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Leserinnen über sexuelle ÜbergriffeHey, lass das!

Vor Kurzem veröffentlichten wir Berichte unserer AutorInnen, in denen sie von sexueller Gewalt im Alltag erzählten. Seither haben uns viele Frauen geschrieben.

Auf dem Heimweg. Foto: CS/photocase

Manchmal genügt es, eine Frage anders zu stellen. Nicht: „Welche sexuellen Übergriffe hast du erlebt?“, sondern: „Wie geht es dir auf dem Heimweg?“

Jede Frau hat einen Weg nach Hause. Auch nachts. Manchmal geht es durch belebte Straßen, manchmal vorbei an dunklen Ecken. Manchmal treffen die Frauen auf Gruppen von Männern, was gut oder schlecht sein kann, manchmal gehen sie einsame Wege entlang, wo jedes Knacken Gefahr bedeuten kann.

Die Ereignissen in der Silvesternacht rund um den Hauptbahnhof in Köln führten zu großer Empörung, weil die sexualisierte Gewalt, der Frauen dort ausgesetzt waren, mit der Herkunft der möglichen Täter verknüpft wurde – und damit auch mit dem Flüchtlingsdiskurs. Als wären Frauen in Deutschland bis zum 31. Dezember 2015 sicher gewesen auf der Straße. Dass so darüber berichtet wurde, bestätigt, dass sexuelle Übergriffe von denen, die jetzt empört sind, vorher kaum als Gewalt erkannt wurden.

Sexualisierte Gewalt kam und kommt in Deutschland in allen Schichten und Milieus vor – auch in dem, wo Migration eine Rolle spielt. Vielfach werden sexuelle Übergriffe auf Frauen (und lange auch auf Kinder) dabei nicht als Mangel an Zivilisation gesehen, sondern als Kavaliersdelikte. Die Rechtsprechung trägt dieser Verharmlosung Rechnung: Anzeigen bringen den Frauen erfahrungsgemäß bis heute wenig – nur bei jeder achten angezeigten Vergewaltigung kommt es zu einer Verurteilung.

Nach der Veröffentlichung der Heimweggeschichten in der taz.am wochenende vom 16./17. Januar 2016, auf taz.de und im taz-Blog „Heimweg“ auf blogs.taz.de/heimweg, meldeten sich über hundert Frauen und ein paar Männer und schickten weitere Selbstzeugnisse. Jede Form sexualisierter Gewalt ist schlimm und wird als Ausnahmesituation wahrgenommen, die Geschichten vom Heimweg zeigen jedoch, dass Übergriffe fast alltäglich sind. Die Normalität schockiert.

Der Heimweg

Sind sexuelle Übergriffe der Normalfall? Wir baten unsere KollegInnen, von ihrem Heimweg zu berichten – und erhielten sehr viele Antworten.

Wir rufen Sie dazu auf, uns Ihre Geschichte zu erzählen, falls Sie Ähnliches erlebt haben. Schreiben Sie an: heimweg@taz.de. Die zuständigen Redakteurinnen Waltraud Schwab und Steffi Unsleber behandeln Ihre Mails vertraulich. Auf dem taz-blog Der Heimweg veröffentlichen wir die Berichte. Natürlich nur, wenn Sie der Veröffentlichung zustimmen.

Der Mangel an rechtlichem Schutz schockiert ebenfalls: Anmache und sexuelle Übergriffe werden selten geahndet. Und sogar wer eine Vergewaltigung anzeigt, kann bei einem Strafverfahren erleben, dass das Gericht am Ende entscheidet, dass es gar keine Vergewaltigung war. Denn im deutschen Strafrecht ist eine Vergewaltigung nur eine Vergewaltigung, wenn auch physische Gewaltspuren hinterlassen wurden oder sich das Opfer nachweisbar wehrte. Juristinnen verlangen, dass dieser Nötigungsabsatz im Sexualstrafrechtsparagrafen reformiert wird, der Europarat verlangt es, Antigewaltprojekte fordern es ebenfalls schon lange. Ein entsprechender Gesetzentwurf kommt kaum voran.

