KOMMENTAR: SVEN-MICHAEL VEIT ÜBER DIE KRISE DER SCHIFFFAHRT: Viel schlimmer als die Reeder dachten
Das Erwachen ist ein böses. Alles ist viel schlimmer als die deutschen Reeder gedacht haben. Die globalisierte Seeschifffahrt, vor kurzem noch ein Goldesel, ist zum Zuschussgeschäft geworden. Aus einer vermeintlichen konjunkturellen Seitwärtsbewegung wurde eine Krise historischen Ausmaßes. Und niemand hätte das voraussehen können.
Diese Behauptung erscheint regelrecht abenteuerlich. Zwar ist das früher existierende Vertrauen in die Analysefähigkeit und Problemlösungskompetenz von Spitzenmanagern aller Branchen in jüngster Zeit nachhaltig gesunken – gleichwohl gibt es Anlass für Kopfschütteln. Denn noch vor einem Jahr hatten Deutschlands Reeder den Aufschwung auf den Herbst 2009 terminiert. So kann man sich irren.
Das gilt zwar einerseits als menschlich, führt aber notwendigerweise zu den Fragen, ob überhaupt noch jemand ansatzweise globalökonomischen Durchblick hat, ob das System noch beherrschbar ist und ob die Führungskräfte nicht überbezahlte Dilettanten sind.
Grund zur Häme ist das keineswegs, aber Grund für die genauere Kontrolle von Finanzströmen, Forderungen nach Staatsbürgschaften oder Plänen für Hafenausbauten. Denn wer ganz offensichtlich nicht weiß, was er reedert und redet, muss es ertragen können, wenn seine Worte auf die Goldwaage gelegt werden.
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