piwik no script img

„Das führt zu Frustrationen“

PODIUM Experten diskutieren, wie die Arbeitswelt in den Medien dargestellt und vermittelt wird

Uni Münster
Volker Gehrau

49,Kommunikationswissenschaftler an der Uni Münster. Er beschäftigt sich mit dem Zusammenhang von Medien-Entwicklung, Medien-Nutzung und Berufsorientierung.

taz: Herr Gehrau, welche Auswirkung hat das Fernsehen auf die Berufswahl?

Volker Gehrau: Das Fernsehen liefert vor allem Rollen-Modelle, an denen sich Jugendliche orientieren.

Welche sind das?

Im deutschen Fernsehen sieht man fast nur Gesundheitsberufe oder Polizisten. Es gab einen relativ großen Effekt, den „CSI-Effekt“: Früher war die Gerichtsmedizin ein relativ unbeliebtes Berufsfeld, nach Aufkommen der Serie „CSI“ wurde es immer beliebter. Ähnlich ist es mit den Koch-Shows.

Tatsächlich?

Ja, und das führt auch zu Frustrationen: Im Fernsehen sieht es immer gut aus, de facto muss man in der Küche auch Gemüse putzen und sauber machen. Das Bild im Fernsehen ist nicht realistisch. Andererseits wird die Wahl des Berufsfeldes immer eingeschränkter. Denn etwa das Handwerk hingegen, das produzierende Gewerbe, Ingenieure –all das findet in der deutschen Fernsehwelt nicht statt.

Und in TV-Produktionen anderer Länder?

International sind die Berufsfelder, die im Fernsehen vorkommen, viel größer. Gucken Sie sich die preisgekrönten Serien an, die man nur auf den privaten Sendern oder über den Internet-Streaming-Dienst Net­flix schauen kann: „Sense 8“, oder „Big Bang Theory“ – da gibt es auch viel Gesundheitsberufe und Polizisten aber auch Wissenschaftler oder Anwälte. Die derzeitig Fiction-Produktion in Deutschland ist einfallslos. Und in der Folge wollen immer mehr Jugendliche in die Top-Ten-Berufe – was ein grundlegendes Problem ist.

Warum?

Die Primär-Erfahrung geht zurück. Das heißt: Jugendliche wissen zum Beispiel nicht mehr, was ein Tischler macht. Sie wissen nicht mehr so genau, was ihre Eltern machen. Und es gibt zudem auch Berufe und Tätigkeiten, für die es kein gutes Label gibt.

„Ich mache Projektarbeit ...“?

Genau: Was sagt das über meinen Beruf aus? Die Medien füllen diese Lücke. Und mich treibt die Frage um, wie man Jugendliche auf andere Ideen bringen kann.

Interview: jpb

18 Uhr, Kultursaal der Arbeitnehmerkammer, Bürgerstr.1

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen