Valencias Trainer Gary Neville: Ein völlig absurdes Engagement
Keine Berufserfahrung, keine Spanischkenntnisse. Trotzdem trainiert Gary Neville Valencia. Nun gelingt gegen Real zumindest ein Achtungserfolg.
Es ist ja ein kurioses Experiment, eines, das gegen so viele Branchenerfahrungen verstößt, dass man sie kaum in einem Satz auflisten kann: Ein Berufsneuling übernimmt während der Saison einen Job in einer Liga, die er nicht kennt, und einem Land, dessen Sprache er nicht spricht. Wie würde so etwas der Fernsehexperte Neville kommentieren, der bis vor Kurzem das englische Publikum mit seinen Analysen der Premier League begeisterte? „Ganz ehrlich, ich wäre skeptisch“, räumte er bei seiner Vorstellung ein. Mit dieser Ehrlichkeit gewann er schon mal erste Sympathien. Neville, der Kommunikator.
Neville, der Trainer, hat in vier Versuchen noch kein Ligaspiel gewonnen. Remis in Eibar, Remis gegen Getafe, Niederlage in Villarreal. Gegen Real Madrid gab es in einem durchweg ausgeglichenen Match nun immerhin einen Achtungserfolg, der allerdings von der aktuellen Qualität des Rivalen geschmälert wird: Die Hauptstädter durchleben ihrerseits einen so diffizilen Moment, dass Trainer Rafael Benítez praktisch täglich vor der Entlassung steht.
Benítez wurde bei der Rückkehr an den Ort seiner ersten Triumphe (Meisterschaft 2002 und 2004, Uefa-Cup 2004) mit Gesängen und Spruchbändern gefeiert – wenig spricht dafür, dass er das jemals bei seinem Jugendklub Real Madrid erleben wird. Die fehlende Empathie auch der Spieler belegten die distanzierten Worte von Vizekapitän Marcelo: „Mal läuft es besser mit einem Trainerwechsel, mal besser ohne, schwer zu sagen.“
In Valencia sind sie der Auffassung: Es läuft besser. Auch wenn Neville nur wegen seiner (Geschäfts-)Freundschaft zum singapurischen Klubeigentümer Peter Lim an den Job kam – immerhin ist er nicht Nuno Espírito Santo, sein verhasster Vorgänger. Das wankelmütige Publikum im Estadio Mestalla steht nun wieder hinter der Mannschaft, und die fightet tatsächlich wie ein englisches Team. Sie spielt allerdings auch so Fußball.
Gegen Madrid veredelte nur der dynamische Mittelfeldmann André Gomes einen Vortrag ohne klare Grundidee, der eklatant unter der eigenen Abwehr litt. War Platz vier der Vorsaison auf dem überragenden Innenverteidiger-Duo aus Nicolás Otamendi und Shkrodan Mustafi gebaut, muss Valencia ohne den Argentinier (jetzt Manchester City) und den Deutschen (verletzt) jeden Ball in die eigene Hälfte fürchten.
Traniger Gegner
Ein normales Real hätte Valencias abenteuerliche Spieleröffnungen wohl mit einem Konterfestival abgestraft. Umgekehrt hätte ein normales Valencia dem tranigen Gegner wahrscheinlich die nächste Auswärtsniederlage zugefügt. Dafür hätte es allerdings auch gereicht, wenn nach dem zweifachen Ausgleich der Tore von Benzema und Bale durch Parejo (Elfmeter) und Alcácer der ehemalige Nationalspieler Negredo in der Nachspielzeit nicht freistehend an Reals Keeper Navas gescheitert wäre. In dieser 93. Minute wurde angesichts von 13 Punkten Rückstand auf Platz vier wohl schon die letzte Chance auf das Saisonziel Champions League vergeben.
Neville wollte das so natürlich nicht formulieren. Weiterhin redet und erklärt er gern – und neigt dazu, von außen zu analysieren. „Ich bin jetzt vor allem gespannt, wie es weitergeht“, sagte er, Hospitant der eigenen Karriere. Natürlich weiß auch er um die Absurditäten dieses Engagements: etwa die, dass Spanien derzeit für seine exzellenten Trainer bekannt ist, Britannien jedoch gerade nicht.
Zuletzt scheiterte der Ausflug von David Moyes zu Real Sociedad San Sebastián. Doch wovor Angst haben? Neville, 27 Titel als Rechtsverteidiger von Manchester United, kann immer noch zum Fernsehen zurückkehren und seinen Paralleljob als Ko-Trainer der englischen Nationalelf weiterführen oder sich wieder ganz um Geschäfte wie die Eigentümerschaft (unter anderem mit Lim) des Vereins Salford City kümmern.
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