Das Gesetz schützt Frauen nicht oder nur unzureichend vor sexualisierter Gewalt. So werden sie zweifach zu Opfern. Deshalb hier Protokolle von Frauen, die sich wehrten:

+++ Laut werden

taz.am wochenende 23./24.01.2016

Köln ist bis heute ein Social-Media-Phänomen. Wie selten beeinflusst es auch die Berichterstattung. Was aus den Medien wird, wenn Emotion Erkenntnis schlägt, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 23.1. Außerdem: Eine syrische Familie ist vor Lesbos ertrunken. Damit ihre Seelen Ruhe finden können, riskiert der Vizebürgermeister seinen Job. Und: Helfen Joghurts gegen Darmbeschwerden? Eine Sachkunde über das autonom arbeitende Bauchhirn. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Ich saß nachmittags in einem Bus in Münster. Viele Jugendliche waren drin. Mir gegenüber saß ein Schülerin mit asiatischen Gesichtszügen, klein, zierlich, leise. An der Haltestelle steigt ein junger Typ ein, groß, stark übergewichtig, die Leute checkend. Er bemerkt diese Schülerin, grinst, setzt sich neben sie. Er taxiert sie, erdrückt sie fast mit seiner Anwesenheit. Sie traut sich kaum zu atmen. Es wird mir zu viel. „Jetzt reicht es ja wohl“, sage ich laut und taxiere ihn von oben herab. „Wurde dir kein Respekt beigebracht? Nimm gefälligst Abstand.“ Mein Blick starr auf seinem Gesicht. Kurz versucht er, sich zu wehren und fordert mich auf, ihn nicht anzugucken. „Ach?“, frage ich, „ seit wann ist blöd gucken für Jungs reserviert? Ist es unangenehm, angestarrt zu werden?“ Danach ist er still, obwohl seine verstohlenen Blicke mich töten könnten – wenn sie’s denn könnten. Mein Blick bleibt so lange auf sein Gesicht gerichtet, bis er aussteigt. Die Schülerin schaut mich dankbar an, traut sich aber nicht, etwas zu sagen.

Kein anderer Fahrgast hat etwas gesagt. Warum, warum sind alle so still? Haben sie keine Freundin, Schwester, Partnerin, Mitschülerin, Tante, Kollegin, Mutter, Frau …? Wünschen sie sich nicht, dass diesen geholfen wird, wenn sie in solche Situationen geraten? Ist Scham etwa auch auf der Seite der Zuschauenden? Ist herablassendes, respektloses Verhalten gegenüber Frauen und Mädchen salonfähiger als das Einstehen für Menschenrechte, die bekanntlich auch für Frauen und Mädchen gelten?

Aus Erfahrung sage ich, dass es sich lohnt, es anzusprechen. Es ist befreiend, es regt den Kreislauf an, macht wach und aufmerksam. Deshalb, Frauen und Mädchen, werdet laut! Wir haben ein Recht darauf, uns einzumischen! Männer und Jungen, wenn ihr Zeugen seid, denkt daran, dass es eure Freundin, Schwester, Partnerin, Mitschülerin, Tante, Kollegin, Mutter, Frau ... sein könnte und handelt in ihrem Namen. Bezieht Position, mischt euch ein. Alles andere sind nur Lippenbekenntnisse.

Susanne Böcker, 54, Förderlehrerin, Münster

+++ Scheherazade

Ich fahre auf eine Bloglesung nach Frankfurt. Der letzte Zug nach Hause fährt schon um kurz nach zwölf. Der Freund eines Bekannten, ein Mann, Mitte vierzig, bietet mir an, mich mitzunehmen. Die Fahrt sollte etwa eine Dreiviertelstunde dauern, doch wir sind schon mehr als zwei Stunden lang unterwegs. Er habe sich verfahren, sagt er, und findet den Weg nicht mehr. Wir fahren durch dunkle Dörfer und über die Berge in den Wald. Auf einer Bergkuppe hält er an und sagt, die Nacht sei so schön, wir sollten spazieren gehen.

Die ganze Fahrt über habe ich von meiner Familie erzählt, von der Schule. Jetzt habe ich ein komisches Gefühl. Aber ich rede weiter, erzähle und erzähle. Nach einigen Metern kehrt er um, sagt, wir sollten vielleicht doch weiterfahren. In einer Kneipe in der Nähe meines Elternhauses trinken wir noch ein Bier. Ich rede immer weiter und habe irgendwann – vielleicht damals schon, vielleicht auch erst heute – so ein mulmiges Gefühl, als solle hier etwas vergessen werden, das gar nicht passiert ist.

