: Geschichte statt Cartoons
SPIONAGEROMAN Mit seinen Comics gilt Gerhard Seyfried seit Ende der 70er als „spitze Feder der APO“. Nun stellt er seinen vierten historischen Roman „Verdammte Deutsche“ vor
VON JENS LALOIRE
Mit Cartoons über zottelige Anarchos, knollennasige Polizisten oder den Gebrauch von Cannabis ist der Karikaturist Gerhard Seyfried zum Star des „Underground-Comics“ geworden. Werke wie das 1979 erschienene „Freakadellen und Bulletten“ oder „Invasion aus dem Alltag“ von 1981 erlangten Kultstatus und sind inzwischen längst vergriffen. Mit seinen Zeichnungen bebilderte er das Lebensgefühl der links-alternativen Szene der alten Bundesrepublik sowie der Hausbesetzer-Szene in West-Berlin, wo der gebürtige Münchner seit 1976 lebt. Seine linkspolitischen Themen, seine kritisch-humorvolle Darstellung der Staatsorgane sowie sein bissiger Sprachwitz brachten ihm den Beinamen „Spitze Feder der APO“ ein – aber auch Auszeichnungen wie den Max-und-Moritz-Preis des Internationalen Comic-Salons Erlangen, mit dem er 1990 zum besten deutschen Comic-Künstler gekürt wurde.
In den vergangenen zehn Jahren ist Seyfried jedoch weniger als Zeichner, sondern vor allem als Schriftsteller in Erscheinung getreten. Vor zehn Jahren erschien sein 600 Seiten schweres Roman-Debüt „Herero“, dessen Schauplatz das Namibia des Jahres 1904 (damals Deutsch-Südwestafrika) ist. Seyfried verbindet in diesem historischen Roman die Geschichte des Berliner Kartographen Carl Ettmann mit dem Aufstand der Hereros. Ein Jahr darauf folgte schon Seyfrieds zweiter Roman: „Der schwarze Stern der Tupamaros“ erzählt eine Liebesgeschichte aus den 70er-Jahren, angesiedelt in der Anarchoszene und dem Umfeld der „Bewegung 2. Juni“. Vier Jahre später legte er mit „Gelber Wind“ erneut einen 600-Seiten-Wälzer zu einem historischen Thema nach – diesmal zum chinesischen Boxeraufstand im Jahr 1900.
Im August hat Seyfried mit „Verdammte Deutsche“ nun seinen vierten Roman veröffentlicht, den er ab Sonntag im Rahmen der LiteraTour Nord vorstellt. Dessen Handlung spielt sich in den Jahren vor dem ersten Weltkrieg ab. Im Zentrum steht der deutsche Marineoffizier Adrian Seiler, der im Sommer 1911 an die Botschaft des Deutschen Reiches in London versetzt und dort zum Opfer der auf der Insel um sich greifenden Germanophobie. Die Geschichte um den Protagonisten Seiler ist zwar frei erfunden, doch Seyfried hat sie mit historischen Ereignissen und Fakten verknüpft, die er sorgfältig recherchiert hat.
„Verdammte Deutsche“ ist Seyfrieds erster Spionageroman, der zugleich einen interessanten Einblick in das maritime Wettrüsten zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich sowie die Entstehung der modernen Geheimdienste gibt. Auch wenn die geschilderten Geheimdienstmethoden durchaus grotesk wirken, ist das Buch keine Politsatire, sondern ein sachlich geschriebener Historienroman, ganz ohne die Komik der Seyfried-Comics, jedoch allemal spannend erzählt.
■ Sechs Lesungen gibt es im Rahmen der Literatour Nord: Oldenburg: So, 6. 1., 11 Uhr, Musik- und Literaturhaus Wilhelm13, Wilhelmstraße 13; Bremen: So, 6. 1., 20 Uhr, Literaturcafé Ambiente, Osterdeich 69a; Lübeck: Mo, 7. 1., 20 Uhr, Buddenbrookhaus, Mengstraße 4; Rostock: Di, 8. 1., 20 Uhr, die andere Buchhandlung, Wismarsche Straße 6/7; Lüneburg: Mi, 9. 1., 20 Uhr, Heinrich-Heine-Haus, Am Ochsenmarkt 1; Hannover: Do, 10. 1., 20 Uhr, Literaturhaus Hannover, Sophienstraße 2
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