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Die WahrheitBeim Barte der Kloake

Der Weihnachtsmann ist eine tickende Zeitbombe, denn in gewissen seiner Körperregionen tummeln sich für den Menschen lebensgefährliche Bakterien.

Geht gar nicht, warnt weltweit die Seuchenmedizin: Kleinkind in der Nähe von Santa Claus. Foto: reuters

Das Nachrichtenmagazin Focus bringt es auf den Punkt: „Mikrobiologen zufolge sollen sich im Bart des Mannes mehr Bakterien befinden als in der Toilette, darunter auch Spuren von Kot.“ Der Focus bezieht sich auf eine klinische Studie aus New Mexico. Dort wurden „Bärte von Freiwilligen durchgebürstet und der Inhalt untersucht“.

Doch wie ist die Lage in Deutschland, und was sagen die Leute hier dazu? Wir fragen Florian-Jeehad Bregenkötter (28), der im Untergeschoss des Löhner Hauptbahnhofs arbeitet. Der vom Satanismus zum Salafismus konvertierte Toilettenfachreiniger widerspricht vehement: „Natürlich hängt mir bei der Arbeit der Bart in die Schüssel, sodass die Bakterien sich über ihn ins Trockene retten.“ Nachdenklich streicht er sich durch die Wolle, aus der nun unter leise zirpenden Hilferufen ein paar Millionen Kleinstlebewesen purzeln. „Wäre ich eine Bakterie würde ich das genauso machen. Wer möchte schon ertrinken?“

Bregenkötter zeigt Verständnis für die wasserscheuen Mikroorganismen. „Nur, wie sollen dann mehr Bakterien im Bart sein als zuvor in der Toilette? Das ist doch nach Adam Riese gar nicht möglich.“ Sein Argument entbehrt nicht einer gewissen Logik. Allerdings ist es schon beunruhigend genug, dass Salafisten, Hipster und Countrysänger ihre Bazillen, Spirillen und Streptokokken mit sich herumtragen, als wären sie Koalabärenmütter für tödliche Krankheiten.

Doch sind das alles Personengruppen, die ein vernünftiger Mensch ohnehin meidet. Viel gefährlicher ist ein Bartträger, der weitaus mehr Sympathien auf sich vereinigt: der Weihnachtsmann. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt Kindern in Gegenwart der heiligen Bazillenschleuder, lieber Penicillin-Beipackzettel als Weihnachtsgedichte herunterzubeten.

Santa Claus als apokalyptischer Reiter

Hanno Wirrleber (37), Seuchenforscher beim Robert-Koch-Institut (RKI), dem Bundesinstitut für Infektionskrankheiten, bestätigt: „Der Weihnachtsmann ist eine tickende Zeitbombe. Im Grunde ist es unverantwortlich, ihn überhaupt nur in die Nähe von kleinen Kindern und Senioren zu lassen, denjenigen Bevölkerungsgruppen, die aufgrund ihrer geringeren Abwehrkräfte am gefährdetsten sind.“

Wirrleber zitiert aus dem Bundesseuchengesetz, Paragraf 666: „Auf gar keinen Fall in die Wohnung lassen, und wenn doch, dann nur unter striktesten Sicherheitsvorkehrungen: Der Flur muss zu einer Sicherheitsschleuse mit mehreren Kammern umfunktioniert werden, in der die verschiedenen Desinfektionsschritte durchgeführt werden können. Der Weihnachtsmann selber sollte einen Glasfaseranzug tragen und auch für die Kunden empfiehlt sich in jedem Fall hermetisch dichte Schutzkleidung.“ Die traditionelle Herangehensweise mit Knoblauch oder Kruzifix könne er als seriöser Naturwissenschaftler jedenfalls nicht empfehlen.

Osterhasenfell total verseucht

Es kommt aber alles noch viel schlimmer. Die Bärte von Nikolaus und Knecht Ruprecht sind prächtige Mutterschiffe für die vom Bakterium Treponema pallidum übertragene Syphilis, von Sack und Rute einmal ganz abgesehen. Und was viele nach wie vor nicht wahrhaben wollen, doch was nach Untersuchungen des Berliner Tropeninstituts längst erwiesen ist: Auch im Fell des Osterhasen lassen sich bis zu hundertmal mehr Pestflöhe bestimmen als an einer mittelalterlichen Wanderratte. Der Historiker Jakob Miele von der Universität Bielefeld vermutet: „Es war wohl damals schon der Schwarze Tod, der die Eier versteckte. Das führte auch zu unserer sarkastisch gemeinten Redensart: „Da hat sich aber einer ein schönes Ei gelegt!“

Damit noch nicht genug: Die Antennen der Teletubbies sind nicht nur massiv asbestverseucht, sondern bilden in Gestalt der Schraubfugen zu den Köpfen hin auch noch ein ideales Biotop für die Erreger von Ruhr, Cholera, Diphtherie und Dackellähmung. Die Beispiele sind sonder Zahl.

Die größte Gefahr lauert also ausgerechnet da, wo sich der Mensch am sichersten fühlt – eine bittere, aber auch bitter notwendige Erkenntnis.

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