Portrait: Der letzte Präsident
Als Hans-Christoph Seewald 2014 sein Präsidialamt angetreten hat, war schon klar: Er wird der Letzte sein, der der Industrie- und Handelskammer in Bremerhaven vorsteht. Längst war beschlossen, dass 2016 die Handelskammern von Bremen und Bremerhaven fusionieren werden. Seewald ist damit so etwas wie der Egon Krenz der Bremerhavener Wirtschaft, obgleich Handelskammer-Präsidenten mit Sozialismus so viel am Hut haben wie Horst Seehofer mit Willkommenskultur.
Seewald setzt aber auf „Willkommenskultur“ – für die Unternehmen im Lande Bremen ebenso wie für die Flüchtlinge. Im Oktober verkündete er gemeinsam mit seinem Bremer Amtskollegen Christoph Weiss, dass 700 Ausbildungsplätze für Flüchtlinge organisiert worden seien.
Am Dienstag nun traten die beiden zum letzten Mal öffentlich auf und erklärten, was ab 2016 anders wird: Dass Beratungsangebote ausgebaut, Doppelstrukturen aufgelöst und Arbeitsabläufe vereinheitlicht werden. 52.000 Mitgliedsunternehmen werden künftig vertreten.
Dass dabei die Interessen der Bremerhavener nicht unter den Tisch fallen, dafür sorgte Seewald: Etwa dadurch, dass der Standortleiter weiter in Bremerhaven sitzt, oder dass das Kammer-eigene Gebäude in der Friedrich-Ebert-Straße in seiner Funktion erhalten bleibt.
Seewald sieht viel Positives an der Fusion, die von manchem als Autonomie-Verlust der Hafenstadt verstanden wird. „Zur Landespolitik werden die Wege kürzer“, sagt er. Auch, die Beiträge sollen sinken: Die Mitgliedsunternehmen sollen insgesamt rund 500.000 Euro pro Jahr weniger zahlen – Zwangsbeiträge, bei denen Bremerhaven bislang bundesweit am oberen Ende schwamm.
Er stehe „für den Dienstleistungsgedanken“, sagt Seewald. Als Steuerberater ist er Gesellschafter und Geschäftsführer der Beratungsfirma „CT Lloyd“ – mit Büros in beiden Bremer Städten. 2009 bis 2013 stand er an der Spitze des Deutschen Steuerberaterverbands. Aktuell sitzt der 65-Jährige etwa im Mittelstandausschuss des Bundeswirtschaftsministeriums.
Auch in der neuen Kammer will Seewald fürs Präsidium kandidieren, nicht aber für die Spitzen. Eine neue Kammer brauche auch ein neues Gesicht, sagt er. Damit sich auch die Bremer nicht übergangen fühlen. jpb
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