: Die Vermesser des Glücks
BHUTAN Die oberste Glücksbehörde ergründet die Zufriedenheit der Bewohner des Landes per Umfragen. Die UNO überlegt, ihre Definition von Bruttosozialglück zu übernehmen
■ Geografie: Das buddhistisch geprägte Königreich liegt im Himalaja, östlich von Nepal und zwischen den Giganten China und Indien. Mehr als vier Fünftel der Staatsfläche liegt höher als 2.000 Meter, mehr als zwei Drittel ist bewaldet.
Größe: in etwa so groß wie die Schweiz
Staatsform: konstitutionelle Monarchie
Einwohnerzahl: rund 700.000 Menschen
Amtssprache: Dzongkha
Klima: sehr unterschiedlich. Im Süden ist das Klima subtropisch bis tropisch, in Zentralbhutan verfügen die Täler über ein gemäßigtes Klima mit heißen Sommern und kühlen Wintern. In den Bergen sind die Sommer kühl und die Winter sehr streng. Im Süden kommt es während der Regenzeit häufig zu Überschwemmungen.
AUS THIMPHU SASCHA ZASTIRAL
Die Mitarbeiter von Bhutans oberster Glücksbehörde müssen aufpassen, dass sie beim Gang durch die Flure nicht von ihrer Arbeit verschüttet werden. Meterhoch stapeln sich Konferenzprotokolle, Berichte und Umfragebögen zu bedrohlichen Papiertürmen. Alle Unterlagen behandeln nur ein Thema: das Glück der Bhutaner. Dessen Planung verschlingt Unmengen Papier.
Karma Hamu schaut auf die wackeligen Stapel und lächelt ein wenig verlegen. „Das sieht hier alles ein wenig chaotisch aus, weil wir im Moment so viel zu tun haben und Büroräume knapp sind.“ Karma Hamu ist die Planungschefin der Bruttosozialglückskommission in Bhutans Hauptstadt Thimphu. Die Behörde erstreckt sich über mehrere einstöckige Holzbungalows. Direkt daneben ragt Thimphus Dzong, der Regierungspalast, in die Höhe. Die gesamte Stadt ist eingerahmt von bis zu 3.500 Meter hohen Bergen.
„Wir entwickeln gerade ein Prüfverfahren, mit dem wir in Zukunft politische Entscheidungen der Regierung darauf untersuchen werden, ob sie den Richtlinien für das Bruttosozialglück folgen“, sagt Karma Hamu. Sie hat mittlerweile in dem Büro eines Kollegen Platz genommen und blättert in Unterlagen. Karma Hamu trägt eine lilafarbene Kira, das traditionelle Kleid bhutanischer Frauen. An den Wänden hängen Karten und Diagramme. Papiere mit Terminen und Telefonnummern sind an eine Pinnwand geheftet. Vollgepackte Aktenordner hängen schwer in einem Regal. Die Vermessung des Glücks ist ein aufwendiger Verwaltungsvorgang. Die Idee dazu stammt aus den frühen 1970er-Jahren. Damals hatte Bhutans vierter König, Jigme Singye Wangchuck, erklärt, sein Land solle eine andere Entwicklung einschlagen, als nur dem kapitalistischen Wachstumsmodell der Industrienationen zu folgen. Bhutans Entwicklung solle nicht auf Kosten seiner Menschen gehen, sie nicht aus ihrer traditionellen Lebensweise reißen und in Lohnabhängigkeiten stürzen. Das Bruttosozialglück und nicht nur das Bruttosozialprodukt solle zum Indikator für Erfolg oder Misserfolg der Entwicklung werden.
Bhutan hatte erst wenige Jahre zuvor den Anschluss an den Rest der Welt gefunden. Seit den 1960er-Jahren verbindet eine Straße die Hauptstadt Thimphu mit Indien. Seine Menschen sind überwiegend tibetischen Ursprungs. Bhutan ist von Tibet durch ein gewaltiges, bis zu 7.500 Meter hohes Gebirgsmassiv vollständig abgetrennt, was dem Staat die gewaltsame Besatzung durch Pekings Parteidiktatur erspart hat. Wegen seiner abgeschiedenen Lage hat das kleine Land schon vor Jahrhunderten einen eigenständigen Charakter entwickelt.
