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Zu viel zu erzählen

GLÄNZEND Schauspielerin Josefine Preuß ist der Lichtblick in dem länglichen ZDF-Dreiteiler „Das Adlon. Eine Familiensaga“ (ab So., 20.15 Uhr)

„Da war ich erst mal drei Minuten ganz still, weil ich Schnappatmung hatte“

JOSEFINE PREUSS ÜBER DEN MOMENT, ALS MAN IHR DIE HAUPTROLLE IN „DAS ADLON“ ANGEBOTEN HAT

VON SVEN SAKOWITZ

Wenn ein Fernsehsender sich bei der Werbung für einen Film richtig ins Zeug legt und Großes ankündigen will, dann gibt es zusätzlich zur biederen Pressekonferenz auch noch eine Premierenfeier in Berlin. Dann hängen schon Wochen vor der Ausstrahlung deutschlandweit Plakate, auf denen die Schauspieler in vielversprechenden Posen zu sehen sind, und es fallen von allen wichtigen Beteiligten Begriffe wie „Wahnsinnsprojekt“ und „Kinoqualität“. So geschehen auch beim ZDF-Dreiteiler „Das Adlon. Eine Familiensaga“.

Ein Budget von 10 Millionen Euro stand Produzent Oliver Berben zur Verfügung, mehr als 100 Sprechrollen wurden vergeben, mehr als 2.000 Komparsen waren dabei, viele bekannte deutsche Schauspieler treten auf. Regie führte Uli Edel („Christiane F.“, „Der Baader Meinhof Komplex“), der immerhin Hollywood-Erfahrung vorweisen kann und zusammen mit Rodica Döhnert auch das Buch schrieb.

Schauplatz der Geschichte, oder besser: der Geschichten, ist das Berliner Luxushotel Adlon. Die Handlung erstreckt sich über den Zeitraum von dessen Gründung im Jahre 1907 bis zur Neueröffnung 1997. Verknüpft wird die Historie des Adlon-Clans mit Anekdoten aus der Hotelgeschichte sowie mit historischen Ereignissen und gesellschaftlichen Trends, die sich im Kleinen im Hotel widerspiegeln.

Ganz ohne Casting

Im Zentrum der Erzählung steht die fiktive Figur der Sonja Schadt. Sie wurde von Berben und Edel überraschenderweise mit Josefine Preuß besetzt, die man vor allem aus der ARD-Vorabend-Reihe „Türkisch für Anfänger“ kennt. In einem Projekt solcher Größenordnung auf eine Schauspielerin zu setzen, die dem ganz großen Publikum kaum bekannt ist und bisher im leichteren Genre zu Hause war, ist mutig. Berben ließ Preuß das Drehbuch zukommen und bat sie, es übers Wochenende durchzulesen. Am Montag drauf bot er ihr am Telefon die Hauptrolle an. „Da war ich erst mal drei Minuten ganz still, weil ich Schnappatmung hatte“, erinnert sich Preuß. „Ich konnte mir das auch erst nicht vorstellen, so ganz ohne Casting. Ich dachte nur: ,Wow! Was für ein Vertrauensbeweis!‘“

Josefine Preuß erlebt als Sonja Schadt zahlreiche Dramen. Weil ihre Mutter bei Sonjas Geburt erst 16 Jahre alt ist und das Kind mit einem einfachen Burschen gezeugt hat, geben sich Sonjas Großeltern als ihre Eltern aus. Erst kurz vor dem Tod ihres Großvaters erfährt Sonja die Wahrheit. Mit großem Erbe ausgestattet, zieht sie ins Hotel ihres Patenonkels Lorenz Adlon (Burghart Klaußner) und erlebt dort die Höhen und Tiefen des Hauses und des Landes hautnah mit. Außerdem trifft sie auf ihren leiblichen Vater (Wotan Wilke Möhring), der im Adlon als Concierge arbeitet.

Als wäre das nicht genug der Aufregung, lernt sie auch noch die Liebe ihres Lebens kennen, den jüdischen Pianisten und Journalisten Julian Zimmermann (Ken Duken). Die Nazis sperren ihn ins KZ, 1936 flieht er mit ihrer gemeinsamen Tochter nach Palästina. Der Kontakt bricht ab, Sonja Schadt bleibt als gebrochene Frau zurück.

