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Arbeitsintegration von GeflüchtetenRunter mit den Erwartungen!

Wer die Arbeitsintegration von Flüchtlingen beurteilen will, muss ihre subjektive Anpassungsleistung sehen – und die ist oft enorm.

Arbeit in der Holzwerkstatt: „Internationale Förderklasse“ am Berufskolleg Mitte in Recklinghausen. Foto: dpa

Berlin taz | Die Zahl machte sofort die Runde: 70 Prozent der Flüchtlinge aus Kriegs- und Krisengebieten, die im September 2013 eine Ausbildung im Handwerk in München und Oberbayern begannen, haben diese abgebrochen, schrieb die Welt. Aha, da sieht man es, so einfach ist es eben doch nicht mit der Integration, war die implizite Botschaft dieser Nachricht. Allein: Die Zahl stimmte nicht.

Die hohe Abbruchquote bezog sich auf den Jahrgang 2012, so korrigiert ein Sprecher der Handwerkskammer für München und Oberbayern auf Nachfrage. Von den Auszubildenden aus Syrien, dem Irak, Afghanistan, Eritrea und anderen Kriegs- und Krisenstaaten, die im September 2013 eine Ausbildung im Handwerk in Oberbayern anfingen, brachen nur 40 Prozent ihre Lehre ab.

Von denjenigen, die erst im Jahr 2014 eine Lehre starteten, beendeten bislang sogar nur 30 Prozent die Ausbildung vorzeitig. Nun können sich bei den späteren Jahrgängen die Abbruchquoten noch erhöhen, aber eine Lehre wird, wenn, dann eher im ersten Jahr geschmissen. Einen so hohen Abbruchwert wie bei den ersten Lehrlingen vom Jahrgang 2012 werden die späteren Azubis nicht mehr erreichen. Der Trend ist positiv.

Die Diskussion um die Ausbildungsverläufe zeigt: Diese Zahlen sind immer politische Zahlen, heikle Zahlen, die eine Antwort liefern sollen auf die Frage: Füllen Flüchtlinge mittelfristig die Fachkräftelücke oder bekommen wir nur Tausende von Hartz-IV-Empfängern, die in ghettoähnlichen Wohnanlagen alimentiert werden? Die Antwort lautet: Es wird beides geben. Die Flüchtlinge sind keine homogene, sondern eine sehr heterogene Gruppe mit höchst unterschiedlichen Voraussetzungen, persönlichen Möglichkeiten, Lebensumständen.

Biografien, Begabungen, Kontexte

Das sieht man heute schon: Einen langen Arbeitstag hat der Eritreer aus einer Gemeinschaftsunterkunft, der schon am frühen Morgen als Praktikant bei einem Bauunternehmer arbeitet und am Nachmittag vier Stunden in der Sprachschule Deutsch paukt. Seine Hoffnung ist ein Ausbildungsplatz im Bauhandwerk, wenn sein Deutsch gut genug ist.

Dann gibt es den syrischen Flüchtling, Jurist, der aber seine Kenntnisse aus Syrien in Deutschland nicht verwerten kann. Auch er lernt Deutsch und hofft auf eine Tätigkeit als Übersetzer in einer Behörde. Der Journalist aus Afghanistan mit Collegeabschluss lernt jetzt Koch, in seinem alten Beruf kann er mit den unzureichenden Deutschkenntnissen hier nicht arbeiten. Wo werden diese Leute in einigen Jahren tätig sein? Auf dem Bau, als Übersetzer in einer internationalen Organisation, in einem exklusiven Hotelrestaurant?

Die Beispiele zeigen, dass die vielen Tausenden Flüchtlingen, die aus humanitären Gründen ins Land kommen, natürlich nicht die flächendeckende Lösung sein können für die hiesige Fachkräftelücke in der Industrie und im Gesundheitsbereich. Es kommen Menschen mit Biografien, mit Begabungen, mit Kontexten.