Nora Lessing, 28, Studentin und freie Journalistin

+++ Die Nagelfeile

Als junges Mädchen fühlte ich mich stark und frei. Wir wohnten in einem Vorort von Hamburg, und ich fuhr oft mit der U-Bahn in die Stadt und zurück. Einmal, abends, sah ich schon beim Ausgang drei Jugendliche, die für mich sofort Gefahr ausstrahlten. Ich rief meinen Vater an – Handys waren damals noch nicht verbreitet –, ob er mich abholen könne, da wären seltsame Typen. Nein. Ich ging also los, und sie machten ihre sexistischen Sprüche. Ich klingelte an einer Haustür, wurde eingelassen und durfte noch einmal meinen Vater anrufen, der aber meinte, ich könne doch die zehn Minuten zu Fuß gehen. Um die Kurve waren die Typen noch da. Zum Glück hatte ich meine Nagelfeile in der Manteltasche vergessen. Die rammte ich dem mittleren zwischen die Beine. Sein Geheul lenkte die beiden anderen ab, und ich habe geduckt irgendwie einen Hürdenlauf durch die Vorgärten nach Hause geschafft – Adrenalin. Meine Eltern haben diese Geschichte immer vergessen.

Ein anderes Mal, lesend in der Regionalbahn, merkte ich, dass der Mann mir gegenüber onanierte. Ohne Nachzudenken habe ich ihm meine Zeitung um die Ohren gehauen und geschimpft. Ich ging empört davon und durch den Zug und bemerkte erst da, dass es keinen weiteren Fahrgast gab.

Ein anderes Mal habe ich mich leider nicht verteidigen können. Auf dem Weg von der U-Bahn, auf einem Fußweg neben der Straße, sprach mich ein Mann an, und ich sah in seinen Augen sofort, dass er mir etwas antun wollte. Ich war so unwissend, dass ich seinen Satz: „Ich will an deine Mäuse“, nicht so verstanden habe, wie er es wohl meinte. Ich habe beruhigend geredet, an alles gedacht, was ich über Vergewaltigung gelesen hatte, versucht, ihn näher zur Straße zu lotsen, aber er hat es geschafft, sich an meinem Bein zu befriedigen und ging hochmütig davon: „Mehr wollte ich doch gar nicht!“ Die Polizei wollte dann nicht zur U-Bahn, um ihn noch zu schnappen, sondern hat meine Personalien aufgenommen. Überhaupt wäre es in ihren Augen gar keine Vergewaltigung. Die Demütigung habe ich jahrelang nicht verwunden. Ohne die Frauenbewegung, die damals stark war, wäre ich gar nicht darüber hinweg gekommen. Meine Familie und mein Freund fanden, dass ich nach etwa sechs Wochen wirklich hätte darüber weggekommen sein müssen. Nein! Vergewaltigung bedeutet lebenslänglich für die Frau, die sie erleidet.

Die Autorin möchte anonym bleiben. Sie ist 61 Jahre alt

+++ Kickboxen

Ich gehe in einer Sommernacht allein nach Hause, obwohl meine Freunde mir sagen, das sei bescheuert – damals weigere ich mich noch, bei jedem nächtlichen Spaziergang mit einer Vergewaltigung zu rechnen. Da merke ich, wie ein weißer Transporter neben mir langsamer wird. Der Fahrer ruft aus dem Fenster: „Soll ich dich mitnehmen?“ Erst ignoriere ich ihn, als er noch einmal fragt, sage ich: „Nein danke“ und gehe schnell weiter. Der Typ fährt rechts ran, steigt aus, stellt sich mir in den Weg und sagt: „Komm schon, ich nehme dich mit.“ Ich sage wütend: „Nein danke!“ und versuche, an ihm vorbeizugehen. Er packt mich, ich schubse ihn weg und renne weiter. Er steigt zurück ins Auto und fährt weiter, langsam.

Sonst ist niemand auf der Straße, ich kann nirgends abbiegen, trage zu allem Überfluss Flipflops. Ich vergesse, dass ich ein Handy habe.

Der Fahrer steigt wieder aus, rennt hinter mir her, ruft „Komm mit mir mit!“, packt mich von hinten, greift mir zwischen die Beine. Ich spüre seinen Speichel in meinem Gesicht. Mein unglaubliches Glück: Kurz zuvor hatte ich beim Kickboxen Ellenbogenhaken geübt. Fun Fact: Einige meiner Freunde wollten mir das Boxen ausreden, „weil es unweiblich ist“. Ich wende also meine neu erworbenen Fähigkeiten an, das bringt ihn erst mal aus dem Konzept, ich kann mich lösen und wegrennen. Als ich mich umdrehe, sehe ich, dass er zurück ins Auto steigt und links in eine kleine Straße abbiegt. Als er außer Sichtweite ist, verstecke ich mich auf einem Parkplatz hinter einem Auto, weil ich das Gefühl habe, dass er noch nicht aufgegeben hat. Tatsächlich sehe ich den weißen Transporter aus der nächsten Seitenstraße kommen und langsam die Straße abfahren. Er entdeckt mich nicht und fährt schließlich in Richtung Autobahn davon.