„Die Idee zum Bruttosozialglück stand am Anfang auf vier Stützpfeilern“, erklärt Karma Hamu: Eine nachhaltige Entwicklung, Erhalt und Förderung kultureller Werte, Naturschutz und eine gute Regierungsführung sollten im Vordergrund der Regierungsarbeit stehen. Im Laufe der Jahre, als das Konzept weiter ausgebaut wurde, seien neun Bereiche festgelegt worden, die zum Bruttosozialglück beitragen sollten: Ökologie, Kultur, gute Regierungsführung, Bildung, Gesundheit, Lebendigkeit der Gemeinschaften, Zeitnutzung, psychisches Wohlergehen und der Lebensstandard.
„Seit 2007 wird diese Entwicklungsphilosophie als Schablone für Gesetzgebungen und Entscheidungen innerhalb der Politik genutzt“, erläutert Karma Hamu und nennt ein Beispiel: „Derzeit versucht die Regierung, das Bildungssystem gemäß den Kriterien des Bruttosozialglücks umzuwandeln. Wir schauen uns die Gesetzesinitiativen und Verwaltungsbeschlüsse an und betrachten genau, ob sie alle neun Bereiche miteinbezieht. Oder ob etwa nur einige der Bereiche auf Kosten der anderen berücksichtigt werden.“
Das theoretische Grundgerüst für die Arbeit der Bruttosozialglückskommission hat das Zentrum für Bhutanstudien entwickelt. Das Institut hat vor einem Jahr eine große Umfrage im gesamten Land durchgeführt, um festzustellen, was den Bhutanern für ihr persönliches Wohlbefinden wichtig ist.
Das Institutsgebäude im traditionellen bhutanischen Stil liegt am Stadtrand von Thimphu neben einem Pinienwald. Lham Dorji ist einer der Forscher, die das Glück der Bhutaner erforschen. Er hat einen Gho an, den traditionellen knielangen Mantel mit großen weißen Ärmelaufschlägen. Alle Bhutaner müssen bei der Arbeit oder offiziellen Anlässen traditionelle Kleidung tragen. Auch so soll die Kultur vor westlichen Einflüssen geschützt werden. „Wenn wir im Ausland über das Bruttosozialglück sprechen, werden wir immer noch manchmal ausgelacht“, sagt Lham Dorji. „Die Menschen glauben dann, wir wollen nur herausfinden, ob die Menschen glücklich sind. Aber das ist nicht unsere Frage. Wir fragen: Was macht die Menschen glücklich? Welches sind die Bedingungen, die ein glückliches und zufriedenes Leben fördern?“
„Genug zu essen ist Glück“
Das Zentrum für Bhutanstudien hat seine Arbeit 1999 aufgenommen. Acht Forscher arbeiten heute an der Entschlüsselung des Glücks. „Ich habe mal einen Brasilianer gefragt: ‚Was ist für Sie Glück?‘ “, sagt Lham Dorji. „Er sagte: ‚Urlaub‘. Ich war geschockt. Aber für ihn mag das wirklich zutreffen.“ Ein Bhutaner, sagt er dann, würde auf die Frage antworten: ein Leben ohne Krankheit, ohne emotionale Schwankungen, ohne Depressionen. Genug zu essen. „Das ist Glück! Und nicht ausschließlich materieller Wohlstand.“
Vor einem Jahr haben die Forscher des Zentrums für Bhutanstudien einen Fragebogen entwickelt, mit dem sie herausfinden wollten, was den Menschen in Bhutan für ein glückliches Leben wichtig ist. Mitarbeiter haben anschließend in allen Distrikten des Landes Tausende von Menschen befragt.
„Wir mussten den ersten Fragebogen aber bald kürzen“, lacht Kumzang Lhadon, eine weitere Forscherin des Instituts. „Denn der war 150 Seiten lang. Es hat oft mehr als einen Tag gedauert, bis die Menschen alle Fragen beantwortet hatten.“ Die anschließenden kürzeren Befragungen dauerten nun aber immer noch mindestens zwei Stunden. „Die Ergebnisse waren sehr anschaulich“, sagt ihre Kollegin Tshoki Zangmo. „Die Zeitnutzung ist in Bhutan sehr gut.“ Die Menschen hätten eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Mit der Arbeit der Regierung und der Behörden seien sie zufrieden.