Nach rückblickenden Erhebungen des Nürnberger Instituts für Arbeit (IAB) ist fünf Jahre nach Zuzug erst die Hälfte der Migranten aus Kriegs- und Krisenländern in Deutschland erwerbstätig. Erst nach zehn Jahren gleicht sich deren Erwerbsquote jener der Deutschen an, die bei etwa drei Viertel liegt. Überproportional sind diese Exflüchtlinge in der Hotel- und Gaststättenbranche, im Handel und in sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen tätig, weniger dagegen im verarbeitenden Gewerbe, auf dem Bau oder in der Gesundheitsbranche.

Viele tausende Asylbewerber können es schaffen, eine Ausbildung abzuschließen

In Schweden mit seiner sehr technisierten Wirtschaft sehen die Beschäftigungsquoten von Migranten aus Afrika und Asien ähnlich aus, obwohl diese gleich zu Beginn mehr gefördert wurden. Die Arbeitslosigkeit unter den Flüchtlingen wird wahrscheinlich in Deutschland im Durchschnitt über viele Jahre hinweg höher bleiben als unter Einheimischen.

Die hohen Erwartungen auf beiden Seiten, die Erwartungen auf Seiten der Flüchtlinge von leicht zugänglichen Jobs und Wohlstand einerseits und auf Seiten der Wirtschaft von lernwilligen, passgenauen Fachkräften andererseits, diese Erwartungen werden sinken müssen. Alle müssen Kompromisse machen.

Viele Tausende Asylbewerber aber können es schaffen, eine Berufsausbildung oder gar ein Studium abzuschließen und Arbeit zu finden, auch das sagt die Statistik. Um eine politische Bewertung abzugeben, muss man neben der allgemeinen daher immer auch die individuelle Betrachtung mit einschließen: Wer es als Flüchtling schafft, vollbringt eine einzigartige persönliche Anpassung- und Aufstiegsleistung, die man als Einheimische kaum ermessen kann.

Hürden, Stress, Widerstände

Die Neuankömmlinge haben oftmals in der Heimat Gewalt erlebt, sind hier ohne Angehörige und wohnen meist in einer Gemeinschaftsunterkunft ohne ruhige Lernatmosphäre, obwohl sie eine völlig neue Sprache und Schrift pauken müssen. Sie stehen unter Dauerstress wegen der Wartezeiten in einer unberechenbar wirkenden Bürokratie und leben in ständiger Armut. Ein bis zwei Jahre braucht ein junger Neuankömmling aus dem arabischen Raum, um die deutsche Sprache und Schrift so weit zu lernen, dass er oder sie eine Ausbildung anfangen kann. Auf die erste Zeit des Sprachunterrichts folgen drei Jahre Lehre oder Studium. Das macht vier bis fünf Jahre Ausbildung, ohne nennenswert Geld verdient zu haben.

Von der Bundesagentur für Arbeit ist zu hören, viele Flüchtlinge lehnten aus finanziellen Gründen eine Ausbildung ab und arbeiteten lieber in einem Hilfsjob, weil man mit dem Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde beim Burgerbraten mehr verdient als mit der Ausbildungsvergütung in einer Mechatronikerlehre. Nicht selten drängen auch die Verwandten in einem afrikanischen Heimatstaat, das nach zwei Jahren endlich mehr Geld geschickt werden muss, zumal oft Schulden gemacht wurden, um die Schleusung zu bezahlen.

Fünf Jahre lernen für kaum Geld, für wenig Anerkennung und jede Menge Diskriminierung: Das durchzuhalten, würde auch Deutschen schwerfallen. Im Ausland, auf sich allein gestellt, ausgeliefert einer fremden Sprache und Schrift. Aber wir müssen ja nicht migrieren. Die Welt kommt stattdessen zu uns. Es ist ein Privileg, das wir noch zu wenig schätzen.

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30 Kommentare

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  • "Die Welt kommt zu uns. Es ist ein Privileg, das wir noch zu wenig schätzen." Bei diesem Schluss-Satz bin ich platt! Denn wie der Autor mit Daten & Fakten ausführt, kommt nicht die gut ausgebildete, Deutsch oder wenigstens Englisch sprechende Welt, sondern überproportional die Negativauswahl - verständlicherweise, da es ja um Flüchtlinge oder um selbsternannte Einwanderer aus unterentwickelten Ländern geht. Worin besteht angesichts dieser sozialen und finanziellen Langzeitbelastung für Deutschland nun unser "Privileg"?

