Streit über völkische Altäre: Jesus, der Nazi-Märtyrer
Hannovers Landeskirche überlegt, wie sie mit den teils noch genutzten Altären des NS-nahen Lübecker Künstlers Erich Klahn umgeht.
Das ist all die Jahre nicht weiter aufgefallen, weil Klahn kein wichtiger Wegbereiter war, sondern eher Sympathisant, der in der zweiten Reihe stand. Deshalb hat er die Sonnenräder, Runen, Hakenkreuze und andere völkisch-germanische Symbole auch so unauffällig neben die christlichen gesetzt hat, dass der Normalbürger die Doppelbödigkeit schwer erkennt.
Das Hakenkreuz des Karfreitagsaltars im Kloster Mariensee etwa wurde ans Scharnier geschmiedet, die Man-Rune der Abendmahlsszene des Abbehauser Altars als Fachwerk getarnt. Und dass der Christus des Amelungsborner Thomas-Altars stark an Klahns Porträt Albert Leo Schlageters erinnert, den die Nazis als Märtyrer verehrten: Wer weiß das schon?
Aber, sagt der hannoversche Kunsthistoriker Herbert Pötter, dessen Gutachten die Hannoversche Landeskirche am 9. Februar vorstellte, all das war kein Zufall. Denn der Mix aus Symbolen mittelalterlicher Sakralkunst, religiöser Mystik, germanischen Runen und politischen Symbolen war bei den NS-nahen Deutschen Christen gang und gäbe. Und Klahns damalige kirchliche Auftraggeber wollten dies ausdrücklich.
Klahn kam dem gern nach, war er doch nicht nur in jenem Flügel der niederdeutschen Bewegung aktiv, die dem Nationalsozialismus nahe stand, sondern unterstützte die völkisch-nationalistisch gesonnene Fehrsgilde. Zudem erhielt er 1943 den Lübecker Geibel-Preis, der als offizielle Ehrung des NS-Regimes galt, und war ab 1943 Mitglied der Reichskammer für bildende Künste. Später behauptete er, das sei erst 1944 gewesen, nannte den Geibel-Preis „unpolitisch“ und verschwieg seine frühe NSDAP-Mitgliedschaft. Im Entnazifizierungsverfahren kam Klahn, der sich immer wieder anti-demokratisch geäußert hatte, damit durch.
Genau diese Gesinnung war ein Grund, warum die Hannoversche Klosterkammer bereits zwei Gutachten zur NS-Nähe Klahns anfertigen ließ. Denn sie will den im Kloster Mariensee verwahrten Klahn-Nachlass nicht mehr aus öffentlichen Mitteln finanzieren und kündigte den Stiftungsvertrag 2014.
Doch Klahns Erben finden, es handele sich um eine Schenkung unter Auflagen, die man nicht einfach zurückgeben könne, und haben geklagt. Das Gerichtsverfahren läuft, denn es geht um viel Geld: Wer wird die Klahn-Werke künftig lagern, restaurieren, präsentieren?
Und wie wird, andererseits, die Hannoversche Landeskirche umgehen mit den Altären, deren NS-Symbolik jetzt wissenschaftlich belegt ist? „Nun“, sagt Benjamin Simon-Henkelmann, der stellvertretende Pressesprecher, „die Landeskirche kann ja nicht irgendetwas verordnen.“
Man wolle vielmehr eine offene Diskussion, und die solle die Tagung „Künstler und Kirche im Dritten Reich – Mitgestalter oder Mitläufer?“ am 14. März der Evangelischen Akademie Loccum befördern, zu der „alle Interessierten herzlich eingeladen sind“.
Dazu gehören auch die – der Landeskirche organisatorisch nicht verbundene – Klosterkammer sowie die Klahn-Erben. Letztere allerdings werden nicht auf dem Podium sitzen, so viel Öffentlichkeit will man dann doch nicht; gut erinnerlich ist noch, dass deren Anwalt Peter Raue Klahns NS-Parteimitgliedschaft als „Jugendsünde“ bezeichnet hatte.
Stattdessen werden – und die Kuratoriumsvorsitzende der veranstaltenden Hanns-Lilje-Stiftung hat das bereits als fachlich unzureichend moniert – der Kunstreferent der Landeskirche sowie der Chef von Akademie und Lilje-Stiftung die Tagung leiten.
Danach, sagt Simon-Henkelmann, werde die Landeskirche Handlungsempfehlungen erarbeiten, „und dann ist den jeweiligen Gemeinden überlassen, was sie mit den Altären tun“. Ganz entfernen wolle man sie aber nicht, hat Landesbischof Ralf Meister gesagt. „Denkbar wäre, Klahn in einer Ausstellung einzuordnen.“
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