„Das Hauptziel der Umfrage war es herauszufinden, auf welche Bereiche sich die Politik konzentrieren soll“, sagt Lham Dorji. Dabei müsse man aber ständig die Prioritäten überdenken. Ob zum Beispiel Umweltschutz in jedem Fall zu einer Erhöhung des Bruttosozialglücks beitrage. „Anscheinend nehmen in jenen Gegenden, wo die Umwelt besonders stark geschützt wird, die wilden Tiere überhand und bereiten den Bauern große Probleme. Die müssen am Tag arbeiten und nachts ihre Felder beschützen.“ Das führe dazu, dass Menschen ihre Bauernhöfe verließen und in die Städte zögen, um Arbeit zu finden. Das wirke sich negativ auf das Bruttosozialglück aus.
Dabei richte sich die Idee des Bruttosozialglücks ausdrücklich nicht gegen Wirtschaftswachstum, erklärt der Forscher weiter. Bloß dürfe dieses auf keinen Fall der alleinige Gradmesser für Entwicklung sein. Ein hohes Bruttosozialprodukt könne auch trügerisch sein: „Wenn die Ausgaben im Gesundheitswesen hoch sind, dann schießt dadurch das Bruttosozialprodukt in die Höhe. Doch was sagten hohe Gesundheitsausgaben aus? Das bedeutet, dass viele Menschen krank sind und dass die Gesellschaft selbst nicht gesund ist.“ Dass Menschen nicht glücklich seien. „Glücklich sein heißt: zu wissen, wie man miteinander lebt“, sagt der Wissenschaftler. „Wir sprechen daher nicht von individuellem Glück. Wir sprechen von gemeinsamem Glück.“
Nike- und McDonald’s-Filialen fehlen
Trotz seiner abgeschiedenen Lage und seiner langen Isolation ist Bhutan erstaunlich modern. Zwar prägen Beamte und Büroarbeiter in traditioneller Kleidung das Stadtbild der Hauptstadt Thimphu. Alle Häuser in der Stadt, selbst Tankstellen und Autohäuser, sind im traditionellen bhutanischen Holzhausfachwerkstil gebaut. Thimphu erinnert mehr an eine Kleinstadt in der Schweiz als an eine Hauptstadt in Südasien. Dennoch hängen abends – weitgehend harmlose – Jugendgangs in den Straßen herum. Sie tragen lässige Baggy Pants mit Kapuzenpullis und spielen sich auf ihren Handys die neuesten Hits vor, die sie auf MTV gesehen haben. Dabei gibt es in Bhutan erst seit 1998 Fernsehen.
Nach den gesichtslosen Fassaden und Einkaufspassagen der weltweiten Überflusskultur sucht man in Thimphu vergeblich. Keine Nike-Filiale und kein McDonald’s entstellen das Stadtbild. Vom benachbarten Indien mit seinen extremen sozialen Kontrasten könnte Thimphu nicht weiter entfernt sein. Die Straßen sind sauber, es gibt öffentliche Plätze und Parks. Bettler sind trotz der immer noch relativ hohen Armut nicht zu sehen; die Menschen sind in ihren Gemeinschaften verankert und unterstützen sich gegenseitig. Der Staat baut am Stadtrand Sozialwohnungen, ebenfalls im traditionellen Stil des Landes.
Junge Bhutaner sitzen in gestylten Cafés und diskutieren beim Latte macchiato über Jobperspektiven. Am Wochenende feiern sie in den Bars und Clubs der Stadt. Alle sprechen perfekt Englisch: Seit den 1960er-Jahren ist es Unterrichtssprache. Viele Bhutaner gehen anschließend zum Studieren ins Ausland. Auch der derzeitige König, der gerade einmal 29-jährige Jigme Khesar Namgyel Wangchuck, hat in Oxford studiert. Bhutans Regierung fördert die Weltoffenheit seiner Menschen und den Tourismus im eigenen Land.