  • Den sog. Fachkräftemangel gibt es nicht. Ich hatte einen Bildungsgutschein für eine Umschulung zum Altenpfleger. Leider habe ich keinen Ausbildungsplatz gefunden. Da wurden junge Frauen gesucht und keine Männer im mittleren Alter.

     

    Solange die Ausbildungsträger noch so wählerisch sein können, kann ich keinen Arbeitnehmermangel erkennen.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @Gostav:

      Das spicht nicht gegen einen Fachkräftemangel in den sozialen Berufen. Der Bezieht sich ja auf Menschen mit abgeschlossener Ausbildung.

       

      Das von Ihnen geschilderte Beispiel zeigt, dass es in Ihrer Region wohl keinen Mangel an ausbildungswilligen Menschen im Bereich der Altenpflege gibt.

  • Das "Privileg", was in Wahrheit kein Privileg ist, wurde nicht nur durch die imperialistische deutsche Politik aufgebaut, sondern vor allem durch die intensive Zurichtung, Disziplinierung und Ausbeutung von vielen Generationen der werktätigen Bevölkerungsmehrheiten in Zentraleuropa und Deutschland. Vor allem, seit der Industriealisierung und frühbürgerlichen Aufklärung im 18. und seit dem frühen 19. Jahrhundert. Für dieses (scheinbare) "Privileg" der heutigen Mehrheitsbevölkerung, mussten viele Millionen Menschen in Europa auch auf den Schlachtfeldern der kapitalistischen Ausplünderung und Kriege verbluten. Und in modifizierter Form setzt sich heute die Ausbeutung auf höherer ökonomischer Stufenleiter fort. Bei Fortsetzung des kapitalistisch-imperialistischen Gesellschaftssystems, der sog. "Sozialen Marktwirtschaft", haben auch die heutigen Flüchtlinge und Migranten, unsere zukünftigen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland und Europa, noch weitere Niederlagen vor sich. So aber auch die Zurückgebliebenen in den geopolitischen, rohstoff- und wirtschaftspolitischen NATO-, VSA- und EU- und IS-Krisen- und Kriegsregionen, in NAHOST, Asien und Afrika, weltweit. So wie die europäischen Bevölkerungen, so werden auch die künftigen Bürger und Bürgerinnen feststellen müssen, der Reichtum in den Wirtschaftsmetropolen dient keineswegs zuerst den wert- und mehrwertschöpfenden werktätigen Frauen und Männern, sondern vor allem der Bourgeoisie und Administration, dem Finanz- und Quandtschen Monopolkapital! So auch in der Bundesrepublik Deutschland.

  • Mich interessieren dabei vor allem die Gründe des Abbrechens. Ich meine schon öfter gelesen zu haben, dass Menschen und gerade Jugendliche trotz Ausbildung abgeschoben wurde.

     

    Habe auf die Schnell jetzt dieses Beispiel gefunden, es gibt aber auch harte Abschiebebeispiele, in denen es um Jugendliche in Ausbildung ging, die schon länger mit ihrer Familie in Deutschland weilten und sehr motiviert waren:

    http://www.n-tv.de/mediathek/videos/politik/Kosovare-kaempft-fuer-Bleiberecht-in-Deutschland-article16144141.html

     

    Abschiebung zählt auch unter "Ausbildung abgebrochen" - na super Statistik!

     

    Genauso wie die Arbeitslosen, die in die Rente abgeschoben werden. Dann gibt es - oh Wunder - weniger Arbeitslose.

     

    Was man eben so "aufzeigen" möchte.

    • @Hanne:

      Oder hier noch ein "tolles" Beispiel:

       

      Abschiebung statt Ausbildung

      http://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.fachkraeftemangel-abschiebung-statt-ausbildung.e661d9f8-4e73-4be0-95aa-77c34c222aea.html

       

      "Sie beherrscht die deutsche Sprache fast fließend und sie hat alle Auflagen erfüllt, die Ausländerbehörde und Agentur für Arbeit bisher an sie gestellt haben. Arta Redjepi weiß nicht, was sie noch tun muss, um den ihr zugesicherten Ausbildungsplatz als Altenpflegehelferin im Pflegezentrum im Generationenhaus Heslach diesen Oktober antreten zu können. Die Agentur für Arbeit erkennt die Altenpflegehilfe nicht als qualifiziert an, weil diese Ausbildung nur ein Jahr dauert. Ohne die Anerkennung der Agentur für Arbeit aber, verlängert die städtische Ausländerbehörde Redjepis Aufenthaltsgenehmigung nicht. Dass sie trotz all ihrer Mühe abgeschoben werden könnte, diesen Schock hat Arta Redjepi noch nicht verdaut."

