: An der Grenze des Aushaltbaren
Legenden Fraktus spielen in Berlin und zeigen, dass sie die einzig wirklich wahren Godfathers of Techno (und Internet) sind
Die holzvertäfelten Wände des Astra Kulturhauses verbreiten ein altmodisches Tanzdielenflair und wirken in dem schummrigen Licht wie die Kulisse eines David-Lynch-Films. Dass die Band Fraktus ihre ersten Konzerte Ende der 70er in dieser Location gespielt haben könnten, scheint durchaus denkbar – hätte es das kuriose Trio zu diesen Zeitpunkt tatsächlich gegeben.
Fraktus, die Band um das auch als Studio Braun bekannte komödiantische Dreigestirn Rocko Schamoni, Jacques Palminger und Heinz Strunk, feierte 2012 mit der Mockumentary, „Fraktus – Das letzte Kapitel der Musikgeschichte“, ihr fiktives Comeback. Mit ihrem zweiten Album, „Welcome To The Internet“, beanspruchen die „Erfinder des Techno“ nun auch die Erfindung des Internets für sich.
Ein Flachmann wäre gut
Das Astra ist ausverkauft, das Publikum so heterogen wie skurril. Die einen trinken lallend kalten Glühwein aus Flaschen. Eine Gruppe Frauen tänzelt mit pailettenbesetzten Blazern und Bommelhaarreifen kichernd vorbei. Neben ihnen zitiert eine Gruppe Männer in norddeutschem Schnack Studio-Braun-Sketche. Ein Flachmann Mariacron wäre sicher nicht verkehrt gewesen, wenn man so an einen alten legendären Song der Studio-Braun-Combo zurückdenkt, der jener Weinbrand-Marke huldigt.
Der Merchandise-Stand ist das erste Highlight: Neben T-Shirts mit My-Little-Pony-Aufdruck unter dem „Freunde sind Friends“ steht, bietet das Fraktussortiment die praktische Bananensäge, Smirkey, den krümelfreien Autofahrerkeks, und Highspeed-Internetcreme – „streamt drahtlos in alle Schichten und verhindert speckige Verschlüsse und Schluckfalten aller Art“.
Mit blitzender Lasershow betreten Bernd Wand (Jacques Palminger), Torsten Bage (Heinz Strunk) und Dickie Schubert (Rocko Schamoni) effektheischend die Bühne, die Gesichter unter den grünen LED-Helmen dramatisch erleuchtet. Die ersten überdimensionierten Oma-Schlüpfer fliegen von Fanseite auf die Bühne – das letzte Fraktus-Konzert ist eben schon etwas länger her.
Die Hitsingle „Welcome To The Internet“ eröffnet das klamaukige Spiel zwischen Ironie und Bierernst, das auch gerne mal knapp an der Grenze des Aushaltbaren vorbeischlittert. Dickie Schuberts Ansagen beschwören Codo und die Neue Deutsche Welle herauf, während Bernd Wands verzerrte Vocoder-Stimme die Künstlichkeit der Band auf eine Metaebene hebt. Torsten Bage läutet passioniert und versiert die Ära des Querflöten-Techno ein, die dem nervtötenden Saxofon-House der letzten Jahre vielleicht bald ein Ende bereiten dürfte.
Die starre Inszenierung von Kraftwerk, die stampfenden Gleichförmigkeit von DAF, in manchen Momenten ein bisschen Talking Heads, dann wieder eher Scooter, Fraktus verstehen das Spiel mit der „Referenzhölle Pop“, wie Thomas Meinecke sagen würde.
Scheiß auf Seriosität
Der übertriebenen Seriosität der Elektronikavantgarde wird der Spiegel vorgehalten. Die Musik ist dabei stellenweise sogar ganz gut, trägt aber nicht über die Länge eines Konzerts. Ob eine zweite Tour und ein zweites Album wirklich nötig gewesen wären, oder ob man doch manchmal einfach aufhören sollte, wenn’s am schönsten ist, sei dahingestellt. Laura Aha
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen