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Fehlende Innovationen in DeutschlandNot made in Germany

Deutschland hinkt in der Robotik hinterher, sagen Experten. Auch bei der Integration von Flüchtlingen fehlt es an pfiffigen Ideen.

In Tokio beliebter, in Deutschland noch selten: Roboter. Foto: dpa

Berlin taz | Deutschland müsse Flüchtlinge auf „unkonventionellem Wege“ in das deutsche Hochschulsystem integrieren. Dafür hat sich die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) am Mittwoch bei der Übergabe ihres jüngsten Gutachtens an Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgesprochen.

Dazu gehörten „innovative Wege zum Nachweis von Qualifikationen“ wie auch englischsprachige Internetvorlesungen mit Untertiteln in der Sprache der Herkunftsländer, erklärte EFI-Vorsitzender Dietmar Harhoff vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb in München. Fehlendes Deutsch und nicht anerkannte Dokumente dürften nicht dazu führen, dass Flüchtlinge eine Hochschulausbildung erst mit großem Zeitverzug beginnen, schreiben die Innovationsexperten in ihrem Gutachten, das sich in diesem Jahr auch mit den Themen Robotik und digitale Wirtschaft beschäftigte.

Merkel widersprach der Kommission, nach der die Digitalisierung und Vernetzung der öffentlichen Verwaltung, Neudeutsch „E-Government“, in Deutschland „stark vernachlässigt“ werde. Die Regierungschefin nannte als „leuchtendes Beispiel“ die neuen Ankunftsnachweise für Flüchtlinge. „Dort haben wir angesichts der großen Herausforderung in Windeseile alle Hürden übersprungen“, sagte Merkel.

Alle zuständigen Behörden, vom Verwaltungsgericht über die Kommune bis zum Land und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und Arbeitsagentur, hätten künftig direkten Zugang zu den jeweils notwendigen personengebunden Daten. Laut EFI-Kommission liegt Deutschland beim Ausbau seines E-Government-Angebots allerdings „deutlich hinter den meisten Industrienationen zurück“.

Derzeit sind rund 150.000 Roboter in deutschen Industriebetrieben im Einsatz.

Mit Sorge betrachtet die aus sechs Wirtschaftswissenschaftlern bestehende Kommission, die seit neun Jahren die Bundesregierung in Innovationsfragen berät, dass der digitale Umbruch in der Wirtschaft wenig Dynamik entfaltet. „Deutsche Unternehmen sind bei der Nutzung neuer digitaler Möglichkeiten derzeit allenfalls internationales Mittelmaß“, sagte Harhoff. Er verwies auf die USA, wo die Marktkapitalisierung allein der führenden digitalen Unternehmen Apple, Google, Amazon oder Facebook im Jahr 2015 mit 1.159 Milliarden Euro über 15 Mal so groß war wie die gesamte Internetwirtschaft in Deutschland, Südkorea und Schweden zusammen.

Wissenschaft soll voraus

Auch den nächsten Trend in der Robotik drohe Deutschland zu verschlafen, warnen die EFI-Experten. Derzeit sind rund 150.000 Roboter in deutschen Industriebetrieben im Einsatz, Platz drei nach Japan und USA. Außerhalb des verarbeitenden Gewerbes sind aber kaum Roboter im Einsatz – womit etwa die Potenziale im Servicebereich verpasst würden. Hier stehe die Automatisierung erst am Anfang. Deshalb sei von der staatlichen Forschungspolitik die „Förderung der Robotik grundlegend zu überdenken und Kräfte zu bündeln“.

Auch hier war die Bundeskanzlerin um eine passende Replik nicht verlegen: Bei der Nutzung von Dienstleistungsrobotern könne die Wissenschaft doch mit praktischen Beispielen vorangehen sagte Merkel.

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5 Kommentare

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  • Ist die Frage der richtige Ansatz ?

    Je mehr der technische Fortschritt sich entwickelt desto mehr geraten wir in Abhängigkeiten! Das ist doch der Punkt!!!!

    Hans-Ulrich Grefe

    • @Grefe Hans-Ulrich:

      Ist es nicht die Frage:

      " Wie weit wollen wir diese Welt noch deformieren?"*******Die Technik hat uns immer dabei geholfen*************

      Hans-Ulrich Grefe

  • Lässt sich vermutlich auf ganz Europa übertragen. Versuche doch hier mal mit einer guten Idee Geld bei der Bank deines Vertrauens oder Investoren zu bekommen. Und wenn man es dann hat, dann treibt einem die Bürokratie in den Wahnsinn. Bürokratie verhindert ja auch wohl viele der pragmatischen Ideen um Flüchtlinge zu helfen. Mangelt es wirklich an Ideen oder nur an Kraft und Motivation dauernd gegen Windmühlen zu kämpfen?

  • Wozu soll denn Innovation in Deutschland noch gut sein? Wer es versucht und etwas wirklich Gutes entwickelt hat, wird mit Unsinnsklagen wegen angeblicher Patentrechtsverletzungen überschüttet, bis ihm das Geld ausgeht, oder die Patente werden einfach geklaut (Kombination Bankster und Aktienmarkt), oder die EU-Vorschriften sorgen für den Garaus usw.

    Wer etwas auf sich hält, geht ins Ausland, denn nur dort finden sich trotz vieler Widrigkeiten immer noch gute Chancen.

  • Deutschland ist auch rückständig im Bereich Videospiele, eine Branche, die bereits mehr Geld umsetzt als die Filmbranche (!), obwohl es gleichzeitig einer der größten Märkte dafür ist. Schon komisch. Aus Schweden kommen innovativere Titel als aus Deutschland, z.B. "Minecraft", "Mirror's Edge" oder "Brothers: A Tale of Two Sons". Auch aus Polen kommt ein Erfolgsspiel: "The Witcher", dessen Welt auf polnischer Literatur basiert. Ganz zu schweigen von Japan - Playstation, Super Mario und Pokemon kennt (fast) jeder. In Deutschland hat das immer noch den Ruch von Teufelszeug (ist das nicht schlecht für die Kinder?), obwohl es mittlerweile eine große Bandbreite an Themen und Spielmechaniken gibt. Die wenigen deutschen Spielefirmen tendieren dazu, Hollywood zu kopieren ("Crysis") anstatt sich von deutscher (oder irgendwelcher) Literatur und Kunst inspirieren zu lassen oder eigene Ideen zu entwickeln ("Drakensang" lasse ich als Ausnahme durchgehen, die Firma ging allerdings leider pleite.) Auch das ukrainische Hitspiel "Stalker" ließ sich übrigens von Literatur und dem gleichnamigen Tarkovski-Film inspirieren. Deutschland hinkt generell im IT-Bereich und im kulturellen Bereich hinterher, hier möchte man lieber Autos bauen, solange es noch geht. Man hängt am Überkommenen und macht sich lieber Sorgen um Internet-Abhängigkeit und "Killerspiele". Es wird immer zunächst das Negative gesehen.

     

    Kein Wunder, daß auch Dinge wie das VR-Headset Oculus Rift nicht in Deutschland entwickelt wurden. Von Smartphones und Tablets mal ganz zu schweigen. Deutschland verpaßt einen Boom nach dem anderen.