      • @Hanne:

        Arta kommt aus einem sicheren Herkunftsland, so dass ihr "Asyl" Antrag natürlich unsinnig und völlig unberechtigt war. Leider hat Deutschland (wg. CDU Blockade) immer noch kein Einwanderungsgesetz, und muss Leute, die einfach nur für ein paar Jahre im Ausland ein besseres Leben und einen Job suchen, quasi wg. "Asylmissbrauch" abschieben. Solche Fälle würde ich nicht vermischen mit den anerkannten Kriegsflüchtlingen und den politisch Verfolgten.

  • Ein Titel macht noch keine Qualifikation. Das Bildungs- und Ausbildungsniveau in den Schwellen- und Entwicklungsländern entspricht nicht den Mindestanforderungen. Diese Differenz wird durch die Krisen in den Herkunftsregionen noch weiter verschärft. 87 Prozent der bei den Arbeitsagenturen gemeldeten Personen verfügen über keine geeignete Qualifikation. Ein Titel für einen Berufsabschluss oder gar akademischen Abschluss reicht allenfalls für eine angelernte bzw. einzuarbeitende Hilfskraft.

    Sprach-, Elementar-, Schul-, Fort- und Weiterbildung, überhaupt die Schaffung für Eignungsvoraussetzungen wäre erforderlich. Aus den bisherigen Erfahrungen wurden im ersten Jahr lediglich 10 Prozent in Arbeit vermittelt, nach fünf Jahren etwa 50 Prozent. Die große Mehrheit verbleibt in Grundsicherung bzw. Sozialhilfe und Lohnaufstockung für viele Jahre oder sogar für Jahrzehnte. (!?)

    Unvergleichbare historische sozioökonomische und kulturell-traditionelle Entwicklungsprozesse lassen sich nicht durch irrationales Wunschdenken und -politisch-ideologische Nebelkerzen überspringen. Die kapitalistische Entwicklung seit der frühbürgerlichen Aufklärung in Europa und die seit dem 19. Jahrhundert erzwungene gwaltsame Arbeitsdisziplinierung (in Zentraleuropa) kann man auch nicht im 21. Jahrhundert außer Kraft setzen! Zweihundert Jahre wirtschaftliche Entwicklung, u. a. in Deutschland, Schweden, Norwegen, Belgien, Schweiz, Frankreich und Großbritannien etc., lassen sich nicht in ein/zwei Generationen von Menschenleben überspringen!

    Notwendig wäre eine elementare Bildung und Ausbildung für die Vorbereitung auf den kommenden wirtschaftlichen und sozialen Aufbau in den Herkunftsregionen. Dafür müssten die NATO-Staaten, die Vereinigten Staaten und Europäische Union, ihre geo-militätische Kriegs- und Krisenpolitik aus primär wirtschaftlichen Eroberungsgründen nachhaltig beenden! Was unter Beibehaltung der derzeitigen kapitalistischen und imperialistischen Gesellschaftssysteme nicht möglich wäre.

    • @Reinhold Schramm:

      Die soziale Marktwirtschaft ist unter den bestehen Systemen das welches am besten funktioniert auch fuer die grosse Mehrheit. Sozialistische wie Venezuela, Cuba, ex DDR etc. sind fuer die Massen trotz grossen Reichtums ( Venezuela ) problematisch ( lange Schlangen fuer das Nötigste, wenn man Überhaut was bekommt )

  • Ich denke, es liegt daran, dass die Firmen und Schulen es jetzt besser machen als vor 3 Jahfren. Ist auch so zu erwarten gewesen.

    Wir haben drei Informtiker aus Syrien - und die sind allesamt sehr gut.