Da ich in keiner Sekunde auf das Nummernschild geachtet habe und dem Täter nicht ins Gesicht sehen wollte, bin ich nicht auf die Idee gekommen, Anzeige zu erstatten. Ich habe es meinen Freunden erzählt, nicht aber meinen Eltern – ich wollte nicht, dass sie mir irgendwas verbieten.

Helena K. aus Krefeld

+++ Wut zulassen

Ich war zwanzig Jahre alt, Studentin, studierte Betriebswirtschaft in Berlin. Ich hatte lange blonde Haare, ich bin klein, sportlich. Es passierte in der U-Bahn, später Nachmittag. Im Abteil machte sich eine Gruppe Arabisch sprechender junger Männer lautstark bemerkbar. Als ich an der Osloer Straße ausstieg, folgten sie mir und riefen mir „Du Schlampe, du Fotze!“ hinterher. Ihr Verhalten ärgerte mich sehr, doch ich sagte nichts, ging weiter. Auf der Rolltreppe stellten sie sich dicht hinter mich. Dann fasste einer mir an den Hintern und rieb seine Hand. Das war zu viel. Schlagartig erfasste mich tiefe Wut, ganz körperlich, ich drehte mich um. Aus der Drehung verpasste ich dem Typen einen perfekten Kinnhaken mit der rechten Faust. Der Mann taumelte nach hinten, und ich sah Angst in seinen Augen. Diesen Blick habe ich nie vergessen. Ich hatte bislang nur einmal meinen weitaus größeren stärkeren Bruder einen Kinnhacken verpasst und wusste deshalb um die Wirkung. Ich war immer noch sehr wütend. Inzwischen hatten sich die anderen Männer um mich geschart. Doch sie schienen etwas irritiert, sie beschimpften mich, hielten aber Abstand. Ich schimpfte zurück. Ein Passant, ein älterer Mann in Anzug griff ein, stellte sich vor mich, befahl den Typen aufzuhören und wegzugehen. Auch ihn beschimpften die Männer, zogen sich dann doch zurück. Später, ohne Adrenalin, bekam ich weiche Knie, aber – boah – ich fühlte mich so gut, ich habe mich gewehrt. Es ist gut gegangen.

Lena Banak, 37, Betriebswirtin

+++ Glauben

Eine Leserin fragte in einem Brief an die Redaktion, wie wir die Berichte der Frauen verifizieren, denn das Grundprinzip des Journalismus will, dass jede Aussage kritisch betrachtet wird. Nur, wie können wir prüfen, ob die Frauen das, was sie erlebt haben, erlebt haben?

Wer den Selbstzeugnissen der Frauen nicht glaubt, setzt fort, was ihnen beklagenswerterweise immer noch und immer wieder passiert: dass man ihre Aussagen in Zweifel zieht.

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21 Kommentare

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  • Wie kann eine Frau sich vor einer vergewaltigung oder Schlägen schützen?

    Grundlagen der Selbstverteidigung sollte man schon kennen. Dazu gehört nicht nur Schlagen und Treten.

     

    Grundsätzlich hat eine Frau in einem Kampf gegen einen Mann kaum Chancen. Es gibt allerdings einige wenigen Punkte am Körper eines Mannes, die eine Frau für Selbstverteidigung kennen muss. Viele Menschen wissen auch nicht, wann eine Selbstverteidigung zur Aggression rübergeht und starfbar wird, das betrifft aber eher Männer.

     

    Vieles hängt von der einzelnen Situation und der Umgebung ab. Gibt es andere Menschen in der Nähe? Gibt es Steine, Flaschen oder Stöcke in der Nähe, die für eine erfolgreiche Selbstverteidigung wichtig wären.

     

    Das Ziel ist es, dem Täter zu entkommen. Schreien und Aufmerksamkheit der Mitmenschen erwecken ist die Hauptwaffe, wenn ein Mann handgreiflich und gewaltsam geworden ist.

     

    Warum würde nahezu jeder Mann helfen? Weil Männer haben Töchter, Ehefrauen, Schwestern und Mütter und wollen nicht das ihnen so etwas passiert.

