Stadtgespräch: Mückenkrieg
Über den Umgang mit dem Zika-Virus herrscht in Brasilien Uneinigkeit. Schwangere geraten in Panik
Andreas Behnaus Rio de Janeiro
Das Zika-Virus hat Brasilien gerade noch gefehlt! Nirgendwo breitet sich der mysteriöse Erreger schneller aus als hier, die Zahl der Infizierten soll schon über eine Million betragen. „Zika“ – das war in Brasilien schon lange vor Auftauchen des Virus ein Begriff. In der Umgangssprache wird Negatives gern als „zika“ bezeichnet: Ein Unglück, ein Missverständnis, eine böse Vorahnung, Pech. „Vai dar zika“ – „Das geht bestimmt schief“.
In Mode kam das griffige Wort durch die HipHop-Bewegung. Jetzt ist Zika eine reale Bedrohung geworden. Zumeist verursacht eine Infektion nur eine leichte Fieberkrankheit. Gefährlich wird Zika für Schwangere, weil das Virus vermutlich Mikrozephalie, also eine Schädelfehlbildung bei Neugeborenen, auslösen kann. Auch mit der Nervenkrankheit Guillain-Barré-Syndrom wird das Virus in Zusammenhang gebracht.
Präsidentin Dilma Rousseff hat den Krieg gegen die Aedes-aegypti-Mücke ausgerufen, die neben Zika auch die Erreger von Dengue- und Gelbfieber überträgt. Am Mittwoch forderte sie die Bevölkerung auf, vereint gegen die neue Bedrohung mobilzumachen. Einzige Entwarnung: Die Olympischen Spiele im August seien nicht gefährdet.
Doch in Brasilien herrscht keine Einigkeit über den Umgang mit dem Virus. Die meisten lassen sich nicht aus der Ruhe bringen. Schwangere aber und ihre Angehörigen sind in Panik. Wer es sich leisten kann, denkt an eine längere Auslandsreise. Andere denken an Abtreibung. Die Zeitungen berichten über einen sprunghaften Anstieg von Schwangerschaftsabbrüchen, die in Brasilien fast immer illegal sind. Schon wird eine neue Debatte über das Abtreibungsrecht gefordert, wobei das Selbstbestimmungsrecht von Frauen keine Rolle spielt.
Die Aedes-Mücke gilt als Feind. Um die Brutstätten zu vernichten, sollen Zehntausende Soldaten eingesetzt werden. Sogar das Hausrecht soll außer Kraft gesetzt werden. Auch das fragwürdige Besprühen ganzer Straßenzüge mit giftigen Substanzen wird kaum infrage gestellt.
Die Zahlen, die das Gesundheitsministerium jede Woche herausgibt, geben zu denken. Sicher ist nur, dass die Zahl der Mikrozephaliefälle sprunghaft angestiegen ist, auf über 400 in den vergangenen 100 Tagen. Nur in 17 Fällen wurde nachgewiesen, dass die Mutter mit dem Zika-Virus infiziert war. Ob dies die Ursache ist, wenn der Kopf des Säuglings zu klein ist, lässt sich bisher nicht nachweisen. Die Weltgesundheitsorganisation hält diesen Zusammenhang für wahrscheinlich. Gesicherte Erkenntnisse gibt es nicht. Kritische Stimmen gibt es. Umweltschützer verweisen darauf, dass Insekten für das ökologische Gleichgewicht unverzichtbar sind. Sie fragen, ob Pflanzengifte untersucht werden sollten, die Brasilien in der Landwirtschaft einsetzt.
Auffällig ist, dass 98 Prozent der Mikrozephaliefälle im armen Nordosten aufgetreten sind. Dort, in dem stark betroffenen Bundesstaat Bahia, machte man 2011 erste Freilandtests mit genetisch veränderten Aedes-Mücken, um dem Denguefieber zu Leibe zu rücken. Die DNA von männlichen Mücken wurde so verändert, dass sie nur sterile Nachfahren hervorbringen können. Angeblich wurden bei solchen Tests bis zu 80 Prozent der herkömmlichen Mücken ausgerottet. Verwunderlich, dass die Genmücke zu Zika-Zeiten nun kaum ein Thema ist.
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