  • Schön gründlich recherchiert, gut zusammengefasst und verständlich dargelegt. Chapeau, Frau Dribbusch !

    Und übrigens, mein Kompliment: Sie sind wirken auch äußerlich sehr symphatisch.

    (Ich hoffe, dass dieser Kommentar nicht als sexistisch eingestuft wird und wirklich veröffentlicht wird. Denn so ist er nämlich in keinster Weise gemeint. Auch wenn er von einem etwas älteren Mann kommt. Danke).

  • Die zu hohen Erwartungen wurden doch vor allem durch die Medien geweckt. Noch im Sommer wurde lauthals verbreitet, 80% der Syrischen Flüchtlinge seien Ärzte und Ingenieure.

  • Wenig hilfreich der bericht ist.

    es ist doch klar dass es fuer starter von 2014 weniger abbrueche gibt wie 2012. Sind ja auch 2 jahre weniger messung.

    Hier muesste zur messung auch der gleiche zeitraum herangezogen werden (wieviele abbrueche in den ersten 12 monaten nach dem start). Der autor vergleicht hier aepfel mit birnen. Das ist einer ehrlichen debatte nicht würdig.

  • Es gibt bislang keine "Fachkräftelücke" - da muss ich widersprechen. Es gibt deutsche Fachkräfte, die zuhause sitzen und keine Chance haben, zu arbeiten. Es gibt aber auch Flüchtlinge, die hier sofort arbeiten und dies auch tun. Das Ganze ist ein Popanz.

     

    Wenn eine Million Deutsche in Japan, China, Argentinien oder in die USA einwandern würden, hätten sie auch Probleme, eine Ausbildung anzufangen und zu beenden. Danach kann man die Frage, was mit den Flüchtlingen auf Dauer passieren wird, gar nicht beantworten. Die Flüchtlinge kurbeln auch unsere Wirtschaft an, haben eine Wirkung gegen demographische Verändungen bei uns - das ist die positive Seite.

     

    Auf der anderen Seite kommen die meisten Flüchtlinge aus Ländern mit einer schwachen Wirtschaftsstruktur und teilweise schlimmen Bildungssystemen. Ein junger Flüchtling oder gar ein Kind wird den Sprung vielleicht noch schnell schaffen, andere werden eben im Niedriglohnsektor landen.

     

    Und da bin ich beim Thema: Die Regierung muss in diesem Bereich für ausreichende Erhöhungen sorgen. Der Mindeslohnt müsste schon längst bei €11 liegen. In den nächsten Jahren sollte er langsam auf €13 steigen. Nur dann werden viele syrische Familien überhaupt damit zurecht kommen. Unsere Niedriglohnstruktur ist mindestens ein so großes Problem wie die fehlenden Qualifikationen der Einwanderer.

    • 3G
      31955 (Profil gelöscht)
      @Andreas_2020:

      Bedenke Andreas, es gibt ein

      Lohn-Preis-Spirale

      oder eine

      Preis-Lohn-Spirale.

      Egal welche sich wann, wo, wie lange dreht, am Ende verliert immer der.....

       

      Auch wenn du 30€ "verdienst", aber das Brot 15€ "kostet", wird Brecht brandaktuell recht behalten:

       

      "Erst kommt das fressen, dann kommt die Moral."

      • @31955 (Profil gelöscht):

        Hängt davon ab, wie der Umsatz auf den Lohn verteilt wird. In den letzten Jahrzehnten sind die Umsatzsteigungen zumeist den 1% zugute gekommen, während die meisten 'normalen' Arbeitnehmer maximal einen Inflationsausgleich bekommen haben. Ein höherer Mindestlohn könnte auch einfach nur bedeuten, dass die Topverdiener ein etwas weniger bekommen. Aber da die Gier der 1% unermesslich ist, würde es wohl eher zu Preissteigerungen kommen, oder die Arbeit wird direkt in Billiglohnländer ausgelagert.