     

    Um die Situation einzuschätzen und und zu kontrollieren redet man mit dem oder den Angreifern. Das raten einige Eliteeinheiten in den Situationen wo jemand ein Messer gezogen hat und es gibt weder einen Flüchtweg noch Menschen in der Nähe.

     

    Angst muss überwunden werden. Angst ist das, was die Täter ausnutzen. Und Angst ist das, was in einem Fall, wo es zu Selbstverteidigung keine Alternative gibt, ein lebensbedrohender Feind, denn Angst macht Bewegungen (Ausweichungen, Schläge, Tritte, Blöcke, Würfe etc.) langsam und unsicher.

     

    Frauen müssen lernen, laut "Nein" zu sagen und auf eine Belästigung aufmerksam machen. Am besten soll eine betroffene Frau einem Belestiger aus dem Wege gehen und zum Beispiel in einer Bahn weiter gehen, wo mehr Menschen sind.

  • Gewalt ausgesetzt zu sein ist sowohl für Mädchen und Jungen, als auch für Frauen und Männer eine alltägliche Erfahrung. Allerdings ist es ein Spezifikum, dass die sexualisierte Form in der Öffentlichkeit vor Allem Menschen weiblichen Geschlechts betrifft. Und von männlichen ausgeübt wird. Wer übergriffig agiert, hat nicht gelernt seine Emotionen zu regulieren. Entweder durch fehlende gute Vorbilder (in erster Linie schlechte, inkompetente Eltern) oder durch eigene Gewalterfahrungen. Diese können physischer, emotionaler oder sexualisierter Natur sein. Eine Mutter, die sich ihre sexuellen Bedürfnisse durch ihren kleinen Sohn erfüllen lässt handelt genauso destruktiv wie eine, die ihre Aggressionen an ihrem Jungen auslässt sobald keiner hinguckt. Da Mädchen und Frauen in unserer Gesellschaft das "Opferabo" haben und als das "sanftmütige und fürsorgliche" Geschlecht wahrgenommen werden, ist es für sie ganz einfach, nach unten zu treten und nach oben hin zu kuschen. Oder drastischer ausgedrückt: von den Jungen und Männern, die öffentliche Sexualprotzereien und Übergriffe auf Mädchen und Frauen verüben, hat ein Gutteil als Kind zu lange und zu häufig zwischen den Beinen seiner Mutter gelegen. Und zwar mit dem Gesicht nach unten. Dies ist für einen Jungen genauso gruselig und traumatisierend wie für ein Mädchen, wenn es von einem männlichen Angehörigen sexuell missbraucht wird. Nicht umsonst gilt "Motherfucker" unter (jungen) Männern als eines der schlimmsten Schimpfwörter.

    Der Kinder- und Jugendpsychiater Andreas Krüger hat in einem Interview erläutert, auf welche Weise aus einem kleinen Jungen mit Potential ein Terrorist wird http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-130630569.html Um Terror auszuüben muss man(n) sich nicht den IS anschließen. Es reicht unser ganz normaler Alltag.

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • Es bleibt eine Schande für unsere Gesellschaft, daß Mädchen und Frauen auf dem "Heimweg" (nehme das als Metapher für Wege im Dunkeln oder in der Ödnis, in der Menge auf einem Platz oder in der U-Bahn ...) Angst haben müssen. Bedrohungen sind auch Männer auf dem "Heimweg" ausgesetzt - aber es gibt einen gewaltigen, qualitativen Unterschied. Die Wahrscheinlichkeit, vergewaltigt zu werden, ist gering. Was also ist bei uns los? Wir dürfen uns nie damit abfinden, so lange, bis die Verhältnisse verbessert sind! - Allerdings: so lange unsere Gesellschaft patriarchalisch "beherrscht" ist, halte ich es nicht für überflüssig, wenn Mädchen und Frauen Selbstverteidigungskurse belegen. Spezielles Situationstraining ist auch gut - oft läßt sich die Situation mit gezieltem Verhalten und Sprechen zugunsten der Bedrohten verändern. Deshalb halte ich es für sehr theoretisch, zu sagen: "Warum sollen wir Frauen uns auf diese permanent bedrohliche Situation einstellen?" - wenn sich doch die Gesellschaft immer noch nicht zum Besseren verändert hat.

  • Nach dem anonymen Bericht der 61-Jährigen Frau musste ich aufhören, zu lesen, weil diese Bericht so schmerzen. Und noch so Vieles mehr. Es tut mir leid, was den Frauen alles angetan wurde -und das meine ich nicht als leere Worte, es schmerzt wirklich.