Doch der Staat möchte nicht Hunderttausende von Rucksacktouristen anlocken wie etwa Nepal, wo die landschaftlich schönsten Gegenden mit Billighotels verbaut sind und sich der Müll an Ortsrändern meterhoch türmt. Bhutans Konzept hierfür heißt: geringe Zahlen, hohe Einnahmen. Jeder Besucher muss mindestens 240 Dollar pro Tag ausgeben. Auf diese Weise kommen zumeist reiche Westler ins Land, die vor allem an der Kultur interessiert sind. Der Einfluss, den der Tourismus auf Bhutan hat, ist somit begrenzt.
Die Entwicklung des Landes soll im Gleichgewicht mit den Traditionen verlaufen und sie nicht ersetzen. Daher fördert der Staat traditionelle Handwerkskünste, die in vielen Staaten Südasiens längst ausgestorben sind. Auch Bhutans Nationalsport wird von der Regierung massiv beworben und unterstützt: das traditionelle Bogenschießen.
Nationalsport: betrunken Bogenschießen
Auf dem zentralen Sportplatz findet das Finale eines landesweiten Wettbewerbs statt. Immer jeweils zwei Teams von je 15 Mitgliedern treten gegeneinander an. Sie schießen abwechselnd über eine Distanz von 145 Metern auf die nur etwa 30 Zentimeter breite und einen Meter hohe Zielscheibe der gegnerischen Mannschaft. Die Teilnehmer treffen sich vor jedem Match schon frühmorgens und begießen den kommenden Wettkampf mit reichlich Reisschnaps und Bier. Betrunken sein ist ein Teil des Sports, was aber auch kaum zu übersehen ist.
Ein Team baut sich neben seiner Zielscheibe auf und tanzt, um den gegnerischen Schützen abzulenken. Erst im letzten Moment weichen die Spieler dem heranrasenden Pfeil aus. Verfehlt er sein Ziel, überschütten sie die gegnerische Mannschaft mit Häme: Sie springen um den Pfeil, der nicht getroffen hat, strecken ihre Bogen in die Höhe und grölen Beleidigungen. „Das sind nur Richtungsangaben“, sagt ein Zuschauer. Es klingt aber nicht nach Richtungsangaben. „Okay, gerade hat er noch was über die Mutter des Schützen gerufen.“
Auch der Sport diene den Zielen des Bruttosozialglücks, sagt Jurmin Wangdi. Er ist der Vorsitzende des staatlichen Bogenschießverbandes. „Die Menschen haben Spaß und bewahren die Kultur.“ Es sei sehr wichtig, den Sport attraktiv zu halten, fügt er hinzu. „Denn es kommen so viele andere Sportarten ins Land. Bogenschießen ist ein wichtiger Teil unserer Kultur. Wenn wir nicht unsere Identität und unsere Kultur bewahren, sind wir wirklich in Gefahr.“
Die UN schauen auf Bhutan
Direkt neben dem Bogenschießstadion liegt der Fußballplatz von Thimphu. Hier wurde 2002 das Finale der Fußball-Weltmeisterschaft ausgetragen. Genauer gesagt: das „andere Finale“. Am Tag des Endspiels zwischen den WM-Finalisten Deutschland und Brasilien trafen hier die beiden schlechtesten Nationalmannschaften der Welt aufeinander: Bhutan und Montserrat, auf den Tabellenplätzen 202 und 203. Bhutans Nationalmannschaft gewann damals 4:0. Das Team hat sich seitdem nach oben gespielt und liegt heute auf Tabellenplatz 196.
Bakhodir Burkhanov ist der Leiter des UN-Entwicklungsprogramms UNDP in Thimphu. Er sitzt im UN-Gebäude an einem Konferenztisch und blättert in Unterlagen. Auch die Vereinten Nationen verfolgen genau, wie sich Bhutans Idee des Bruttosozialglücks entwickelt.
