot sieht verdächtig nach Offenem Kanal aus. Gott wird der Linkspartei im Westen kaum helfen. Aber vielleicht Gysi. Und der Papst. Martin Reeh
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