  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    "Wer den Selbstzeugnissen der Frauen nicht glaubt, setzt fort, was ihnen beklagenswerterweise immer noch und immer wieder passiert: dass man ihre Aussagen in Zweifel zieht."

     

    Das tut der Rechtsstaat bei jeder Anzeige wegen sexueller Gewalt. Zurecht. Wörtlich: Zu Recht.

  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    (fast)JederMann (ausser Obdachlose gelten nicht als Männer oder Frauen) haben einen Weg nach Hause. Auch nachts. Manchmal geht es durch belebte Straßen, manchmal vorbei an dunklen Ecken. Manchmal treffen die Männer auf Gruppen von Männern oder Männern und Frauen, was gut oder schlecht sein kann, manchmal gehen sie einsame Wege entlang, wo jedes Knacken Gefahr bedeuten kann

     

    okay, männergruppen, gemischte gruppen oder einzelne männer können also eine gefahr darstellen. insofern sind die frauen nachts zumeist ungefährlich, wen sie nicht gerade bock darauf haben das ihre männliche bekleitung sich beweisen soll, indem er andere männer für sie zusammenschlägt. zumindest in europa ist das so, gut erkannt.

     

    aber was soll die konsequenz davon sein? mehr polizei und überwachung in den straßen, die wie bei dem einen geschilderten fall dann doch nicht helfen wollen?

    todesmutige männer, die sich für die belästigten und unbekannten frauen ins messer des angreifers werfen? what is the point? ich weiß es echt nicht...

    vielleicht helfen selbstverteidigungskurse, vielleicht hilft eine sensibiliserung, vielleicht hilft ein anderes frauen und männerbild- da müssten die frauen aber halt auch willens sein daran mitzuarbeiten.

     

    die hier beschriebenen fälle sind ja sehr unterschiedlich- von krass bis möglicherweise überinterpretiert ist alles dabei.

     

    aber irgendwo kapiere ich den trugschluss nicht, das männer im allgemeinen denn einfluss auf andere stumpfe männer hätten, das zu unterbinden, oder männer sich im allgemeinen nur nach anderen männern im verhalten orientieren würden. ganz nach dem motto: " männer, regelt das mal für uns!"

  • Meine Freundin wohnt seit sechs Jahren am Görlitzer Park. Seit zwei Jahren betritt sie ihn nicht mehr. Jetzt sucht sie eine neue Wohnung in einem anderen Stadtteil.

     

    Die Belästigungen durch die ständig dort anzutreffenden Eckensteher ist ihr zu viel.

  • 1G
    12294 (Profil gelöscht)

    @ Laughin Man Eine derart schwachsinninge Pauschalisierung kommt nicht einmal von den Frauen, die im Artikel berichten, obwohl man das da vielleicht noch verstehen könnte.

     

    @taz: Frage: Gibts das dann auch für Männer? #ausnahmslos

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    "Wer den Selbstzeugnissen der Frauen nicht glaubt, setzt fort, was ihnen beklagenswerterweise immer noch und immer wieder passiert: dass man ihre Aussagen in Zweifel zieht."

     

    Man(n) MUSS also allen Aussagen Glauben schenken, weil sie von Frauen kommen!? Wir leben - so hoffte ich bisher - in einem Rechtsstaat. Da haben weder Männer noch Frauen die Wahrheit gepachtet und sind daher auch nicht über jeden Zweifel erhaben.

     

    Selbstzeugnisse sind nun mal etwas anderes als Aussagen im Sinne einer Anklage, weshalb letzteren selbstverständlich mit Skepsis zu begegnen ist.

     

    Die Selbstzeugnisse sollen indes belegen, wie schlimm es um sexualisierte Gewalt in unserer Gesellschaft bestellt ist. Gut so!

     

    Da bräuchte es weitaus mehr davon, damit ein bestimmter Typ Mann endlich mal aufwacht. Dieser Typ ist aber keineswegs durch die hier benannten Täter erschöpfend beschrieben, welche - bis auf den "verhinderten" "Mittelschichts"fall - entweder den Millieus testosterongesteuerter Jung-Machos oder sexuell Gestörter entstammen.

     

    Das Problem ist ein gesamtgesellschaftliches und die Täter kommen nicht zuletzt aus der Mitte der Gesellschaft, was angesichts der Köln-Hysterie offenbar gerne verdrängt wird.

