: Nazi-Fahnder sucht neue Wege
JUSTIZ Der Leiter der Zentralen Stelle zur Ermittlung von NS-Verbrechen will seine Arbeit neu ausrichten, um letzte noch lebende NS-Täter vor Gericht zu bekommen
Aus Ludwigsburg Klaus Hillenbrand
Die Zentrale Stelle zur Ermittlung von nationalsozialistischen Verbrechen in Ludwigsburg steht vor einer Neuausrichtung. Leiter Jens Rommel sagte der taz, man wolle die bisherigen Ermittlungsansätze neu bewerten und einen rechtlichen Plan entwickeln, um die letzten noch lebenden NS-Straftäter vor Gericht zu bringen.
Der 43-jährige Oberstaatsanwalt Rommel hat vor wenigen Monaten den langjährigen Leiter Kurt Schrimm abgelöst, der zuletzt einige Erfolge erzielen konnte. Dank seiner Arbeit kam es zu Anklagen gegen fünf mutmaßliche Auschwitz-Täter. Einer von ihnen, Oskar Gröning, wurde im letzten Jahr in Lüneburg verurteilt. Gegen die anderen haben die Verfahren begonnen oder stehen vor ihrem Start.
Das weitere Vorgehen, so Rommel, hänge von einem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) ab. Im Frühjahr will der BGH in der Berufung des Gröning-Verfahrens entscheiden, ob schon die Tätigkeit in einem NS-Vernichtungslager wie Auschwitz ausreicht, um einen Angeklagten wegen Beihilfe zum Mord zu verurteilen. Alle anderen Tatvorwürfe außer Mord sind längst verjährt.
Rommel rechnet für die nächste Zeit nicht mit weiteren Anklagen. Die Zentrale Stelle mit ihren 19 Mitarbeitern werde aber nicht verkleinert. Rommels Berufung wurde als Signal dafür betrachtet, dass die Justiz trotz des inzwischen hohen Alters mutmaßlicher NS-Täter weiter gegen diese vorgehen will.
Der baden-württembergische Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) erklärte, er erwarte, dass die Behörde noch etwa zehn Jahre existieren wird, bevor sie einer Außenstelle des Bundesarchivs angeschlossen wird. Auch Rommel rechnet dann mit einem Abschluss der Ermittlungen angesichts des Alters der zuletzt Angeklagten: Diese waren zwischen 91 und 95 Jahre alt.
Die Ermittlungen der Zentralen Stelle konzentrieren sich derzeit auf Recherchen von Einwanderungsakten deutscher Bürger in Lateinamerika. Dabei müssen die Beteiligten mühsam von Hand diese Einträge mit den in Ludwigsburg gesammelten Informationen über mutmaßliche NS-Verbrecher vergleichen. Zwar ergaben sich bereits Treffer, die Personen waren aber bereits verstorben. Rommel selbst will im Frühjahr nach Argentinien reisen.
Zudem untersuchten die Ludwigsburger Ermittler alte Urteile sowjetischer Gerichte gegen deutsche Kriegsgefangene: Geschaut wird nach Hinweisen zu Mordtaten anderer Deutscher. Dabei hätten sich in mehreren Fällen Hinweise ergeben, die an die zuständigen Staatsanwaltschaften abgegeben wurden, sagte Rommel. Diese hätten die Verfahren aber eingestellt, weil die Moskauer Akten lückenhaft seien. Rommel hofft, dass die fehlenden Aktenbestände aus einem Moskauer Archiv nachgeliefert werden.
Der Karrierejurist Rommel, der in keinem Verwandtschaftsverhältnis zu dem deutschen Generalfeldmarschall gleichen Namens im Zweiten Weltkrieg steht, will sich nicht als „Nazi-Jäger“ verstanden wissen: „Dagegen wehre ich mich, wo es nur geht.“ Jäger, das sei gleichbedeutend mit dem Erlegen einer Beute. „Das hat nichts mit unseren Ermittlungen zu tun.“
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