Von Josefine Preuß wurde beim Dreh nicht nur die Darstellung einer ganzen Reihe von großen Emotionen verlangt, die 26-Jährige musste auch dem Alterungsprozess ihrer Figur gerecht werden – am Ende ist Sonja Schadt 55 Jahre alt. Preuß meistert die Herausforderungen souverän und meldet sich mit dieser Leistung eindrucksvoll im ernsten Fach an. Und das ganz ohne Selbstzweifel und Nervenzusammenbrüche: „Das klingt vielleicht vermessen, aber beim Dreh war nichts schwierig, weil Uli Edel immer da war. Wenn man mit ihm arbeitet, kann man sich sicher sein und einfach fallen lassen und vertrauen, weil er genau die richtige Balance aus Führen und Spielenlassen findet.“

Zur Vorbereitung auf die große Rolle hat Preuß sehr viel gelesen, vor allem Literatur aus der Anfangszeit des Adlon: „Gerade sogenannte Frauenliteratur – Irmgard Keun, Fanny zu Reventlow. Ich wollte einfach die Stimmung verstehen, die in und um Berlin herrschte. Ich habe wochenlang zu Hause nur Musik aus den 20er und 30er Jahren gehört, bis ich irgendwann gesagt habe: ‚Leute, ich brauche mal wieder Drum and Bass!‘“

Im ersten Teil ist Josefine Preuß nur kurz zu sehen, in den Fokus rückt sie mit dem Beginn des zweiten Teils. Bis dahin werden vermutlich schon ein paar Zuschauer aufgegeben haben, denn die ersten neunzig Minuten schleppen sich ziemlich dahin. Eine bleierne Schwere liegt auf vielen Szenen, und es bleibt lange unklar, in welche Richtung sich das Ganze überhaupt entwickeln könnte.

Das Hauptproblem bleibt denn auch bis zum Schluss, dass „Das Adlon“ zu vieles gleichzeitig sein soll – Familienepos, Sittengemälde, 90 Jahre deutsche Geschichte, Hotel-Historie. Dazwischen schlingert die Story hin und her, vieles wird angerissen, kaum etwas vertieft. Schwer erträglich ist der Geist der Vergemeinschaftung, der durchweg beschworen wird: Der gütige Patron Louis Adlon (Heino Ferch) und die ihm stets ergebenen treuen Angestellten, die gemeinsam das Beste für ihr Haus wollen. Während man ständig die Hotelleitung mit visionärem Blick durch die Lobby schreiten sieht, erfährt der Zuschauer über die Arbeitsbedingungen im Adlon so gut wie gar nichts. Das wäre aber vielleicht mal ganz interessant gewesen.

Historisch ungenau

Etwas irritierend ist es auch, in ein und demselben Film den Adlon-Förderer Kaiser Wilhelm II. als sympathischen Komiker auftreten zu lassen, die russischen Soldaten am Ende des Zweiten Weltkrieges dagegen ausschließlich als versoffene und brutale Schläger darzustellen, die auch noch für den Hotelbrand verantwortlich gemacht werden – obwohl das historisch nicht belegt ist. Was für ein in Klischees verhaftetes Geschichtsbild soll da vermittelt werden? Oh, du herrliche Kaiserzeit?

Ausstattung, Maske und Kostüm verdienen dagegen ein großes Lob, die Zeitreise gelingt. Durch die Figur der Sonja Schadt und dank ihrer durchaus anrührenden Romanze bekommt der Dreiteiler eine Struktur. Ihre Geschichte ist der Lohn fürs Überstehen der ersten 90 Minuten und entschädigt ein bisschen für die vielen kleinen Ärgernisse. Spannend ist etwa die mit Sonja Schadt verknüpfte Frage nach dem Mitläufertum im Nationalsozialismus: Als Sonja in der DDR auf ihre aus Israel zum Studium nach Berlin zurückgekehrte Tochter trifft, muss sie dieser erklären, warum sie nichts gegen die Nazis unternommen hat, 1936 als Sprecherin beim Radio sogar die Olympischen Spiele pries und Joseph Goebbels die Hand schüttelte.

Auf das Genre Drama will sich Josefine Preuß nach der Rolle der Sonja Schadt aber nun nicht gleich festlegen lassen. „Das größte Kompliment ist für mich, dass ich so viele unterschiedliche Sachen machen darf. Einen größeren Unterschied als den zwischen ‚Türkisch für Anfänger‘ und ‚Das Adlon‘ gibt es im Moment nicht. Das ist ganz toll, aber was daraus wird, weiß ich nicht, da lasse ich mich total überraschen.“ Eine überraschende Zielgruppe für ihre nächsten Filme hat Josefine Preuß dann auch noch parat: „Ich will einfach nur, dass es meinen Eltern gefällt.“

■ Am Sonntag zeigt das ZDF den ersten Teil von „Das Adlon. Eine Familiensaga“, die weiteren Teile folgen am Montag und am Mittwoch, jeweils 20.15 Uhr

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