Die Resultate der großen Bruttosozialglücksumfrage vor einem Jahr, die die UNDP unterstützt hat, seien erstaunlich gewesen, erklärt Bakhodir Burkhanov. „Denn psychisches Wohlergehen und Zeitnutzung wurden in dieser Weise noch nie irgendwo anders erfasst“, fügt er hinzu. „Interessanterweise hat die Untersuchung ergeben, dass das Glück nicht an Einkommen gebunden ist. Nach Kriterien wie Stress oder Teilnahme an der Gemeinschaft haben Bhutans sogenannte arme Distrikte weitaus besser abgeschnitten als die zentralen Distrikte und sehr viel besser als die Hauptstadt.“
Bhutans Idee des Bruttosozialglücks stoße in der UN-Zentrale in New York auf sehr großes Interesse, sagt er. Denn dort sei man zu dem Schluss gekommen, dass die Kriterien, mit denen der Human Development Index berechnet wird, nicht ausreichten, um die Lebensqualität weltweit abzubilden (siehe Randspalte). „Wir denken stark darüber nach, ob das Konzept des Bruttosozialglücks die Art, wie menschliche Entwicklung gemessen wird, verändern könnte.“
Ist Bhutan somit das sagenumwobene Shangri-La, der legendäre mythische Ort im Himalaja, von dessen Wissen die gesamte Menschheit lernen und profitieren kann? Nein. Die Zeitungen sind voll von Geschichten über Gewalt gegen Frauen. Vor allem höhere Regierungsbeamte sollen immer wieder für ihre Dienste sexuelle Gegenleistungen fordern. Auch nehmen Probleme durch Alkohol- und Drogenmissbrauch kontinuierlich zu. Jugendliche kommen mit dem Konsum von Marihuana nicht zurecht. Es wächst als Unkraut im ganzen Land und diente bisher nur als Tierfutter.
Und mit einer Auseinandersetzung hat Bhutan weltweit Negativschlagzeilen gemacht. In den frühen 1980er-Jahren kam eine Volkszählung zu dem Ergebnis, dass der Anteil der Nepalesen im Land mehr als 50 Prozent betrug. Deswegen setzte 1988 die Politik der sogenannten Bhutanisierung ein: Alle Minderheiten des Landes mussten sich dem Verhaltenscode der regierenden Ngalong-Ethnie unterwerfen. Es kam zu Unruhen. 1991 begannen Polizei und Armee, Menschen nepalesischen Ursprungs aus dem Land zu treiben. 100.000 Menschen flohen nach Nepal, wo die meisten von ihnen bis heute in Flüchtlingslagern hausen. Viele von ihnen hatten seit fünf oder mehr Generationen in Bhutan gelebt. Eine Chance, in ihre Heimat zurückzukehren, haben sie nicht. Das sind die Schattenseiten der Politik einer Volksgruppe, die sich von Milliardenvölkern umringt sieht.
Über diese dunkle Episode von Bhutans jüngster Vergangenheit spricht bis heute in dem kleinen Königreich niemand. Doch trotz der Ereignisse aus den 1990er-Jahren sind die Vorzeichen für eine weitere Demokratisierung des Landes positiv. 2008 fanden in Bhutan die ersten demokratischen Wahlen statt. Jigme Singye Wangchuck, der vierte König des Landes, hatte sie zehn Jahre zuvor angekündigt und das Land darauf vorbereitet. Bhutan ist nun laut Verfassung eine konstitutionelle Monarchie. Das Parlament in Thimphu könnte sogar den König durch ein Misstrauensvotum aus dem Amt heben.
Auch die Pressefreiheit nimmt weiter zu. Mehrere englischsprachige Tageszeitung nehmen die Politik der Regierung unter die Lupe und äußern sich auch kritisch zu politischen Entscheidungen des Königs. „Bhutan ist eine sehr junge Demokratie“, sagt Bakhodir Burkhanov von den Vereinten Nationen. „Somit muss sich das Land einer Menge von Themen stellen, die den Menschen hier bislang vollkommen unbekannt waren.“
Er sei zuversichtlich, sagt Burkhanov, dass das Land seine Probleme bewältigen werde – eben auch durch die Politik des Bruttosozialglücks. „Dieses Konzept, über das heute in ähnlicher Form weltweit nachgedacht wird, ist absolut visionär!“ Der UN-Mitarbeiter ist sich sicher, dass Bhutans Regierungsphilosophie zum Vorbild für Entwicklungspolitik weltweit werden könnte.
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