    • @Andreas_2020:

      Ihren Beitrag kann ich direkt unterschreiben,

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Ich durfte vor nicht allzu langer Zeit eine (sinnlose) Umschulung zum Industriekaufmann durchlaufen. Dabei war auch ein fertiger Ingenieur (Master) - ein gebürtiger Senegalese. Sehr intelligenter Typ, 3 Sprachen (FR, EN, DE), Computer inkl. SAP. Arbeitsagentur hatte ihm empfohlen runterzuschulen, weil er als Ing. keinen Job bekam. Als IK-Umschüler schrieb er zig Bewerbungen und bekam nicht mal das obligatorische Praktikum.

    Fachkräftemangel? Im Kopf der neoliberalen PR-spin-doctors.

    • 7G
      74450 (Profil gelöscht)
      @10236 (Profil gelöscht):

      Und ich wiederhole mich: Der Fachkräftemangel ist real. Zumindest im sozialen Bereich. Das Altenpfleger*innen und Kindergärtner*innen zur Zeit handeringen gesucht werden dürfte auch Ihnen nicht verborgen geblieben sein. Gleiches gilt für Sozialpädagog*innen und Deutschlehrer*innen.

       

      Soweit ich weiß sind auch SAP-Kenntnisse eigentlich eine Qualifikation, mit der sehr leicht Anstellungen gefunden werden können. Aber Ausnahmen bestätigen wohl die Regel.

       

      Soviel Neoliberalismus muss sein! ;)

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @74450 (Profil gelöscht):

        "Das Altenpfleger*innen und Kindergärtner*innen zur Zeit handeringen gesucht werden..."

         

        Bei KiGas kenne ich mich nicht aus. Was die Altenpflege angeht, ist es natürlich so (Gesellschaft wird älter). Von der Ausbildung, Bezahlung und Ansehen her st der Job irgendwo knapp über der Putzfrau angesiedelt. War auch so gewollt, damit die unzähligen Pflegedienste marktwirtschaftlich arbeiten. Stattdessen hätte man mobile Pflegestationen an den Krankenhäusern einrichten sollen (mit entsprechenden Verträgen und Bezahlung).

         

        Sozialpädagogen/Deutschlehrer - Zuwanderung?

         

        "SAP-Kenntnisse eigentlich eine Qualifikation, mit der sehr leicht Anstellungen gefunden werden können."

         

        Ja, wenn man SAP-Programmierer ist. Anwenderkenntnisse (hinsetzen und arbeiten) werden eigentlich vorausgesetzt, wie früher Office.

         

        "Aber Ausnahmen bestätigen wohl die Regel."

         

        Nicht dass die Ausnahmen zur Regel werden ;)

        • @10236 (Profil gelöscht):

          Ja, es ist wirklich interessant, dass dieser gravierende Fachkräftemangel merkwürdigerweise nirgendwo zu einer Lohnsteigerung führt, wie man gemäß dem Prinzip von Angebot und Nachfrage doch eigentlich erwarten könnte.

          • @Capt. Cool:

            Es ist aber kein freier Markt, wo das Angebot sich relativ schnell und flexibel der Nachfrage anpassen kann, z.B. durch Einwanderung (siehe weiter oben zur Diskussion über Qualifikation).

            Also würde bei höheren Löhnen Firma A nur Firma B jemanden weg nehmen und der Mangel ist unverändert.

            Ab einem bestimmten Gehaltsniveau gibt es auch andere Faktoren die dazu beitragen, ob ein Mitarbeiter in der Firma bleibt und zufrieden ist, und ob überhaupt Bewerber auf eine Stellenausschreibung (in der Regel ohne Gehaltsangabe) reagieren.

            • 1G
              10236 (Profil gelöscht)
              @JoWall:

              "Es ist aber kein freier Markt, wo das Angebot sich relativ schnell und flexibel der Nachfrage anpassen kann..."

               

              Ich würde eher sagen, es ist kein freier Markt auf dem so existenzwichtige Güter wie Arbeit oder Obdach "gehandelt" werden. Da reicht schon ein relatives geringes Ungleichgewicht (mehr Arbeit-/Wohnungssuchende ) damit die Preisrelationen aus den Fugen geraten. Die beiden Güter sind auch nicht substituierbar, oder zumindest bei der Arbeit wird die Substituierbarkeit immer unattraktiver gemacht.

              Unsere VWL-Koryphäen empfehlen da immer die Markträumung über den Preis (ggf. mit flankierenden Maßnahmen), das ist aber keine zukunftsträchtige Lösung.