    • @849 (Profil gelöscht):

      M. E. wird hier aber etwas ausgeblendet, was die Zustände verschärft haben dürfte, nämlich die Maßnahme es eher zu verschweigen, wenn Asylbewerber usw. an Straftaten beteiligt waren und man muss sich ehrlicherweise fragen ob es die Spaltung eher forciert hat. Das sollte wirklich auch mal reflektiert werden, denn ich befürchte, dass genau das zu Überteibungen auf der anderen Seite führt.

      • @streitbar:

        Auf welcher Seite?

        • @Karl Kraus:

          Ich versuche mal eine Antwort. Meines Erachtens gibt es auf der einen Seite die ständigen Verharmloser und auf der anderen Seite die Dramatisierer. Das sind zwei Pole die sich permanent auch hochpushen. Von den Intelligenteren erhoffe ich ein Verstehen dieser sich gegenseitig beeinflussenden Pole. Wichtig ist doch die Dinge beim Namen zu nennen, vor allem auch sexuelle Übergriffe nicht zu bagatellisieren. Wenn dann davon zu hören ist, dass die Polizeikräfte angehalten waren, Einträge über die Herkunft zu streichen, was möglw. beim Erkennen der Gefährdenlage hätte helfen können, wenn die öffentliche Wahrnehmung durch eigene Erlebnisse nicht mehr mit der übereinstimmt, wie sie auch übermittelt wird, dann verschärft es das Problem. Auf der einen Seite, weil die Wahrheit nicht erkannt werden kann, ausgeblendet wird und auf der anderen Seite, weil dadurch die Mutmaßung eintritt, dass das Problem noch viel größer ist. So etwas vergrößert das Angstgefühl, das Vertrauen in den Rechststaat geht verloren und es führt vermehrt dazu, dass das Recht selbst in die Hand genommen wird. An diesem Punkt stehen wir gerade, nach meinem Empfinden.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @streitbar:

        Wer auch immer etwas in dieser Hinsicht tut: er wird patriarchal konditioniert sein. Ich wende mich daher gegen das Getue, in unserer Gesellschaft wäre das kein Thema (mehr), aber in den Gesellschaften, woher die Flüchtlinge kommen umso mehr. Ich glaube nicht an eine qualitative (kulturelle) Verschiedenheit zwischen "denen" und "uns" und halte Aussagen diesbezüglich für Abwehr der eigenen unbewussten Schuld.

        • @849 (Profil gelöscht):

          Teil 3: Ich blende auch die Gewalt in den nichtmuslimischen Familien nicht aus. Es muss gesehen werden, dass dieses das Opferempfinden sehr verstärkt und dass dieses Gewalt und auch Kriminalität forciert, dieses auch wieder eher bei den männlichen Opfern, andere neigen zur Untertänigkeit eher und es kann sehr schnell sichtbar werden, wie autoritäre Systeme so auch gefüttert werden. Es gilt das Recht des Stärkeren, angefangen in der Kindheit. Und da muss angesetzt und Prävention einsetzen. Prävention bedeutet vor allem unterstützende Hilfe zur Selbsthilfe denn eingeprägte Familiensysteme sind nicht leicht zu verändern, aber der Kampf muss aufgenommen werden. Das passiert aber nur, wenn endlich ehrlich und offen hingeschaut wird, auch Traumatisierungen zunehmend verhindert werden. Das betrifft auch religiöse, kulturelle Rituale vor Volljährigkeit.

        • @849 (Profil gelöscht):

          Teil 2: Was ich in Deutschland als das größte Problem ansehe insgesamt, ist das Wegschauen bei Problemen, das zieht sich doch wie ein Faden durch all diese Problembereiche und es trifft vor allem immer die Schwächsten, die Kinder. Wenn es um Gewalt gegenüber Kinder durch Väter und Mütter geht, wo viel zu oft weggeschaut wird, wenn es um religiöse Gewalt geht gegenüber Kindern (Mädchen wie Jungen) und eben auch gegenüber Frauen, aber ja auch durch sie. Es wird sträflich weggeschaut, wenn es um sexuelle Gewalt gegenüber Kindern und Frauen geht (der Film: „Operation Zucker, Jagdgesellschaft“, bis zum April 2016, immer ab 20.00 Uhr in der Mediathek des Ersten zu sehen und dringlich zu empfehlen, da dieser Film einen Tatsachenfilm darstellt und die Realität noch viel schlimmer ist, macht es auf eindringliche Weise sichtbar). Es wird weggeschaut und nicht durchgegriffen, es wird immer noch keine Prävention an Schulen gesetzlich umgesetzt, Straftaten, vor allem sexueller Natur bagatellisiert und dies in Deutschland vorhandene Problem wird sich weiter verschärfen, wenn dieses nicht auch so benannt wird. Schluss mit der Toleranz an diesen Stellen, keine falschen Rücksichtnahmen auch in muslimischen Familien, wenn es um körperliche Züchtigung als Erziehungsmaßnahme geht. Laut einer Studie sind muslimische Jugendliche mehr Gewalt ausgesetzt, das darf nicht mehr ausgeblendet werden.

