Off-Kino: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet
„Der Verkauf von Handschuhen an Mörder sollte verboten sein“, meint Kommissar Stevenson (Thomas Mitchell) in Robert Siodmaks Kriminalfilm „The Dark Mirror“ (1946) wohl nicht ganz zu Unrecht, denn vom „genetischen Fingerabdruck“ hatte man damals natürlich noch nichts gehört. Und der Kommissar hat ein Problem: Als Tatverdächtige in einem Mordfall stehen ihm die identischen Zwillinge Terry und Ruth Collins (beide gespielt von Olivia de Havilland) gegenüber. Eine von ihnen ist die Täterin, aber welche? Ein Psychiater – seinerzeit in Hollywood-Filmen gerade groß in Mode – muss helfen. Der Zuschauer hat es bei der Identifizierung der Mörderin ein wenig leichter, denn Siodmak inszeniert hier keinen Ratekrimi: So wirkt die eine Schwester eher kalt und selbstsüchtig, die andere dagegen warmherzig und freundlich. Die Kleidung der einen wird immer dunkler, die der anderen immer heller. Die eine steht im Schatten, die andere im Licht. Nicht weiter schwierig, sich da zu entscheiden, oder? So ist denn vor allem der Weg das Ziel in diesem psychologischen Krimi, der Olivia de Havilland die Gelegenheit gab, zu beweisen, dass sie mehr konnte, als nur in Abenteuerfilmen Errol Flynn anzuhimmeln. Nicht umsonst hatte die Schauspielerin schließlich gerade einen langwierigen Musterprozess gegen ihren alten Arbeitgeber Warner Bros. gewonnen, in dem bestimmte Modalitäten der Hollywood-typischen 7-Jahres-Verträge auf immer zu den Akten gelegt wurden.
Zu den besten Trivialfilmen der letzten Jahre gehört Tim Fywells „Die Eisprinzessin“, ein Werk, das sich mit seiner wunderbar unrealistischen Story (Naturwissenschafts-Nerd wird in wenigen Wochen zur wunderschönen Eiskunstlauf-Medaillenkandidatin) vornehmlich an Mädchen in der Pferdeposter-Phase richtet. Weshalb das Comedy-Drama auch so ziemlich alles enthält, was das weibliche Gemüt in diesem Lebensalter vermeintlich bewegt: die mangelnde Popularität in der Schule, die erste Liebe, die sanfte Rebellion gegen die Erwartungshaltungen der Eltern und die Suche nach einem eigenen Weg. Jede Menge Klischees also, doch die werden von der überaus fähigen Besetzung – allen voran Michelle Trachtenberg in der Hauptrolle und Kim Catrall als moralisch nicht völlig integre Trainerin – so engagiert vorgetragen, dass sie wie tiefere Wahrheiten wirken. Das macht, ebenso wie der Blick auf den bösen Zickenkrieg der Eisläuferinnen, einfach Spaß.
Die Neue Nationalgalerie präsentiert zurzeit den „privaten“ Picasso; der französische Regisseur Henri-Georges Clouzot zeigte 1956 in „Le mystère Picasso“ den arbeitenden Maler. Eine Dokumentation nicht über den Künstler, sondern mit dem Künstler: Durch das transparente Material, auf dem Picasso zunächst Tuschmalereien anfertigt, entsteht der Eindruck, als male er direkt auf der Kinoleinwand. Später verfolgt Clouzot mit der Kamera die Entstehung einiger Ölbilder, die belegen, dass auch einem Genie nicht immer alles gelingt: „Schlecht, ganz schlecht“, befindet der Maler da auch schon einmal selbst. LARS PENNING
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