piwik no script img

Chaos am Lageso nimmt nicht abO du Fröhliche

Das Chaos hat einen Namen: Lageso. Auch nach Monaten des Entsetzens hat sich an dieser Behörde wenig geändert, im Gegenteil: So mancher Verbesserungsversuch macht alles nur noch schlimmer.

Ist nach Einschätzung der Süddeutschen Zeitung die „schlechteste Behörde Deutschlands“: Das Lageso Foto: reuters

Jahrelang gab es in Berlin eine Buchstabenkombination für das Chaos: Wer vom Flughafen BER las, dachte sofort an Versagen, Planlosigkeit, Korruption.

Beim BER haben sich die Dinge bisher nur unwesentlich zum Besseren verändert, doch seit diesem Jahr macht ihm eine neue Buchstabenkombination Konkurrenz: Lageso. Das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales, kürzlich von der Süddeutschen Zeitung zur „schlechtesten Behörde Deutschlands“ geadelt. „Ich denke immer, irgendwann muss es ja auch wieder besser werden“, sagte kürzlich Silvia Kostner, Sprecherin des Lageso, mit Blick auf ihr eigenes Amt. Das Problem: Bisher machen alle Verbesserungsversuche die Lage eher noch schlimmer.

Beispiel Personalmangel: Am Lageso wurden über die letzten Jahre rund 500 Stellen abgebaut, die nun dringend fehlen. Im Herbst verkündete die Senatsverwaltung für Soziales, diesen Missstand beheben und im großen Stil neue Mitarbeiter einstellen zu wollen. Wo die herkommen? Da gibt es drei Wege. Erstens: Andere Verwaltungen entleihen Personal – vermutlich nicht ihr bestes. Zweitens: Menschen bewerben sich direkt beim Lageso. Als Anforderungen werden auf dessen Homepage etwa „Kenntnisse im Umgang mit starkem Publikumsandrang“ genannt – EisverkäuferInnen sind für den Job also bestens qualifiziert. Drittens: Leiharbeitsfirmen schicken ihre Leute in das Landesamt. So geschehen bisher in mindestens 50 (Angabe des Lageso-Personalrats), vielleicht aber auch über 100 Fällen (Angaben der beauftragten Leiharbeitsfirma Manpower). Anforderungen an die LeiharbeiterInnen laut Aussage einer Angestellten im rbb: null. Einarbeitungszeit: ebenfalls null.

Man ahnt es schon: Das Problem Personalmangel wird durch diese Strategie nicht gelöst. „Wir haben hier Leute bekommen, die kennen sich nicht mit Computern aus, geschweige denn mit dem Asylbewerberleistungsgesetz. Aber um die einzuarbeiten, fehlt die Kapazität“, sagt Sprecherin Kostner. Immer wieder würden sich die Neuen verrechnen und damit letztlich für mehr Arbeit sorgen. Die Konsequenz tragen – natürlich – die Flüchtlinge: „Wir lassen die Menschen momentan lieber noch eine Woche länger in den Notunterkünften auf ihre Registrierung warten, als dass ihr Antrag von unqualifizierten Mitarbeitern bearbeitet wird, wo dann tausend Fehler entstehen können“, sagt Kostner.

Neues Armband-System

Beispiel Terminvergabe: Seit gut einer Woche bekommen diejenigen wartenden Flüchtlinge vor dem Lageso, deren Termin bereits am längsten verstrichen ist, die sich also am längsten jeden Tag aufs Neue in der Turmstraße anstellen, um abends erfolglos abzuziehen, ein blaues Armband. Sie sollen am nächsten Tag als Erstes drankommen – theoretisch. „Das Lageso ist mit dieser Idee gleich am ersten Tag gescheitert, weil zu viele Armbänder verteilt wurden und am nächsten Tag doch nicht alle drankamen – das Vertrauen der Flüchtlinge in diese Armbänder ist damit weg“, sagt Christine Beckmann von der Initiative „Moabit hilft“.

Was ordnen soll, schafft neues Chaos: „Nirgendwo ist geklärt, wie viel Zeit seit dem eigentlichen Termin verstrichen sein muss, damit eine Person Anrecht auf ein blaues Armband hat“, sagt Beckmann. „Viele glauben, die blauen Bändchen bekämen diejenigen, die morgens als Erste in der Warteschlange stehen. Das Gedrängel und Geschubse geht deshalb unverändert weiter.“

Von „blindem Aktionismus“ bei dem Versuch, die Situation dieses Landesamts zu verbessern, sprechen mittlerweile auch Lageso-MitarbeiterInnen selbst. Wann das neue, eigenständige Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten kommen soll, ist derweil noch völlig unklar – und ob sich die Lage dadurch verbessern wird, ebenso.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!