          • 8G
            849 (Profil gelöscht)
            @streitbar:

            Das Wegschauen scheint mir für fast alles zu gelten, was wir Gesellschaft nennen. Es werden für mein Dafürhalten ein paar Randprobleme "gehypt" (z.B. Schwule und Lesben, Gleichberechtigung der Frau), aber das wirklich wichtige Thema Verarmung der Massen und "Verreichung" der Pseudoelite und die daraus resultierende Chancenungleichheit wird nicht tangiert. Wir sind kaum eine Gesellschaft mehr, allenfalls eine in Auflösung begriffene, dekadente. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass sich Partikularinteressen auch bei wichtigen Themen durchsetzen und gesamtgesellschaftliche Interessen keine Rolle (mehr) spielen.

        • @849 (Profil gelöscht):

          anwort 1: Meine Einschätzung ist die, dass die Frauenverachtung bzw. -unterdrückung zumindest hier doch wenigstens eher nicht gesellschaftlich akzeptiert ist und das finde ich positiv und das finde ich wichtig, genau so auch zu benennen, diesen Unterschied, zu einem nicht geringen Anteil an Männern die nach Deutschland gekommen sind, aber auch hier schon Alteingesessener. Wer das ausblendet vertuscht. Auf der anderen Seite bin auch ich der Überzeugung, dass auch hier das Patriarchat noch lange nicht überwunden ist, da mache auch ich mir nichts vor, und ich gehe auch so weit, zu sagen, dass die Wahrnehmung der Gewalt gegenüber Frauen durch Männern aus muslimischen Kulturkreisen mehr wahrgenommen wird, vor allem auch deshalb, weil sie öffentlich so zur Schau gestellt wird. Sie wird ja nicht verheimlicht sondern kommt wie eine Selbstverständlichkeit daher, was auch die Wut anfachen wird. Das finde ich auch wichtig zu sehen und sich an dann dieser Stelle auch zu fragen, in wessen Verantwortlichkeitsbereich das fällt? Auch Zwangsehen und sogar möglicherweise teilweise auch mit Minderjährigen, Ehrenmorde und das nicht erkennen können, dass aus diesen Kreisen genug dagegen getan wird, macht auch wütend, vor allem was die Imame und Moscheen betrifft. Und da sehe ich eben auch die politisch unterfütterten Machteinflüsse und eben eine Erziehung dahingehend, nicht kritisieren zu dürfen, eine einschüchternde, unterdrückende Erziehung.

          • 8G
            849 (Profil gelöscht)
            @streitbar:

            " Meine Einschätzung ist die, dass die Frauenverachtung bzw. -unterdrückung zumindest hier doch wenigstens eher nicht gesellschaftlich akzeptiert ist"

             

            Ich denke, das hängt sehr von der gesellschaftlichen Schicht ab, die Sie betrachten. Für die anderen Schichten gilt, dass deren Anspruch das Problem längst überwunden zu haben nichts über dessen tatsächliche Überwindung aussagt.

  • [...] Beitrag entfernt. Bitte keine Pauschalisierungen. Die Moderation

    • @Laughin Man:

      Also,

      's war irgendwann in den 70ern, als ich (♂) mir angewöhnte, wenn ich in der Stadt bei Dunkelheit oder in einsamen Gegenden auch tagsüber durch Zufall plötzlich hinter einem Weib herging, einfach die Straßenseite wechselte.

      Will damit sagen, Diskurs über 'Männer als potentielle Verwaltiger' (in dieser Verallgemeinerung/Einschränkung find ich's heute noch bescheuert) wurde schon vor 'Ur'-Zeiten geführt, ist dann aber über eine ganze Generation hin - weshalb wohl? - aus dem Blick geraten.

      Und jetzt wird's auf einmal mit den Brandbeschleunigern 'Flüchtlinge', 'Migranten', 'Islam', . . . wieder hochgekocht und mann wundert sich, wer da alles so mit im Topf rumrührt.

      Um was geht's denen den eigentich wirklich?

    • @Laughin Man:

      Ach du grüne Neune.......