          • 7G
            74450 (Profil gelöscht)
            @Capt. Cool:

            Beim Markt für soziale Berufe handelt es sich, richtigerweise, selten um einen wirklichen Markt. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage greift hier nur sehr begrenzt.

             

            Die meisten Kindergärtner*innen und Sozialpädagog*innen werden kommunal finanziert. Wir haben alle gesehen, was passiert, wenn diese Berufsgruppen streiken und für bessere Löhne kämpfen.

             

            Die wären möglich, wenn die Menschen bereit wären mehr Steuern für gute Arbeit zu zahlen. Aber dazu sind leider die wenigsten bereit. Wenn diese Leute den Betreuer*innen ihrer Kinder und Eltern gegenüberstehen werden alle für höhere Löhne sein. Wenn diese höheren Löhne dann durch höhere Steuern finanziert werden sollen, dann ist den meisten Menschen der eigene Geldbeutel wieder näher.

          • @Capt. Cool:

            Wie soll das dank "Hartz IV" auch gehen? Man darf seinen Job nicht ohne Sanktionen kündigen und wenn doch, dann steht der nächste, der diesen Job anfangs vielleicht sogar gerne machen möchte oder vom Jobcenter dazu gezwungen wird, ein Tag später vor der Tür.

             

            Mit Hartz IV ist der Niedriglohnsektor in Deutschland erst richtig entstanden! Und der speist sich mit den "Kunden" der Jobcenter und ihren Maßnahmen doch selbst. Arbeit darf nicht abgelehnt werden! Auch wenn man dennoch im Bezug auf ergänzende Leistungen mit diesem Gehalt bleibt und somit weiterhin kaum Möglichkeiten aus der Spirale raus zu kommen.

             

            Vor nicht allzu langer Zeit haben z.B. auch noch Hausmeister eine Familie ernähren können. Aber die gibt es kaum noch, wird alles per Dienstleistung outgesourct, gerade auch im öffentlichen Bereich. Somit sind Dumpingpreise für fast alle Bereich möglich (geworden).

  • Wenn die meisten Deutschen wenigstens vernünftig Englisch sprechend würden, dann wäre das mit der Verständigung und Arbeit schon ein Stück einfacher. Unter den Flüchtlingen gibt es genug hoch qualifizierte die direkt anfangen könnten und dann parallel Deutsch lernen können. Dafür müssten die Firmen und anderen Mitarbeiten nur mal etwas mehr Flexibilität zeigen.

    Und was handwerkliche Berufe angeht (also da wo kaum noch Deutsche zu finden sind), da muss es doch möglich sein, die Unterscheide in der Ausbildung mit verkürzten Aufbaukursen auf Deutsches Niveau zu bringen. Etwas mehr Pragmatismus kann nicht schaden.

  • "Wer die Arbeitsintegration von Flüchtlingen beurteilen will, muss ihre subjektive Anpassungsleistung sehen – und die ist oft enorm."

     

    Ob angepasst oder nicht - jeder Mensch hat ein Recht auf ein würdiges Leben. Hier werden wieder Dinge diskutiert, die gar nicht zur Diskussion stehen.

  • Gut gemeinter Artikel. Nur ist das Ganze so nicht richtig. Denn neben einem Mehrfördern bedarf es auch eines Mehrfordern. Ansonsten geht das ganze den Bach runter.

  • 3G
    30404 (Profil gelöscht)

    Willkommen in der Realität. Statt über die Anforderungen im Ausbildungs- und Arbeitssystem eines hochleistungs (!) Industrielandes wie Deutschland zu jammern, wär es wohl sinnvoll sich Gedanken über KURZFRISTIG neu zu schaffende Jobs für praktisch unqualifizierte Flüchtlinge zu machen. Ohne diese Jobs werden sich Probleme auf allen Ebenen potenzieren.Mit Empathie und Verständnis der Flüchtlingssituation hat das nichts zu tun.

    • @30404 (Profil gelöscht):

      "Mit Empathie und Verständnis der Flüchtlingssituation hat das nichts zu tun."

       

      Nein, das hat es wirklich nicht.