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Mareike-Vic Schreiber widersteht Bärgida-RekrutierungsversuchenEin bisschen grölen, ein bisschen spazieren gehen

So haben sich die TeilnehmerInnen des Berliner Pegida-Ablegers Bärgida ihren ersten Geburtstag sicher nicht vorgestellt. Kaum mehr als 100 Menschen treffen sich am Montagabend am Hauptbahnhof, um auf ihrem 54. Abendspaziergang „gegen die Islamisierung des Abendlandes“ zu demonstrieren. Das Zusammentreffen scheint zunächst friedlich. Ein älterer Herr verteilt die rechte Wochenzeitung Junge Freiheit, andere machen Handyfotos oder schwenken die National- und Handelsflagge des deutschen Kaiserreichs.

Während der Kundgebung werde ich drei Mal von einem Bärgida-Demonstranten angesprochen. „Wir sind Bärgida, das bedeutet ‚Berlin gegen die Islamisierung des Abendlandes‘“, klärt er mich auf. Immer wieder fragt er mich, ob ich nicht mitmachen wolle – „ein bisschen spazieren gehen, ein paar Parolen grölen“, was spräche schon dagegen.

Als die fast dreimal so große Menge der GegendemonstrantInnen mit einem Megafon ihre Anti-Rassismus-Demo auf der gegenüberliegenden Seite eröffnet, wird es zum ersten Mal auch auf Bärgida-Seite laut. Der Mann, der mich soeben noch rekrutieren wollte, klettert auf die Absperrgitter der Polizei und wirft mit Parolen wie „Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen“ um sich. Die GegendemonstrantInnen erwidern im Chor: „Kein Recht auf Nazi-Propaganda.“ Gegen ihre laute Musik und die Trillerpfeifen kommt Bärgida nur schwach an. Das Pingpong-Spiel der Parolen ist in vollem Gange. „Ziel ist: Bärgida soll keinen zweiten Geburtstag erleben“, kündigten die Mitglieder des Aktionsbündnisses #NoBärgida in sozialen Netzwerken an.

Gegen 18.40 Uhr beginnt Bärgida-Sprecher Karl Schmitt seine Rede. Seine Stellungnahme zu den Übergriffen in Köln an Silvester bleibt knapp. Er sei schockiert über die Ereignisse. Die seien für Bärgida aber vollkommen absehbar gewesen: „Es hat begonnen, was wir schon lange sehen.“ Die Schuldigen säßen im Innen- und Bundesministerium. Schmitt behauptete gar, „dass die Planer diese Männer mit Absicht in das Land lassen, um eine braune Mischrasse herzustellen“.

Nach der rund 20-minütigen Rede ist die Veranstaltung beendet. Gegen 19 Uhr ziehen die Bärgida-TeilnehmerInnen von dannen. Man wolle nun mit zwei Bussen nach Potsdam fahren, um Freunde des Potsdamer Pegida-Ablegers Pogida bei ihrer ersten Kundgebung zu unterstützen. Auch einige der GegendemonstrantInnen fahren in die Brandenburger Landeshauptstadt, wo mehrere Gegendemos angekündigt sind. Auch hier treffen die Asylgegner auf gewaltigen Widerstand. Rund 600 Menschen protestieren gegen den Spaziergang nach Pegida-Vorbild, linkeAktivisten bewerfen Pogida-Anhänger mit Böllern, Flaschen und Schneebällen, blockieren ihre Busse mit umgeworfenen Mülltonnen. Pogida lässt sich von dem gestoppten Aufmarsch nicht ablenken. Für den 20. Januar kündigt die Gruppe auf ihrer Facebook-Seite bereits einen zweiten Versuch an.

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